Banken fahren noch nicht auf Smartphone-Banking App

by Dirk Elsner on 9. Juni 2011

Vergangene Woche hatte ich hier über Googles Angriff mit der Wallet auf die etablierte Finanzbranche geschrieben. Am gleichen Tag machte das Handelsblatt mit dem Thema auf: “Internetfirmen wollen den Geldverkehr beherrschen” (siehe Foto).

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Im Mittelpunkt der Beiträge standen die Smartphones, mit denen sich neue Möglichkeiten im elektronischen Zahlungsverkehr, der Kontoführung und viel mehr ergeben. Der Schlüssel zu diesen Möglichkeiten, sind die Apps genannten Programme, die die Smartphones mittlerweile zu Allroundgeräten mit einem Potential aufwerten, dessen Grenzen nur die Fantasie der Unternehmen setzen.

Und diese Fantasie ist bei den Banken ausgesprochen dürftig ausgeprägt. Diese Wertung wird wieder einmal bestätigt, wenn man sich die Ergebnisse einer Untersuchung von www.myprivatebanking.com ansieht. Die weltweit aktive Informations- und Networkingplattform für vermögende Privatkunden und Vermögensverwalter hat das Angebot mobiler Anwendungen der 30 größten Banken untersucht. Die Analyse zeigte, dass nur die Hälfte der 30 weltweit größten Banken und Vermögensverwalter ihren Kunden mobile Anwendungen bieten. Noch gravierender sei, so schreibt das Unternehmen in der Zusammenfassung der Ergebnisse, der Fakt, dass lediglich drei (10%) der Finanzdienstleister mobile Applikationen bereitstellen, die über simples Online-Banking hinausgehen. Dies sind erstaunliche Resultate angesichts des starken Wachstums von Smart Phones und Tablet PCs, die sich auch unter Bankkunden immer größerer Beliebtheit erfreuen.

Die Analysen ergaben im Detail, dass nur 15 Banken (50%) mobile Apps anbieten. Nur sechs (20%) der untersuchten 30 Banken offerierten Anwendungen mit Funktionen, welche nicht auch schon über die Website erhältlich war. Lediglich drei der analysierten Banken offerierten ihren Kunden Applikationen welche über das Abrufen von Kontoinformationen oder reines Online-Banking hinausgingen, wie z.B. ortsbezogene Informationsdienste (etwa ein Wegweiser zur nächsten Filiale oder dem nächsten Geldautomaten). Keine der Banken konnte eine umfassende mobile App anbieten, die Kunden Finanzinformationen in Echtzeit, Auswertungen zum Portfolio, Zugang zu Research sowie eine Personalisierung durch den Nutzer erlaubte. Die beste von MyPrivateBanking identifizierte Anwendung kommt von der Standard Chartered Bank in Singapur, welche unterschiedlichste Funktionen in einer für den Kunden einfach zu bedienenden App anbietet: Vom ortsbezogenen Suchwerkzeug für Geldautomaten und Filialen, über Kontoinformationsfunktionen bis hin zu Zahlungsfunktionen mittels Kreditkarte und elektronischem Scheck.    

MyPrivateBanking führt das Zögern der Banken bei der Einführung mobiler Anwendungen auf eine allgemeine Zurückhaltung gegenüber neuen Kommunikationstechnologien zurück, welche sich auch auf den Webseiten der Banken und dem ungenügenden Angebot bei sozialen Medien widerspiegelt. „Zu viele Banken versäumen es, ihren Kunden mit Hilfe mobiler Technologien einen besseren Service zu bieten. Gründe hier für sind Fehleinschätzungen im Hinblick auf die zunehmende Wichtigkeit dieser Technologien, langsame Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse und eine gewisse Ignoranz“, so Christian Nolterieke, Geschäftsführer von MyPrivateBanking Research. „In der Zwischenzeit können bankfremde Anbieter mit mobilen Finanzapplikationen punkten und die Banken besonders im Hinblick auf aktuelle Informationen und Finanzanalysen aus den Zukunftsmärkten drängen.“

„Banken und Vermögensverwalter müssen ihre Zurückhaltung gegenüber neuen Technologien schnell aufgeben, denn nur dann können die Apps der Banken eine zentrale Informationsplattformen in der mobilen Welt ihrer Kunden werden“, sagt Steffen Binder, Research-Direktor von MyPrivateBanking. „Dazu gehören nicht nur personalisierte Informationen für ihre Kunden sondern auch Angebote für soziale Netzwerke und Instrumente zur Finanzplanung.“

Ich denke, dazu gehört noch wesentlich mehr als die Bereitstellung von Information und Angebote für soziale Netzwerke. Banken müssen die Dienstleistungen nebst Transaktionen und die daran anschließenden Prozesse ganz neu denken und eine hohe Bereitschaft aufbringen mit den neuen Möglichkeiten zu experimentieren. Ob das in den bestehenden Strukturen funktioniert, in denen es Jahre dauert, etwa die Erkenntnisse aus der Finanzkrise für das Risikomanagement umzusetzen, bezweifele ich.

MyPrivateBanking jedenfalls empfiehlt allen Banken und Vermögensverwaltern, in einem ersten Schritt nutzerfreundliche und sichere Online-Banking-Apps anzubieten. Darauf aufbauend sollten die Finanzdienstleister ihren Kunden umfassende mobile Informationsplattformen zur Verfügung stellen. Diese Apps sollten dem Kunden den Zugang zu weitergehenden Informationen und Funktionen ermöglichen, die für ihn von Interesse sind. So können Banken sich von Wettbewerbern differenzieren, die Kundenbedürfnisse besser verstehen und ihre Beziehung zum Kunden über die reine Transaktionen hinaus vertiefen.

Analysierte Angebote an Mobile Apps:
ABN AMRO, Banco Santander, Bank of New York Mellon, Barclays, BNP Paribas, Citigroup, Commerzbank, Coutts, Crédit Agricole, Credit Suisse, Deutsche Bank, Goldman Sachs, HSBC, ING Group, Julius Bär, Kleinwort Benson, Lombard Odier, Merrill Lynch, Morgan Stanley, Nordea, Pictet, RBS Coutts, Rothschild, Sal. Oppenheim, Standard Chartered, Société Générale, UBS Switzerland, UniCredit; U.S. Trust, Wells Fargo

Nun könnte man anmerken, dass unter den analysierten Instituten nicht viele für Retail-Kunden dabei sind. Aber 1. sollten Banken nicht den Fehler machen und die Apps nur als Spielerei für Privatkunden ansehen, denn insbesondere im Businessbereich entwickeln sich derzeit recht faszinierende Möglichkeiten. Und 2. findet man auch in den App-Stores für iPhone und Android kaum Anwendungen von Banken. Auf Hinweise über die Kommentarfunktion freue ich mich natürlich.

Matthias Schwenk Juni 9, 2011 um 23:32 Uhr

Es mag auch daran liegen, dass Banking-Apps von Seiten der Kunden noch nicht stark nachgefragt werden: Die Kunden könnten ähnlich konservativ und vorsichtig (Datenschutz!) wie ihre Banken sein…

dels Juni 10, 2011 um 08:51 Uhr

Ich glaube, da liegst Du richtig. Es gibt ja mittlerweile im Finanzbereich genügend Alternativen. Aber die meisten Kunden halten sich zurück mit einem Wechsel.

Erik Wegener Juni 9, 2011 um 12:58 Uhr

Heute im Tsp. http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/das-handy-zahlt/4267126.html
Ein wirklich spannendes Thema, aber ob nun Kreditkarte oder SIM-Karte – es bleibt doch ertsmal nur eine Frage des Mediums . . .

Stefan Wehmeier Juni 9, 2011 um 12:00 Uhr

„Die Zukunft vorherzusagen, ist unmöglich, und alle derartigen Versuche wirken – wenn sie ins Detail gehen – schon wenige Jahre später lächerlich. Dieses Buch hat ein realistischeres, zugleich aber auch anspruchsvolleres Ziel. Es versucht nicht, die Zukunft zu beschreiben, sondern die Grenzen abzustecken, innerhalb derer mögliche Zukunftsentwicklungen liegen müssen. Wenn wir die kommenden Jahrhunderte einmal als unerforschtes, kartographisch noch nicht erfasstes Land ansehen wollen, so will ich versuchen, dessen Grenzen zu vermessen und eine gewisse Übersicht über die Ausdehnung zu bekommen. Die detaillierte Geographie des Landesinneren bleibt unerforscht – bis wir einmal dort sind.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beschränke ich mich auf einzigen Aspekt der Zukunft – auf ihre Technologie, nicht auf die Gesellschaft, die darauf basieren wird. Das ist keine so starke Einengung, wie es zunächst erscheinen mag, denn die Wissenschaft wird die Zukunft noch mehr beherrschen, als dies schon gegenwärtig der Fall ist. Außerdem sind Voraussagen überhaupt nur auf diesem Gebiet möglich. Für die wissenschaftliche Extrapolation gelten immerhin einige allgemeingültige Gesetze, während das bei Politik und Wirtschaft nicht der Fall ist.
Ich glaube – und hoffe – auch, dass Politik und Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr so wichtig sein werden wie in der Vergangenheit. Die Zeit wird kommen, wo die Mehrzahl unserer gegenwärtigen Kontroversen auf diesen Gebieten uns ebenso trivial oder bedeutungslos vorkommen werden wie die theologischen Debatten, an welche die besten Köpfe des Mittelalters ihre Kräfte verschwendeten. Politik und Wirtschaft befassen sich mit Macht und Wohlstand, und weder dem einen noch dem anderen sollte das Hauptinteresse oder gar das ausschließliche Interesse erwachsener, reifer Menschen gelten.“

Arthur C. Clarke (Profile der Zukunft)

Die Arbeitsteilung erhob den Menschen über den Tierzustand und die Qualität der makroökonomischen Grundordnung bestimmt den Grad der Zivilisiertheit, die der Kulturmensch erreichen kann. Ist die Makroökonomie noch fehlerhaft, bedarf es der Religion, um diese Fehler aus dem Bewusstsein zu streichen, sowie der „hohen Politik“, um die sozialen Spannungen abzumildern, die durch die fehlerhafte Makroökonomie entstehen.

Was den meisten unbewussten Menschen bisher nur als „Finanzkrise“ bekannt ist, bezeichnete der „Jahrhundertökonom“ John Maynard Keynes als – beginnende – Liquiditätsfalle. Schnappt sie zu, kann nur noch der Krieg einen nächsten Zyklus der Arbeitsteilung einleiten. Doch der Krieg – zwecks umfassender Sachkapitalzerstörung, um den Zinsfuß hochzuhalten – konnte nur solange der Vater aller Dinge sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert: http://www.deweles.de

Olaf Storbeck Juni 9, 2011 um 02:03 Uhr

Also, die iPhone-App der Bank, bei der ich seit 13 Jahren zufriedener Kunde bin – Comdirect – ist klasse, gab es eine Weile sogar umsonst, und ich kann auch mein Postbank-Konto darüber einsehen…

dels Juni 9, 2011 um 07:06 Uhr

Neben Comdirect bietet auch Cortal Consors eine Apple App. Beide aber halt nur für Apple und mit Funktionalitäten, die über das herkömmliche Online-Banking nicht hinaus gehen. Für Androiden gibt es meines Wissen bisher nur die Star Money App, die ich selbst nutze und eine weitere App der Sparkassen Organisation.

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