Eigentlich wollte ich in diesen Tagen nichts mehr über die griechische Schuldenkrise schreiben. Das Informationsrauschen um die Finanzierung der Defizite des griechischen Staatshaushalte hat fast schon ein fukushimatisches Ausmaß erreicht (zum Ticker hier) und ich habe hier in den letzten Wochen alles geschrieben, was es bei der derzeitigen Desinformationslage zu schreiben gibt. Dann passierte aber gestern etwas, was mich doch noch einmal in die Tasten hauen ließ: Griechenland nahm am Geldmarkt zu unerwartet guten Konditionen Geld auf.
Beim Fußball heißt es, die Wahrheit gibt es auf dem Platz. Im Finanzwesen gibt es die Wahrheit auf dem Emissionsmarkt, nämlich dann, wenn sich jemand Geld beschaffen will. Genau in diesem Moment zeigt sich, ob der Kapitalgeber, dem Kapitalnehmer vertraut. Auf diesen Kapitalmärkten hat sich gestern Erstaunliches ereignet. Trotz des Geredes über eine Umschuldung, trotz der Herabstufung des griechischen Bonitätsnote durch die Ratingagenturen, trotz sehr hoher Zinsen am Sekundärmarkt, gelang es Griechenland vergleichsweise leicht 1,625 Mrd. Euro zu erträglichen Zinsen aufzunehmen. Das Land hätte sogar einen noch größeren Betrag am Markt platzieren können. Der Zins lag nach einem Bericht des Handelsblatt mit 4,88 Prozent nur geringfügig höher als bei der vergangenen Auktion vor Monatsfrist.
Diese Auktion ist nach all dem Gerede von Fachleuten, den ominösen Geheimtreffen der EU und vor allem den Konditionen am Sekundärmarkt eine echte Überraschung und könnte trotz neuer Hilfen aus Europa als Vertrauensbeweis gewertet werden. Tut es aber nicht. Ich bin nämlich irritiert.
Laut dem Chef der griechischen Schuldenverwaltung, Petros Christodoulou, gingen 34% des Schuldpapiere an ausländische Investoren. Erstaunlich ist, dass sich hier Investoren Papiere kauften, obwohl sie sich am Sekundärmarkt zu deutlich besseren Konditionen hätten eindecken können. Das wirft die Frage auf, wer die ausländischen Käufer eigentlich waren und ob sie von irgend jemanden eine Art Garantie bekommen haben. Ökonomisch wäre das Verhalten für nicht staatliche Investoren jedenfalls hochgradig irrational. Allein die Prämien für die Absicherung gegen einen Zahlungsausfall Griechenlands liegen deutlich über 10% p.A. (allerdings für längere Laufzeiten).
Bei griechischen Anleihen kann man einen hohen Laufzeitspread beobachten. Natürlich können auch die Sekundärmarktkurse und Preise für die Kreditversicherungen (via Credit Default Swaps) künstlich nach unten (bzw. beim CDS noch oben) gepimpt sein. Wer weiß schon in diesem intransparenten Geschäft, zu welchen Umsätzen hier überhaupt Preise generiert werden. In jedem Fall wirft die Platzierung viele Fragen in Richtung Kapitalmärkte auf.
Unterdessen erhält Griechenland richtig prominente Schützenhilfe von Goldman Sachs, die keinen Haircut sehen und das Risiko für für einen Schuldenschnitt zu hoch halten. Zur Erinnerung: Goldman Sachs half Griechenland dabei, über komplexe Finanzierungskonstruktionen die ausgewiesenen Verbindlichkeiten kleiner zu halten, als sie ökonomisch waren.
Trotz dieses sicher nicht frei von Interessen gehaltenen Beistands reißen die Berichte nicht ab, dass die Europäer hinter den Kulissen über weitere Milliarden-Krediten für Griechenland beraten und.den Schuldendienst strecken und die Zinsen senken wollen. Das nennt man übrigens ebenfalls eine Umschuldung.
In jedem Fall trägt die Debatte zum immensen hellenischen Finanzbedarf nicht unbedingt zur Beruhigung bei. Als Steuerzahler, der indirekt für die Beträge haftet, fühle ich mich weiter ausgesprochen schlecht informiert und frage mich, wann man der Haftungsgemeinschaft der europäischen Steuerzahler endlich einmal die Informationen zukommen lässt, die in der freien Wirtschaft jeder Bürge oder Kreditgeber erhält, bevor er eine finanzielle Zusage erteilt.
Gerade wegen dieser Desinformationsmelange ist es schwer, die gestrige Geldmarktauktion uneingeschränkt als Vertrauensbeweis zu werten. Es bleibt der Verdacht, dass hier irgend etwas gedreht wurde, um Kapitalmärkte und Öffentlichkeit eine Beruhigungspille zu verpassen.
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