Warum Alex in der FTD die Finanzmärkte besser erklärt als der Stresstest

by Dirk Elsner on 18. Juli 2011

Die europäische Finanzmärkte und die europäische Politik nebst ihren Institutionen, die die Finanzmärkte regulieren wollen, haben uns in der letzten Woche wieder einmal ein grandioses Schauspiel abgeliefert: Den Stresstest des europäischen Finanzsytems. Obwohl eine Fülle von Material veröffentlicht wurde, lohnt sich die Detailanalyse nicht. Es lohnt nicht einmal mehr zu begründen, warum der Stresstest eine Farce ist, wie egghat zu Recht schreibt.

Ihm reichen genau zwei Punkte:

a) Das Modell der Bewertung der Assets basiert auf den Annahmen vom 24. Mai. Damals waren aber Portugal und Griechenland noch nicht Junk. In Zahlen bedeutet das z.B. bei Moody’s, dass das Ausfallrisiko jetzt ungefähr sechsmal so hoch gesehen wird wie aus der alten Ratingstufe. Auch haben die Anleihen seit Mai deutlich an Wert verloren.

b) Auf der anderen Seite der Bilanz konnten die Banken Kapitalmaßnahmen reinrechnen, die erst in der Zukunft durchgeführt werden.

Meine Bedenken zum Stresstest hatte ich bereit vor der Veröffentlichung der Ergebnisse in Stresstest-Veröffentlichungen als Beruhigungspille und PR-Maßnahme für Finanzsektor aufgeschrieben. Und auch professionelle Analysten und Berichterstatter zerreißen wieder den Stresstest, zu Recht.

Immerhin gibt der Test Aufschluss darüber, wie hoch das Gesamtausfallrisiko der getesteten Banken gegenüber den drei Krisenstaaten Griechenland, Irland und Portugal ist. Olaf Storbeck hat diese Daten im Handelsblog aus den detaillierten Ergebnissen des Stresstests (S. 18ff) zusammen getragen: 194,1 Mrd. Euro. Storbeck hat außerdem in seinem englischen Blog aus den Einzeldaten das Gesamtkreditrisiko deutscher Institute gegenüber Griechenland, Portugal, Italien, Irland und Spanien zu berechnet: 67,9 Mrd. Euro. Dabei deckt er übrigens eine Diskrepanz zu den von der Helaba selbst veröffentlichten Daten zum Kreditrisiko gegenüber Griechenland  auf: 64 Mio. Euro nach eigener Darstellung der Helaba und 867 Mio. Euro berechnet aus der Differenz der Ergebnisse der anderen deutschen Institute zum Gesamtergebnis. Coole Leistung, wenn ich das hier einmal so schreiben darf.

Die Ergebnisse zeigen, wie labil unsere Finanzmärkte sind und warum die Banken für ihre Verhältnisse vergleichsweise hysterisch reagieren (siehe Helaba), wenn es um die Veröffentlichung der Ergebnisse geht. Tatsächlich haben es Politik und die Finanzmärkte geschafft einen vergleichsweise simplen Vorgang, wie das Finanzsystem so zu verkomplizieren, dass sie selbst nicht einmal mehr durchblicken, was eigentlich im Finanzsystem geschieht und welche Risiken darin lauern. Daher glauben wohl auch die Finanzregulierer, die sich hinter Regelwerken wie IFRS und Basel I-III und vielen mehr verstecken, dass das nützlich ist, was sie tun. Ich habe daran erhebliche Zweifel.

Wie gesagt, eigentlich ist das Finanzsystem so simple, dass die klassische Ökonomie es nicht einmal für nötig befunden hatte, Banken und den Finanzsektor in ihre Modelle einzubauen. Klar, letztlich geht es nur darum, finanzielle Mittel von Überschuss- zu Defiziteinheiten zu transportieren und wieder zurück. Die neoklassischen Ökonomen haben nur nicht daran gedacht, wie Informationsasymmetrie, Transaktionskosten und Opportunismus diese Transfers beeinflussen. Das hat dann in der Praxis zwar die Politik erkannt und geglaubt, mit einer unvergleichlichen Regulierungskaskade die Finanzmärkte “sicherer” und “besser” zu machen.

Freilich hat niemand darüber nachgedacht, was “sicherer” und “besser” eigentlich bedeuten. Fakt ist jedenfalls, dass trotz der enormen Regulierungsanstrengungen der letzten 10 Jahre, das Bankensystem unglaublich labil geworden ist und in einer nicht mehr beherrschbaren Komplexität erstickt. Das können natürlich die Akteure nicht zugeben. Daher wird weiter so getan, als hätte man alles unter Kontrolle, die Risiken im Griff und glaubt alles erklären zu können. 

Aber selbst das, was Analysten, die ja ebenfalls häufig für Finanzmarktinstitutionen arbeiten, an Erklärungsansätzen bieten, hat oft nur anekdotischen Charakter. Ich finde mittlerweile, dass Charles Peattie und Russell Taylor mit ihrer Comic-Reihe Alex, die in Deutschland von der FTD abgedruckt wird, Finanzmärkte, das Verhalten der Akteure und die daraus resultierenden Risiken deutlich besser widerspiegeln, als der Stresstest der EBA mit ihren vielen beschriebenen Seiten. So wurde der Investmentbanker Alex am vergangenen Freitag von seinen Kollegen bewundert, weil er wieder einen guten Deal für seine Abteilung eingefahren hat. Er hatte die Kreditabteilung seines Hauses davon überzeugt, den Kreditbestand eines zum Verkauf stehenden Unternehmens abzuschreiben, weil dieses Unternehmen Probleme hatte, seine Kredite zu bedienen. Die Kreditabteilung trug damit die Verluste. Alex konnte die Schulden dann “restrukturieren” und einen Käufer für das Unternehmen finden. Die Provision steckt natürlich Alex ein. Ich wette, so manche einer in der Finanzbranche hat genau deswegen darüber geschmunzelt, weil diese Skizze gerade keine reine Satire ist.

Aber zurück zum Stresstest. Die Reaktion etwa von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble passt in das Bild, dass sich die Akteure auf den Finanzmärkten ständig selbst etwas vormachen. Schäuble begrüßte laut Handelsblatt das Ergebnis des Stresstests. „Es ist ein positives Signal, dass der europäische Bankensektor unter diesen Annahmen seine Stabilität demonstriert“, erklärte Schäuble am Freitagabend in Berlin. „Für Deutschland sind keine weiteren Anpassungen erforderlich.“ Und klar ebenfalls, dass die Bundesbank hier mit singt. Die Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger sagte ebenfalls lt. Handelsblatt, die Kapitalausstattung der heimischen Geldinstitute habe sich als „robust und ausreichend“ erwiesen.

Selbst als PR taugt dies nicht, denn jeder weiß, dass die Stabilisierungsbemühungen um die Euro-Schuldenkrise vor allem dazu dient, den Finanzsektor nicht implodieren zu lassen. Wenn alles tatsächlich so stabil wäre, warum brauchen wir dann einen europäischen Stabilitätsmechanismus? Ach ja, sorry, genau: Es geht ja nicht um die Stabilisierung des Finanzsektors, sondern um die Rettung des Euros

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