Banken schauen erstaunt zu, wie Google mit der Wallet den Kampf um elektronische Geldbörse beginnt

by Dirk Elsner on 30. Mai 2011

Am vergangenen Donnerstag hat Google der Finanzbranche den Krieg erklärt (siehe Presseblick unten) und sein neues mobiles Bezahlverfahren vorgestellt. Und die Banken schauen weiter erstaunt zu, wie sich ein Suchmaschinenanbieter in ihr angestammtes Geschäft hinein drängt. Möglich, dass sie den Angriff nicht ernst nehmen und sich deswegen kaum rühren. Ein Fehler, wie die Zukunft zeigen wird, denn der Kampf um das digitale Portemonnaie ist nur ein Meilenstein auf dem Weg, den trägen Finanzsektor aufzumischen (zur Übersicht verschiedenster Beiträge zum New Banking siehe diese Seite).

Beobachtern war schon lange klar, dass Google eines Tages mit Bezahlsystem für Smartphone an den Start gehen wird (bereits im vergangenen Jahr habe ich hier darüber spekuliert). Klar war ebenfalls, dass der Konzern aus Mountain View die von in seinem Betriebssystem Android und in neue Smartphones integrierte NFC-Technik einsetzen wird (was für mich übrigens ein Grund war, ein Nexus S zu erwerben), um das mobile Bezahlen zu forcieren.

Nun greift Google mit der Wallet an und will das Smartphone zum virtuellen Portemonnaie machen. Per NFC-Technologie, die keine Erfindung von Google ist und in Asien bereits eingesetzt wird, nimmt das Handy Kontakt zu einer Gegenstelle an der Kasse auf, die den Zahlbetrag drahtlos überträgt. Der Nutzer erhält den Zahlbetrag angezeigt, bestätigt diesen über eine wie auch immer gestaltete Freigabe und der Betrag wird von seinem Kartenkonto abgebucht. Der Zahlungsvorgang ist beendet. Kunden benötigen dazu derzeit noch eine bestimmte Kreditkarte oder ein Debitkonto bei Google.

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Über die Bezahlfunktion hinaus, so ist bei Heise Online zu lesen, “soll die zu Google Wallet gehörende, mit einer PIN geschützte Smartphone-App auch Kredit- und Kundenkarten sowie Coupons verwalten können. Barcodes von Gutscheinen können etwa mit dem Smartphone eingescannt und in Googles Geldbörse abgelegt werden. Bei der nächsten Transaktion bei dem betreffenden Händler kann der Gutschein dann auf Wunsch eingelöst werden. Zu den ersten Partnern im Handel zählen die US-Kaufhauskette Macy’s, die amerikanischen Fastfood-Läden von Subways und die Wallgreens-Drogeriemärkte.”

Das NFC-Konzept ist eine logische Weiterentwicklung der Zahlung per Kredit- oder Debitkarte. Spannend daran, die Zahlungsabwicklung findet zunächst außerhalb des klassischen Bankensystems statt. Erst wird für das Auffüllen des Guthabens wird ein Bank- bzw. Kreditkartenkonto benötigt. Ob aber hier auch in Zukunft immer eine Bank notwendig ist, bezweifele ich. Google hat seit 2007 eine Banklizenz, ausgestellt von der Zentralbank der Niederlande. Warum also nicht in Zukunft Google als Hauptkontoverbindung nutzen?

Die Wucht des aktuellen Angriffs des Internetkonzern ist allerdings noch nicht besonders hoch sein. Die Schlacht spielt sich vorläufig nur in den USA ab und nur Kunden, die ein NFC-fähiges Smartphone haben, können wirklich von der neuen Technik profitieren. Derzeit ist offen, wann wir in Deutschland diese Technik in dieser Weise nutzen können. Immerhin soll die Technologie mit Mastercards Paypass zusammen arbeiten. Hier gibt es weltweit 300.000 Akzeptanzstellen, davon 120.000 in den USA. In Deutschland experimentiert die Deutsche Bahn derzeit mit NFC in einem Pilotprojekt.

Wir sehen hier mit der Wallet den Auftakt zu einer Entwicklung, die in den nächsten 5 bis 10 Jahren die Zahlungstechnik verändern wird. Das Bargeld wird freilich dadurch nicht verdrängt werden. Dazu ist die Skepsis eines Teils der Kunden noch zu groß. Dennoch, während Banken sich mit der Zuschauerrolle begnügen, greifen die wesentlich flexibleren und innovativeren IT- und Telekommunikationskonzerne an. Ob sich dabei die Technik von Google durchsetzen wird, ist noch offen, denn auch andere Mitspieler machen sich derzeit war. So sollten wir nicht vergessen, dass auch die Deutsche Telekom eine Banklizenz erworben hat und an mobilen Bezahlsystemen arbeitet. 

Beiträge zur Google Wallet

Das Handelsblatt hatte die gleiche Idee wie ich und machte über das Thema zum Titel der heutigen Printausgabe. Leider sind die Beiträge noch nicht online.

Finance 2.0: Googeln = Bezahlen

thefinanser: Will banking follow music, movies and books?

FAZ: Bezahlen mit dem Handy – PayPal klagt wegen Googles Handy-Bezahldienst: Der Kampf um das Bezahlen mit dem Handy gewinnt an Schärfe: Vorreiter Google muss sich jetzt mit einer Klage des Rivalen PayPal beschäftigen. Kein Wunder, denn es geht um einen Milliardenmarkt, der noch so gut wie unerschlossen ist.

Mehr Details zu Google Wallet bei Techcrunch:

SZ: Kampf ums digitale Portemonnaie ist entbrannt: Ausgebeulte Hosen könnten bald der Vergangenheit angehören. Statt des dicken Portemonnaies soll bald nur noch ein schlankes Smartphone ausreichen. Mit ihm lässt sich der Einkauf an der Supermarkt-Kasse oder Tankstelle bezahlen,

Reuters: Google steigt in Zukunftsmarkt Handy-Bezahlsysteme ein: Der Internetkonzern Googlesteigt nun auch in das Geschäft mit Handy-Bezahlsystemen ein. Mit „Google Wallet“ könnten Verbraucher künftig auf ihre Kreditkarte verzichten und im Laden oder im Restaurant ihre Rechnung per Telefon

Google verwandelt Smartphones in digitale Portemonnaies: Der Internet-Riese Google ermöglicht Verbrauchern künftig das mobile Bezahlen mit ihren Handys. Das US-Unternehmen hat in New York den Dienst „Google Wallet“ vorgestellt, bei dem Kunden ihr entsprechend ausgerüstetes Smartphone einfach an

Heise Online: Google öffnet die elektronische Geldbörse: Wie erwartet führt der US-Internetkonzern Google mit Partnern wie der Citibank und Mastercard ein elektronisches Handy-Bezahlsystem mit NFC (Near Field Communication) ein. Der „Google Wallet“ (Geldbörse) genannte Dienst werde derzeit im Rahmen eines

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