Schmutzige Tricks von Goldman Sachs für Griechenland verursachen Milliarden-Schaden

by Dirk Elsner on 15. Februar 2010

Impressionen New York-142

Goldman Sachs Tower (Foto: Blick Log)

Was hat sich Goldman Sachs eigentlich gedacht, als sie die Tabellenwerke der statistischen Ämter Griechenlands im Herbst vergangenen Jahres studierten? Vermutlich in etwa, dass sie die hunderte Millionen schwere Vertriebsprovision für die Platzierung griechischer Anleihen und anderer Leistungen nie würden kassieren können, wenn sie die vorgefundenen Zahlen einfach nur in Power Points und Hochglanzprospekte gießen würden. Offenbar haben Excel-Experten und Finanzingenieure ganz tief an den Parametern gedreht, damit Griechenland wieder als guter Schuldner strahlen kann und bei den “neoliberalen Oligarchen” (Zero Hedge) die Kassen klingen.

Da Goldman Sachs ja bekanntlich “Gottes Werk” (Goldman Chef Lloyd Blankfein) verrichtet,  dreht das Institut ja nicht ganz profan an den Zahlen. In ihrem Notfallkoffer befand sich ein Arsenal von Maßnahmen, um zukünftige Einnahmen etwa aus Flughafengebühren oder Lotterieerlösen schon jetzt zu versilbern. Damit und durch verschiedenste Swap-Konstruktionen konnten die offiziellen Verbindlichkeiten gedrückt werden. Belastungen werden in die Zukunft verschoben und Finanzverhältnisse verschleiert.

Seit Wochen bereits geisterte durch Märkte und Weblogs, dass Goldman Sachs und andere Investmentbanken Griechenlands Daten mit welchen Methoden auch immer frisiert haben sollen. Gestern adelte ein Artikel der New York Times diese Gerüchte durch eine fast offiziell klingende Bestätigung (leise Zweifel am Neuigkeitswert meldet egghat). Unter der inhaltsschweren Überschrift “Wall St. Helped Greece to Mask Debt Fueling Europe’s Crisis”  breiteten drei Autoren Details aus, die offenbar aus gründlichen Recherchen stammten (valide Quellen werden freilich nicht genannt). Sprecher der griechischen Regierung nannten selbst keine Namen, bestätigten aber Gespräche mit zahlreichen Banken. Goldman und JPMorgan lehnten wenig überraschend Kommentare dazu ab.

Dieser besondere Service, der “jedem Hütchenspieler zur Ehre gereichen würde” (Spiegel Online), schädigt sehr ernsthaft das gerade wieder hergestellte und sehr fragile Vertrauen in Finanzmärkte und Banken. Und dieser Schaden lässt sich in diesem Fall sogar messen.

300 Mio. US$ soll Goldman nach Angaben der NYT für die “professionelle Irreführung” von Investoren und EU kassiert haben. Dies ist ein lächerlich niedriger Betrag im Vergleich zum tatsächlich angerichteten Schaden, der in die Milliarden geht. Die Verwirrungen um die Zustand des griechischen Haushalts und den Budgets weiterer europäischer Länder hat die Finanzmärkte tief verunsichert. Und Verunsicherung auf Devisen-, Geld- und Kapitalmärkten wird nicht nur mit Kapitalabzug bestraft, sondern sie kostet viel Geld.

Sehr gut beobachten lässt sich dies an den erhöhten Risikoprämien für Kreditversicherungen (Fachbegriff Credit Default Swap = CDS) von Verbindlichkeiten der europäischen Staaten und Banken. Allein der Anstieg dieser Prämien (für Erläuterung und aktuellen Stand der Länderrisikokosten siehe diese Seite des VG-Blogs) verursachte bisher Mehrkosten, die möglicherweise allein schon einen zweistelligen Milliardenbetrag erreichen.

Betroffen davon sind, wie wir wissen, längst nicht nur Verbindlichkeiten Griechenlands, sondern auch die der anderen PIIGS-Staaten und ebenso die vieler Kreditinstitute, deren Refinanzierung sich verteuert hat. Natürlich sind auch die Risikoprämien deutscher Verbindlichkeiten betroffen.

Eine Kehrseite gestiegener Risikoprämien sind die Abschreibungen auf Anleihebestände, die deutlich im Wert verloren haben. Allein der Allianz-Konzern hat durch sinkenden Kurse griechischer Anleihen zum 3. Februar bereits über 100 Mio € verloren (Quelle und mehr Handelsblatt). Dazu zu addieren ist der Schaden, der europäischen Staaten und Unternehmen durch die Euroabwertung entstanden ist (abzüglich deren Nutzens).

Auch wenn Goldman Sachs und andere Investmentbanken die griechische Krise sicher nicht verursacht haben, sie haben die Vertrauenskrise erheblich verschärft, selbst davon profitiert und sind direkt für die daraus folgenden Konsequenzen verantwortlich. Unwahrscheinlich dennoch, dass sie dafür jemand zur Verantwortung zieht. Die  negativen Auswirkungen auf die Finanzmärkte dürften nicht justitiabel in dem Sinne sein, dass eine bestimmte Investmentbank nachweisbar kausal für bestimmte Schäden bestimmter europäischer Schuldner, Banken und Unternehmen verantwortlich gemacht werden kann.

Zu einen intimen und plausiblen Einblick, wie Banken und Hedge Fonds das griechische Risiko spielen, verhilft übrigens der Beitrag in der NZZ „Griechenland im Griff der Spekulanten„.

Nachtrag

Zero Hedge macht eine ausgezeichnete Tiefenbohrung der im Fall Griechenlands eingesetzten Instrumente. Sehr zu empfehlen: Is Titlos PLC (Special Purpose Vehicle) The Downgrade Catalyst Trigger Which Will Destroy Greece?

Das Handelsblatt meldet heute, der Bericht einer US-Zeitung habe die EU-Kommission alarmiert. Athen solle sich jetzt zu den Vorwürfen äußern.

Nach einem Bericht der FAZ hat die griechische Regierung unterdessen eingeräumt, dass das mit Hilfe von Derivaten Zahlungen in die Zukunft verlagert hat. Finanzminister George Papaconstaninou bestätigte heute Darstellungen, wonach Investmentbanken dem Land in der Vergangenheit geholfen hätten, das Haushaltsdefizit geringer darzustellen, als es war. Die Geschäfte seien damals legal gewesen, zitiert die FAZ den Minister. „Griechenland war nicht das einzige Land, das sie eingesetzt hat“, sagte Papaconstantinou. Namen von Investmentbanken nannte der Minister nicht.

Ausgewählte! Schlagzeilen vom Wochenende zur griechischen und europäischen Schuldenkrise

NYT: Wall St. Helped Greece to Mask Debt Fueling Europe’s Crisis

SZ: Goldman Sachs und Griechenland Schmutzige Hilfe für die Schuldentrickser aus Athen

HB: Goldman Sachs half bei Griechen bei Tricksereien

FAZ: Handel mit dem Risiko Griechenland wächst sprunghaft

HB: Staatsanleihen unter Druck: „PIIGS-Krise“ kann Versicherer Millionen kosten

FAZ: Griechenland & Co. Gefahr für unser Geld

WF: BlackRock kauft Hellas-Bonds: Griechenland kein Lehman

HB: Staatsanleihen unter Druck: „PIIGS-Krise“ kann Versicherer Millionen kosten

NYT: Greek Statistician Is Caught in Limelight

WSJ: The Greek Tragedy That Changed Europe

HB: Griechenland-Krise: Ökonomen kritisieren Hilfszusage der EU scharf

HB: Griechenland: Zentralbank verschärft Sparzwang

Economist: The sick men of Europe

FTD: Juncker warnt vor „totalem Aus“ für Griechenland

Zeit: Die Gefahr von Staatspleiten ist nicht gebannt

FB: Langfristvergleich von CDS-Preisen und Staatsverschuldung

Zero Hedge: All You Ever Wanted To Know About The Current Sovereign CDS Market But Were Afraid To Ask: The CDS-Bond Basis, CDS Curve Flattening, Volatility Skews And More

Zero Hedge: Exposing The Story Behind Goldman’s Record Profits

WSJ-Blog: Goldman v. N.Y. Times: Doth Goldman Protest Too Much?

AA: Nicht Griechenland, Euro-Zone ist in Krise

HB: Schuldenkrise weckt Angst um das Geld

BL: Europäische Krisenstaaten: Aufwärtsspirale der Staatsverschuldung

BL: Europäische Schuldenkrise: Versteckte Informationen und Herdenverhalten verunsichern Finanzmärkte

Links auf weiter zurückliegende Berichte sind auf dieser Seite zusammengestellt.

Joerg Februar 15, 2010 um 15:22 Uhr

Schon erschreckend mit was für einer Selbstgefälligkeit Goldman Sachs „Gottes Werk“ verrichtet. Interessant aber auch das wohl ein paar Hedgefonds und eine Investmentbank gezielt hinter dem starken Anstieg der CDS stecken sollen.
Richtig böse wäre es, würde hier GS seine Daten über Griechenland gezielt für die Spekulation auf steigende CDS benutzt haben.

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