Vorstand von Hochtief feiert heute die Übernahme durch ACS dank lukrativer Change of Control-Klausel

by Dirk Elsner on 12. Mai 2011

Im Herbst vergangenen Jahres sorgte die Übernahme des deutschen Baukonzerns Hochtief durch den spanischen ACS-Konzern für Vollbeschäftigung bei diversen PR-Agenturen, die über mehr oder wenig geschickte Medienarbeit die deutsche Öffentlichkeit vor dem Einstieg der Spanier in Essen warnten. Vor allem Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter schien statt der vernünftigen Führung des Unternehmens seine gesamte Energie darauf zu ver(sch)wenden, die Übernahme zu vermeiden, zumindest sollten wir das glauben. Ihm war dabei bekanntlich keine Finte zu schade, um der Öffentlichkeit und vor allen den Aktionären Sand in die Augen zu streuen (siehe Berichte unten).

Er gab dabei vor, sich vor allem für die Interessen der Aktionäre und der Mitarbeiter einzusetzen: “Wir sind gewillt, unseren Weg im Interesse der Aktionäre bis zum Ende zu gehen“, zitierte ihn etwa das Handelsblatt im November. Möglicherweise waren dies aber nur ein Ablenkungsmanöver, denn Lütkestratkötter profitierte persönlich am meisten von der Übernahme durch eine spezielle Ausstiegsklausel in seinem Anstellungsvertrag. Er und weitere Top-Manager dürfen nun mit einem goldenen Handschlag gehen, der ihnen bis zu 4 Millionen Euro verspricht, wenn ein wesentlicher Wechsel der Eigentümer stattfindet.

Heute nach der Hauptversammlung von Hochtief wird Lütkestratkötter nicht mehr Vorstand sein. Er geht auf eigenen Wunsch und kassiert kräftig dank der Change of Control-Klausel”, die ihm und seinen Vorstandskollegen ein Sonderkündigungsrecht zubilligt. Diese Klausel garantiert selbst dann eine hohe Abfindung im Falle eines Eigentümerwechsel, wenn das Management auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlassen will. Dies ist ein besonders krasser Fall von Fehlanreizen durch Vertragsgestaltung, denn bekanntlich gehören Eigentümerwechsel bei börsennotierten Unternehmen eher zur Normalität, denn zu Ausnahme. Die Wochenzeitung DIE ZEIT bezeichnet solche Klauseln daher zu Recht als Unsitte. Spiegel Online schrieb über solche Vereinbarungen: “Dank bizarrer Klauseln können scheidende Vorstände inzwischen ungeniert kassieren.”

Solchen Vereinbarungen sind aber nicht nur eine Unsitte, sondern sie können sogar Auslöser für Moral Hazard sein, also einem einseitig schädigenden Verhalten, dem keine adäquate Gegenleistung gegenüber steht. Die betriebswirtschaftliche Forschung ist mittlerweile voll mit Befunden darüber, wie Manager vertragliche Vereinbarungen in so genannten Prinzipal-Agent-Beziehungen zu ihren Gunsten auszunutzen (siehe unten wissenschaftliche Literatur zum Hintergrund). Ich empfehle dazu wieder einen Blick in Norbert Härings Buch “Markt und Macht” zu werfen. Er liefert darin u.a. eine Autopsie, warum erfolgsabhängige Bezahlungen für das Top-Management ins Desaster für Aktionäre und oft auch für Mitarbeiter führt.

Die “Change of Control-Klausel” passt da wunderbar ins Bild, denn sie schafft einen sehr starken persönlichen Anreiz für das Managements, sich zunächst gegen eine Übernahme offen und massiv unter dem Vorwand zu wehren, sie schade dem Unternehmen. Nach der Übernahme kann man kündigen oder lässt sich wahlweise kündigen, weil der starke Widerstand eine künftige Zusammenarbeit wegen des zerstörten Vertrauensverhältnisses unmöglich macht. So kann das Management zu Lasten der Aktionäre kassieren und das ganz legal. Dazu kommt, dass der  Widerstand den Aktienkurs vorübergehend in die Höhe treibt. Dies nützt dem Management, wenn es Optionen auf das Unternehmen hält und die vorzeitig verkaufen kann.

Der Nutzen des Widerstands bleibt wie im Fall Hochtief im Nebel hängen. Lütkestratkötter hat nicht betriebswirtschaftlich plausibel darlegen können, warum ACS mit der Übernahme Hochtief und den Mitarbeitern schädigen könne. An die Legende von der feindlichen Übernahme habe ich nie geglaubt (siehe dazu diesen Beitrag). Die “Change of Control-Klausel” legt die Vermutung nun nahe, dass ganz andere Motive für die massive Abwehr ausschlaggebend waren.

Die Klausel schadet am Ende dem Unternehmen doppelt. Sie setzt den falschen Anreiz für das Management. Und nach erfolgter Übernahme steht die bisherige Geschäftsleitung nicht mehr zur Verfügung. Solche Klauseln passen nicht zu den Grundsätzen guter Unternehmensführung.

Nachtrag vom 31.1.2012

HB: Manager-RauswürfeHochtief-Ergebnis leidet unter hohen Abfindungen (30.1.12): Nach der Übernahme durch ACS haben bei Hochtief zahlreiche Manager den Hut nehmen müssen. Und die hohen Abfindungen waren der Hauptgrund dafür, dass das Ergebnis des Baukonzerns so stark belastet wurde.

Wissenschaftliche Literatur zum Hintergrund

Arbeitspapier der Uni Münster: Pay for poor performance –  Vorstandsvergütungspraxis deutscher Konzerne in der Finanz- und Wirtschaftskrise (Dezember 2010)

Carline/Yadav: Decoupling the Motives for Takeover Resistance, and the Implications for Stockholders, Managers and Bidders, Working Paper 2009

Buchholtz/Ribbens: Role of chief executive officers in takeover resistance: Effects of CEO incentives and individual characteristics, in Academy of Management Journal 1994.

Ein Streifzug durch die Schlagzeilen der Hochtief-Übernahme

HB: Kampf gegen Übernahme: Hochtief macht es ACS noch einmal schwerer (29.12.10): Im Kampf gegen die Übernahme durch den spanischen Großaktionär ACS unternimmt der Baukonzern Hochtief einen weiteren Versuch, die Spanier zu bremsen. Durch ein Abkommen mit den Banken wollen die Essener den Spaniern den Zugriff auf die Unternehmenskasse erschweren. Derweil ist ACS fast am Ziel.

Hochtief-Übernahmekampf: ACS zieht Gewerkschaft IG Bau auf seine Seite (22.12.10): Der spanische Bauriese ACS hat die Gewerkschaft IG Bau im Kampf um die Übernahme des deutschen Konkurrenten Hochtief überzeugt. Er verständigte sich mit der Arbeitnehmerorganisation über die künftige Zusammenarbeit.

SZ: Hochtief Der Weiße Ritter aus dem Morgenland (06.12.10): Wende im Abwehrkampf: Wochenlang wehrt sich der deutsche Baukonzern Hochtief vergeblich gegen den Übernahmeversuch des spanischen Rivalen ACS. Doch plötzlich gibt es einen neuen Großaktionär – das Emirat Katar.

Übernahmekampf: Hochtief-Angreifer beschafft sich frisches Geld (26.11.10): Der spanische Interessent an einem Übernahme des deutschen Baukonzerns Hochtief lässt nicht locker. ACS will sich nun sogar von seiner Sparte für erneuerbare Energien trennen. Das soll Kapital für Übernahmen in die Kasse spülen – denn das Unternehmen ist trotz allen Ehrgeizes hoch verschuldet.

Übernahmekampf: Katars Einstieg bei Hochtief macht ACS Probleme: Der Einstieg von Katar bei Hochtief könnte die Strategie des spanischen Baukonzerns ACS über den Haufen werfen, der Deutschlands größten Baukonzern billig übernehmen will. Doch der Schritt wird nun möglicherweise deutlich teurer werden.

Angestrebte Übernahme: ACS veröffentlicht Angebot für Hochtief (1.12.10): Lange hatte sich die Zustimmung der deutschen Börsenaufsicht BaFin für die Übernahmeofferte des spanischen Baukonzerns ACS für Hochtief hinausgezögert. Jetzt haben die Spanier ihr Angebot offiziell veröffentlicht.

HB: Hochtief: ACS bekommt Rückhalt für Übernahmekampf (17.11.10): Der spanische Baukonzern ACS hat von seinen Aktionären den Rücken gestärkt bekommen für die Übernahme des deutschen Bauunternehmens Hochtief.

Kampf gegen ACS: Hochtief will sich von Beteiligungen trennen (10.11.10): Der gegen die Übernahme durch ACS kämpfende Hochtief-Konzern plant, mehrere Beteiligungen zu verkaufen. Im kommenden Jahr werde ein Anteil der Tochter Hochtief Concessions veräußert, hieß es. Demnach ist ein zweigleisiges Verfahren mit einem Börsengang und einem Verkauf von Anteilen an Investoren geplant.

HB: Übernahme – Hochtief schießt neuen Giftpfeil ab (9.11.10): Der Essener Baukonzern Hochtief wehrt sich bislang erfolglos gegen die feindliche Übernahme durch ACS. Nun könnte eine Wandelanleihe den Deal für die Spanier zusätzlich verteuern. Die würde das Grundkapital – also die Gesamtzahl der Aktien – erhöhen und so die Übernahme für ACS verteuern.

HB: Ertragseinbußen bei Tochter: Hochtief-Kursschwäche spielt ACS in die Hände (3.11.10): Im Abwehrkampf gegen den spanischen Angreifer ACS läuft es bislang alles andere als gut für den größten deutschen Baukonzern Hochtief. Und ausgerechnet jetzt schwächt auch noch eine Gewinnwarnung der australischen Tochter Leighton die Position des Essener Unternehmens zusätzlich.

HB: „Keine Zerschlagung“: ACS-Chef wirbt mit Bestandgarantie um Hochtief (31.10.10): Mit einer Bestandsgarantie wirbt ACS-Chef Florentino Perez beim Hochtief-Management für eine Übernahme durch den spanischen Baukonzern. Über den starken Widerstand aus Deutschland und von Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter zeigt er sich erstaunt.

HB: Übernahme durch ACS: Deutsche Bank stärkt Hochtief im Abwehrkampf (28.9.10): Der Baukonzern Hochtief verstärkt seine Abwehr gegen den spanischen Konkurrenten ACS. Neben der US-Investmentbank Goldman Sachs berät nun auch die Deutsche Bank den größten Baukonzern Deutschlands beim Kampf gegen eine Übernahme durch den südeuropäischen Rivalen.

nigecus Mai 13, 2011 um 00:39 Uhr

isch hab‘ gehört daß Hochtief schon jetzt die Zeche bei Neuaufträgen zahlt. Oder besser es wird ACS bezahlen. Bei Verhandlungen schätzen Auftraggeber wohl die Bausrisiken höher ein, da der Leverage des ACS-Konzern schon etwas höher ist als bei der alten Hochtief. Egal so ist das halt‘.

Es ist schon etwas auffällig daß Ex-CEO Lütkestratkötter gerade mal ein paar Jährchen bei Hochtief ist. Der Asia-Pacific Chef Noe hat auch vorher die Biege gemacht… und bekommt 2 Jahre weiter Gehalt. Und Europa-Chef (und Ex-Enron-Manager) Stieler ist ACS wohl so weit in den Hinter gekrochen bis er CEO wurde. Alle drei sind klassische „Manager“ mit üblichen Job-Hopping. Die anderen haben eher eine normale Vita. Die Firma von America-Chef Rohr wurde in den 90ern von Hochtief gekauft und der CFO Lohr hat Anfang der 90er seine Lehre bei Hochtief gemacht. Die werden ACS wohl einfach über sich ergehen lassen, wie wahrscheinlich ein tausend andere auch.

dels Mai 12, 2011 um 16:19 Uhr

@Hardy
Mir ging es in diesem Beitrag nicht darum zu betrachen, ob ACS der richtige Partner ist oder nicht. Dafür verfüge ich gar nicht über die notwendigen Information aus beiden Unternehmen. Daher kann ich das Geschäft auch weder bejubeln noch betrauern.

Mir ging es vorwiegend um die Betrachtung unsinniger Vereinbarungen mit dem Management, die zu Fehlsteuerungen führen können, freilich nicht immer dazu führen müssen.

Der Job eines Vorstandes ist es außerdem nicht, sich um oder gegen den Kauf und Verkauf des Unternehmens zu kümmern, für das er arbeitet. Das ist eindeutig Sache der Eigentümer.

Hardy Mai 12, 2011 um 09:37 Uhr

Nun, lieber Dels, wissen wir also dass der Hochtief-Vorstand von der Übernahme profitiert. Aber wer sonst? Eines darf man doch nicht vergessen: Spanien ist de fakto bankrott. Größtenteils dafür verantwortlich: Die völlig aufgeblähte Bauindustrie – also der ACS-Sektor. ACS ist (vermutlich) überschuldet, die Geschäfte laufen zunehmend schlechter. Und ein solcher Konzern, der seinem Ende entgegengeht, kauft einen anderen, der eben nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt sondern sich durch kluge Geschäftspolitik in prosperierenden Märkten tummelt? Und das nur, weil er an billige Kredite herankommt? Und das alles – der Sieg der Irrealwirtschaft über den Realsektor – wird hier bejubelt?

Wisst Ihr was: Sobald die ersten Projekte den Bach runter, Kredite fällig gestellt und Leute hier entlassen werden, haue ich Euch Eure schlauen Betrachtungen um die Ohren. Denn das ärgert ja die Leute: Eine Bruchbude kauft ein Qualitätshaus, und die ganzen Dogmatiker hier jubeln ob der Durchsetzung der reinen Lehre. Ausbaden können es ja die anderen. Nur weiter so!

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