Kein Schritt aus der Krise: Nach der Griechenland Abstimmung ist Staatsinsolvenz nur verschoben

by Dirk Elsner on 30. Juni 2011

Fein, Europa und neuerdings sogar die Welt atmen auf, weil das griechische Parlament aus Sicht der EU und der Finanzmärkte das “Richtige” beschlossen hat. Der Beschluss ist eine formal ganz zentrale Maßnahme, um die Anschlussfinanzierung für Griechenland durch die europäischen Steuerzahler zu sichern. Und nicht zuletzt kann damit ein ganz wichtiges Hilfspaket für europäische Banken auf den Weg gebracht werden.

Hier soll aber nicht Thema sein, dass Banken, wie im Falle Portugals und Irlands, es wieder einmal schaffen, ihre Risiken als Gläubiger wider alle marktwirtschaftlichen Prinzipien zu Lasten der Steuerzahler sozialisieren. Ich möchte hier nur meine Skepsis anmelden an der effizienten Durchsetzbarkeit der Maßnahmen. Weil ich die konkreten Punkte der “Reformen” nicht kenne, muss ich mich hier auf generelle Skepsis beschränken. Und die resultiert daraus, dass die beschlossenen Reformmaßnahmen auch umgesetzt werden müssen und ich hier erhebliche Widerstände erwarten.

Ich glaube nämlich, dass die Motivation in der griechischen Verwaltung, die Sparmaßnahmen tatsächlich effizient umzusetzen, gering sein wird. Gut beobachten kann man das derzeit in Irland, das ja bekanntlich ebenfalls ein großes Hilfspaket erhalten haben. Bei der Lektüre des Irish Independent am vergangenen Sonntag fielen mir zahlreiche Beiträge auf, die auf ein Stocken des “Summer of Reforms” hindeuten.

Beispielhaft ist der Beitrag Managers accused of ’stymieing‘ by Howlin, in dem herausgearbeitet wird, dass die Manager der öffentlichen Verwaltung und von öffentlichen Unternehmen die verabschiedeten Reformmaßnahmen nicht besonders ambitioniert umsetzen.

Und in der Tat ist dies nur ein Beispiel dafür, dass nicht mehr funktionierende Systeme sich nicht besonders gut eigenständig erneuern können. Das Beharrungsvermögen der Entscheidungsträger, die ungern ihre Pfründe opfern wollen, ist einfach zu groß. Und der Entscheidungs- bzw. Umsetzungsdruck ist in Irland gerade durch die Unterstützung der Eurozone geringer geworden. Ähnliches Anschauungsmaterial lieferte schon Griechenland im vergangenen Jahr. Auch die 2010er Hilfen waren mit Auflagen verbunden. Umgesetzt wurde kaum etwas.

Auch die Entlastung der ursprünglich privaten Gläubiger und vor allem der Banken durch ein geschickt verpacktes Maßnahmenbündel, sorgt nicht gerade dafür, dass die Gläubiger den Reformdruck erhöhen. In der Privatwirtschaft achten bekanntlich Gläubiger bei Schuldnern in Zahlungsschwierigkeiten sehr genau darauf, dass versprochene Pakete auch umgesetzt werden. Dank des gepolsterten Auffangbecken in Form staatlicher Garantien und mehr ist hier der Druck genommen.

Ich könnte meine Überlegungen jetzt noch institutionentheoretisch untermauern, spare mir das aber aus Zeitgründen. Der Plan der Euro-Zone wird nicht aufgehen. Irgendwann wird man Griechenland einen wesentlichen Teil seiner Schulden erlassen müssen, damit das Land in eigener Verantwortung wieder zum Durchatmen kommt. Bedauerlichweise wird dieser Schuldenschnitt dann soweit sozialisiert sein, dass sich alle privaten Gläubiger ihrer Verantwortung entzogen haben. Das ist Planwirtschaft pur und eine Krise auf Wiedervorlage.

Mit der Stabilisierung des Euros, wie man uns das ständig einhämmert, hat das alles übrigens überhaupt nichts zu tun. Der wäre nicht einmal in Ansätzen gefährdet gewesen, wenn man jetzt einen geordneten und organisierten Haircut vereinbart hätte, wie es im normalen Insolvenzverfahren üblich gewesen wäre. Die EU oder der IWF hätten dann Griechenland einen Massekredit zur Verfügung stellen können, um auf die Beine zu gelangen. So ein Nichtbegriff, wie eine “freiwillige Gläubigerbeteiligung” hätte es gar nicht geben dürfen. Die Gläubiger hätten einen Teil ihrer Forderungen abgeschrieben und einige der Gläubiger hätten entweder staatlich gestützt oder abgewickelt werden müssen. So jedenfalls läuft es bei anderen staatlichen Schuldenkrisen.

Keiner hat plausibel erklären können, warum dieser Weg nicht gangbar gewesen wäre. Stattdessen wird unverantwortlich mit der “Kernschmelze des Finanzsystems” (Ackermann) gedroht und uns ohne sachlogische Begründung erklärt, dass die Hilfen für Griechenland praktisch alternativlos seien, der Rettung des Euro dienen und zur europäischen Solidarität gehören. Diese Meinungs- und Panikmache wird auch dadurch nicht richtig, dass sie ständig wiederholt wird und Top-Unternehmen dafür in ganzseitigen Zeitungskampagnen werben.

 Nachtrag

Als weiteres Argument für zu erwartende Probleme in der Umsetzung ist das gern verschwiegene und heute von Spiegel Online aufgegriffene Thema Korruption, mit dem Griechenland zu kämpfen hat.

Presse und Blogreaktionen

HB: Giorgos Papandreou erkämpft sich eine Galgenfrist: Mit einem dramatischen Appell hat Griechenlands Premier alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen. Das Parlament stimmt dem radikalen Sparplan zu. Schon morgen stehen die nächsten Kampfabstimmungen an.

FTD: Schuldenkrise – Noch kein Ende der griechischen Tragödie (29.6.11): Kommentar Das griechische Parlament hat das Sparprogramm gebilligt und so das Land vor dem unmittelbaren Absturz bewahrt. Jetzt muss ein neuer Aufbruch her – dann können es Europa und Griechenland schaffen.

FTD: Rettungsplan – In acht Schritten aus der Griechen-Krise (29.6.11): Trotz aller Kredite und Sparpakete spitzt sich die Schuldenkrise zu. Ein Weiter-so droht das gebeutelte Land und die Euro-Zone ins Chaos zu stürzen. Nötig ist ein Aufbauprogramm. FTD.de zeigt, wie die Wende in acht Schritten zu schaffen ist.

FTD: Schuldenkrise – Ein Marshallplan für Hellas (29.6.11): Das französische Modell der Griechenland-Hilfe hat Mängel – aber durchaus Potential. Nötig ist allerdings mehr: ein Aufbauplan für Griechenland.

Creditwritedowns: Now What? As had been anticipated, the Greek parliament has approved the austerity measures along party lines. The parliament will vote on the implementation bill tomorrow. This may be a bit stickier, but it too is likely to pass. Assuming so, attention will turn again to Greece’s second aid package

Marsman Juni 30, 2011 um 11:56 Uhr

Entschuldigung für meine Schreibfehler.

lostgen Juni 30, 2011 um 07:12 Uhr

Als Voraussetzung, damit die Griechen die Bedienung der Anleihen einstellen können, müssen sie kräftig sparen. Derzeit ist es nämlich so, dass sie auch ohne Schuldendienst ihre Ausgaben nicht mit Einnahmen decken können („Primärdefizit“). Griechenland ist damit zur Finanzierung des Primärdefizit auf Geldgeber angewiesen. Sobald sie einen Primärüberschuss haben, können sie den Schuldendienst leichter einstellen.

Natürlich könnten die Eurostaaten auch das Primärdefizit finanzieren und Griechenland stellt die Bedienung der Privatgläubiger schon jetzt ein. Allerdings wäre das politisch heikler aus Sicht der Geberländer. Ökonomisch vernünftiger wäre es allemal.

Marsman Juni 30, 2011 um 02:51 Uhr

Also ich werde irgendwann meine Serie zu
„Kriegsinflationen, Staatsbankrotte und Währungsaus-
fälle“ fortsetzen, vor allem jene auf näher der
Gegenwart eingehen.
Also: bei einem klassischen Währungsausfall sah
das immer so aus dass es akuten Mangel an
marktgängigen und marktfähigen Gütern geben muss,
aus welchen Gründen (Kriege, ideologische Unter-
drückung, usw.) immer. Es also keinerlei namhafte
Produktion an solchen Gütern und Dienstleistungen
gibt.
Ein drastisches gegenwärtiges Beispiel ist die
Sahel – Zone, die Region der Subsahara, jenen
Gegenden von denen es die vielen Bilder mit
hungernden Kindern, Menschen, gibt. Anhand dieser
Bilder kann leicht auch die gesamte Situation
erahnen. Kein Supermarkt weit und breit in dem
derlei Güter und Leistungen gibt, auch die
Produktion des Allernötigsten gibt. Situationen
in denen auch Gold relativ wenig wert ist, nur
wenig und nur zu hoch inflationierten Preisen
herbeizuzaubern vermag.

Man kann, wenn man will, anhand solcher Elends-
bilder leicht Vergleiche anstellen. Nur um sich
anhand solcher Meditationen mal die ganz all-
tägliche, „normale“, Produktion und Vertrieb all
dieser Güter etwa in Deutschland vorstellen, sich
mal dieser etwas bewusster werden.

Hätte das Parlament in Griechenland dem Sparpaket
nicht zugestimmt, hätte es sicherlich das grosse
Geschrei ‚Weltuntergang“ Ende des Euro, der
Währung gegeben. Man hätte die Gemeinschafts-
währung mit viel Geschrei und Getöse als wertlos
erklärt und damit in einem Zug alles dieser
Währung zu Grunde liegende, die ganze normale
Wirtschaftsleistung. Diese sieht man erst gar nicht
mehr, ist nicht existent.
In einem Narrenhauseffekt ist schon mal allerhand
möglich. Auch sich selbst erfüllende Prophezeiungen.
Vielleicht wäre dann, bei einem derartigen Tumult
und Krisengeschrei dann doch irgendwie die zu
Grunde liegende Wirtschaftsleistung auch mal
bewusst geworden, dass es doch ziemlich viel zu
verlieren gibt und der so ganz normale Wahnsinn
doch nicht ganz so das Richtige ist.

Ich kann aus dieser Sicht der oben im Artikel
angesprochenen Verantwortlosigkeit von Ackermann
voll zustimmen. Sehr viel ärger und und sinnloser
geht es wohl nicht mehr.

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