Wirtschaftsblogs retten noch nicht die Wirtschaft

by Dirk Elsner on 23. Februar 2011

An eine Abwandlung der Frage von Jens Berger “Retten die Blogger die Demokratie?” fühlte ich mich am vergangenen Wochenende erinnert, als ich mich durch diverse Wirtschaftsblogs klickte, um meine “Pflicht” als Jury-Mitglied für den Wettbewerb für den “Finance Blog of the Year 2011” zu erfüllen. Leisten Wirtschaftsblogs ein besseres Verständnis zur Wirtschaft? Wenig überraschend, dass angesichts der Heterogenität der Wirtschaftsbloglandschaft die Frage gar nicht pauschal zu beantworten ist.

In der auf mittlerweile 179 Blogs angewachsenen Mindmap deutscher Wirtschaftsblogs ist zunächst einmal sehr viel und oft auch qualitative hochwertiges Lesematerial zu finden. Am anderen Ende der Skala gibt es die Wirtschaftsblogs, die Werbung hinter “Verbrauchertipps” verstecken und letztlich nur Backlinks generieren und SEO betreiben. Letztere versuche ich aus der Mindmap herauszuhalten, erst Recht, wenn redaktionelle von werblichen Inhalten nicht mehr zu unterscheiden ist.

Ein Vergleich mit den herausragenden US-Blogs, wie etwa Business Insider, Zero Hedge, Credit Writedowns und vielen anderen verbietet sich, weil die meisten Blogs nur von ein, zwei oder drei Personen beschrieben und, soweit ich das erkennen kann, meist nur nebenbei betrieben werden. Ich sehe daher noch keinen Blog in den Fußstapfen der “US-Vorbilder”, die sich durch tiefe und professionelle Information mit einer gehörigen Portion oft erfrischender Meinung auszeichnen.

Den klassischen Medien Konkurrenz machen will übrigens auch niemand. Viele Autoren haben freilich das Potential dazu, weil sie die Leser durch ihre Fachgebiete souveräner und oft lesenswerter führen. Mit ökonomischen Sachverstand (Beispiel Pixelökonom, Querschüsse), Tiefe (Acemaxx Analytics), Fachkenntnis (Social Banking 2.0, egghat), intelligenter Skepsis (Weissgarnix, Spiegelfechter), praktischen Hinweisen (Komplexitätsmanagement oder PM-Blog), Brancheninsidern (Finance 2.0 oder Bank-Blog) und vielen, vielen Beispielen mehr gibt es hier jedenfalls deutlich bessere und tiefere Lektüre als die Zitate und Gespräche mit den ewig gleichen “renommierten Experten” des Pressemainstreams.

Das Bild der Wirtschaftsblogs bleibt glücklicherweise äußerst bunt. Sie retten mit ihren Beiträgen zwar nicht die Wirtschaft, geben aber viele Denkanstöße abseits der reichweitenstarken Meinungsmacher.

Ein Wink, den ich mir einfach nicht verkneifen kann, an die Wirtschaftsblogs selbst zum Schluss: Denkt doch einfach noch ein wenig mehr an die Verlinkung untereinander.

 

PS

Seit gestern stehen übrigens die Finalisten im Wettbewerb bei Smava fest. Abstimmen kann man hier. Viele ganz hervorragende Blogs, übrigens auch einige der oben genannten, stehen leider nicht auf der Finalistenliste. Das liegt aber daran, dass viele Top-Namen gar nicht für den Wettbewerb gemeldet wurden.

Ratenkredit.org Autor März 1, 2011 um 09:45 Uhr

Stimme dem Autor völlig zu. Qualitative Wirtschaftsblogs sind oft viel interessanter und nützlicher zu lesen, denn im Gegensatz zu den klassischen Pressemitteilungen sind andere Leser auch frei, ihre Meinung zu äußern und mit den eigenen Kenntnissen zu teilen.

nigecus Februar 24, 2011 um 13:00 Uhr

Die Vorauswahl ist ganz gut geworden.

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