Im Januar veröffentlichte die FTD eine Meldung über die Gründung der Nichtregierungsorganisation (NGO) Financewatch. Die von europäischen Abgeordneten, darunter dem deutschen Vertreter Sven Giegold, gestartete Organisation versteht sich als Gegengewicht zu den einflussreichen Lobbyorganisationen der Finanzbranche, die vor allem in Brüssel massiv Einfluss zu nehmen.
Seit dem Erscheinen des Beitrags in der FTD Mitte Januar war aber auf der Webseite von FinanceWatch nicht mehr viel zu lesen. Seit Januar war dort nur ein Link auf einen Artikel im Neuen Deutschland zu finden. Der Twitter-Account FinanceWatchdog wies bis Montag gerade 21 Tweets in verschiedenen Sprachen auf und legte erst in den letzten Tagen etwas nach. Am Montag erinnerte erneut und “exklusiv” die FTD daran, dass die Aktivitäten doch nicht versandet sind. Anschließend legte die FAZ nach mit ein paar zusätzlichen Informationen.
Das ist gut so, denn der Ansatz von Finance Watch klingt plausibel. Die Abgeordneten in Europa werden aus dem Finanzsektor mit Einflussversuchen und Studien geradezu bombardiert. In dem Aufruf zur Gründung einer NGO schreiben die Parlamentarier u.a.:
“Die Lobbyarbeit einer Interessensgruppe muss in der Tat durch Stellungnahmen anderer ausgeglichen werden. Zum Thema Umwelt und öffentliches Gesundheitswesen haben die Nichtregierungsorganisationen (NRO) der von der Industrie vertretenen Auffassung eine echte Gegenexpertise entwickelt. Das Gleiche gilt im sozialen Bereich für Arbeitgeber- und Gewerkschaften. Diese Gegenüberstellung ermöglicht Abgeordneten, widerstreitende Argumente anzuhören. Für den Finanzsektor trifft das nicht zu. Weder die Gewerkschaften noch die NRO haben eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Industrie Stand halten.”
Der Ansatz, eine Art Gegengewicht zu etablieren ist absolut richtig. Dabei ist es aber nicht so, dass niemand den Banken auf die Finger schaut. Verschiedene Verbände und NGOs schauen bereits sehr genau hin, was in der Finanzwelt passiert. Allerdings beachten Verbände, wie etwa Verbraucherschützer, nur bestimmte Interessen oder werden ob der Radikalität ihrer Positionen, wie Attac, nicht richtig ernst genommen.
Tatsächlich liest man vergleichsweise wenig über öffentliche und nicht aus dem Finanzsektor kommende Reaktionen zu den komplexeren Facetten der Finanzmarktregulierung. Schaue ich in die Artikelsammlung im Blick Log zur Neuen Finanzordnung, dann stammen gefühlte 80% der Reaktionen aus der Finanzbranche selbst oder der Politik. Hier fehlt ein Gegengewicht, um etwa Vorschläge der Wissenschaft praxisgerecht aufzubereiten, damit Politiker die Folgen der Finanzmarktregulierung und die Gegenvorschläge der Lobbyisten sachgerecht beurteilen können. Dies ist angesichts der Regelungsfülle bitter notwendig (siehe dazu Mindmap zur Neuen Finanzordnung).
Klar, für die Gesetzesmacher arbeiten Sachverständige und Referenten in den Fachbehörden. Sie können außerdem wissenschaftliche Gutachten in Auftrag geben. Dennoch hat man den Eindruck, dass gerade die Erkenntnisse der Wissenschaft zur Finanzmarktregulierung oft ungehört bleiben. Daher macht es Sinn, mit Finance Watch ein Gegengewicht zu bilden. Ich bin auf die Arbeit und die ersten Veröffentlichungen sehr gespannt und hoffe nicht, dass die Initiative wieder einschläft. Diesen Eindruck musste man nämlich angesichts der zwischendurch eingetretenen Stille haben.
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