Think the unthinkable: Echtes Stressszenario von Standard & Poor´s für die europäische Wirtschaft

by Dirk Elsner on 24. März 2011

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass der Stresstest der EBA (European Banking Authority) nicht den Anforderungen entspricht, die sich etwa der Baseler Ausschuss in einem Konsultationspapier  2009 vorstellt. Der Ausschuss forderte einst, dass Stresstests nicht auf wenige, singuläre Stresspfade begrenzt sein sollten, sondern eine Reihe von zukünftigen Szenarien beinhalten, die jenseits der Vorstellungskraft liegen („think the unthinkable“) (siehe Zusammenfassung auf Risknet) berücksichtigen sollten. Davon kann bei dem aktuellen Eigenkapital-Test keine Rede sein.

Dabei liegt eine Umschuldung Griechenlands ja bereits diesseits der Vorstellungskraft der Finanzmärkte. Schlimmere Szenarien, wie etwa eine durch ein Kernkraftwerksunglück oder einen Ölpreisschock ausgelöste Weltrezession gehören vielleicht nicht zum wahrscheinlichen Szenario aber sich nicht zum Undenkbaren. Die EBA sieht solche Szenarien freilich nicht vor.

Ein echtes Stressszenario, nicht im Sinne von wahrscheinlich, jedoch im Sinne der Zielsetzung eines Stresstests, liefert Standard & Poor´s in einer gestern erschienen Studie mit dem Titel: “Stressing The System: The Outcomes For Western Europe Of A Hypothetical Interest Rate Shock“ Das Handelsblatt fasst das düstere Szenario zusammen, das mit steigendem Misstrauen der Investoren gegenüber den Schuldnerländern beginnt und in der Folge zu weiter steigenden Anleiherenditen und Problemen einiger Staaten sich überhaupt Geld zu besorgen. In der Folge führt dies zu einem Einbruch der Wirtschaft. Das Handelsblatt schreibt weiter:

Am schlimmsten betroffen wären die Euro-Krisenländer Irland, Griechenland, Portugal und Spanien. Dabei würden nicht nur die Staaten, sondern auch die Unternehmen unter massiv steigenden Anleiherenditen leiden. Im Horror-szenario würden sich die durchschnittlichen Renditen für fünfjährige Anleihen der Staaten, der Banken und der wenig kreditwürdigen Unternehmen in Griechenland auf 28 und in Spanien auf 17 Prozent bis zum Jahr 2013 in etwa verdoppeln. In Deutschland würde die entsprechende Durchschnittsrendite von derzeit etwa zwei auf sieben Prozent in die Höhe schießen.
….
Für das Bruttoinlandsprodukt sagen die Ratinganalysten im schlimmsten Fall einen Einbruch von 20 Prozent in Irland, Griechenland, Portugal und Spanien voraus. In Italien läge der Einbruch bei sechs Prozent, in den übrigen westlichen EU-Ländern bei drei Prozent. Unter den Schuldnern aus Irland, Griechenland, Portugal und Spanien würde knapp ein Viertel pleitegehen. Dies hätte auch gravierende Folgen für die Aktienmärkte, die zwischen 50 und 70 Prozent verlieren sollten.”

S&P leitet daraus einen zusätzlichen Kapitalbedarf für Banken im Umfang von 250 Mrd. € voraus, der durch die Staaten erbracht werden muss.

Auch wenn S&P dieses Szenario für hypothetisch hält, völlig undenkbar ist es nicht. In diesen Tagen kämpfen Portugal und Griechenland um die Gunst der Finanzmärkte. Und wie heißt die Empfehlung des Baseler Ausschusses für Stresstests? Think the unthinkable!

Mehr zu der Studie von Standard & Poor´s

Bloomberg: Europe’s Banks Would Need $355 Billion of Capital in S&P Stress Scenario

WSJ: Europe Could Withstand Yield Surge, Economic Slump – S&P Study

Leon Hartner März 24, 2011 um 08:19 Uhr

Minimal off-topic: Zum Papier zur Beteiligung von
Anleiheinvestoren / Rettungsschirm usw:

http://m.ft.com/money-supply/2011/03/23/the-eurozone-rescue-fund-volatility-and-civic-unrest/

Marsman März 24, 2011 um 04:34 Uhr

Wenn S & P von „steigendem Misstrauen der Investoren gegenüber den Schuldnerländern beginnt und in der Folge zu weiter steigenden Anleiherenditen …“ dann trifft dies gerade mal für Irland zu. Da sind gerade mal die Anleihezinsen ordentlich in die Höhe geschossen:

BOND investors reacted with horror to the latest changes to EU bailout rules by dumping Irish and other risky bonds yesterday, driving borrowing costs for Ireland to a fresh high.

European finance ministers have agreed new rules that mean a government accepting rescue loans from 2013 can be forced to inflict losses on its bondholders in exchange for aid.

The Irish Government’s cost of borrowing over two years surged to 10.18pc yesterday, the highest yield since 2003, and higher than the cost of 10-year borrowing.

Under the new European Stabilisation Mechanism (ESM), a country needing a bailout after mid-2013 will „be required to engage in active negotiations . . . with its creditors“.
http://www.independent.ie/business/irish/borrowing-costs-surge-as-eu-changes-bailout-rules-2590625.html

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