Aus Banking 2.0 wird New Banking

by Dirk Elsner on 19. Juli 2011

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass Banking 2.0 zu meinen bevorzugten Themen gehört, weil ich tief davon überzeugt bin, dass sich im Finanzbereich noch sehr viel ändern muss und ändern wird. Für die Vorbereitung eines Vortrags, den ich vergangene Woche auf der IBM-Veranstaltung “Banking of tomorrow” in Ehningen gehalten habe, kamen mir aber Zweifel an dem 2.0-Begriff. Natürlich habe ich das Thema Banking 2.0 in die Präsentation eingebaut, gleichzeitig habe ich aber festgestellt, dass der 2.0-Begriff mich zu sehr im Denken einengt und den Blick auf darüber hinaus gehende Entwicklungen verstellt, wenn man 2.0 zu eng fasst.

Der 2.0-Begriff ist sehr eng an den Social Media-Begriff und damit an die daran angeknüpften Merkmale angelehnt. Tatsächlich beinhaltet ein Teil der neuen Finanzdienstleistungen (zum Überblick siehe Mindmap “Praxis des New Banking”) wesentliche Komponenten der Social Media-Philosophie. Diese haben Florian Semle und ich im vergangenen Jahr wie folgt definiert:

  • offene und gleichberechtigte Kommunikation der (potentiellen) Kunden untereinander und mit dem Dienstleister
  • hohe Transparenz über Leistungen und Gegenleistungen
  • Gestaltung durch Mitwirkung der Kunden an den Dienstleistungen (= Kollaboration: kooperative Informations- und Leistungsergänzung)
  • Verbreitung von Informationen in Echtzeit
  • fallbezogene, pragmatische und interaktive Herangehensweise (= Selbstorganisation)

Neben den vielen hieraus resultierenden Geschäftsmodellen vor allem im Nichtbankensektor rollt aber derzeit eine weitere Innovationswelle in den Finanzsektor hinein, die nicht zwingend etwas mit Social Media zu tun haben muss, die aber ebenfalls für sehr viel Aufmerksamkeit sorgen wird, wie folgende Beispiele zeigen.  

  1. Mobile Services. Die Verbreitung leistungsfähiger Smartphones lässt derzeit einen neuen Trend zu mobilen Dienstleistungen erkennen, die es den Kunden ermöglichen, jederzeit und zu jedem Zeitpunkt auf finanzrelevante Informationen zurückzugreifen und Transaktionen durchzuführen. Hier treiben  vor allem auch Unternehmen, die gar nicht aus dem Finanzsektor kommen, die Entwicklung. Ich denke dabei insbesondere an das Thema Near Field Communication (NFC), die ganz neue Dienstleistungen vorstellbar machen.
  2. Informations- und Entscheidungsunterstützung: Aber auch außerhalb der mobilen Welt positionieren sich neben den so genannten Mitmachleistungen neue intelligente Finanzdienstleistungen, die aus meiner Sicht weniger mit Social Media zu tun haben, die aber dennoch hochgradig innovativ sind und ich hier im Fokus behalten möchte. Mir fallen hier außerbörsliche Handelsplätze, wie Shares Post,  Entscheidungsunterstützungdienstleistungen wie Yavalu oder persönliche Informationssysteme wie Mint.com ein.
  3. Technologie in Marktfolge und Backoffice: Und zum New Banking gehören für mich ebenfalls technologische Änderungen, die für den Kunden gar nicht unmittelbar sichtbar werden, für Finanzhäuser aber von großer Relevanz sind. Ich denke dabei etwa an das Cloud Banking oder die Trennung von Vertriebs-, Marktfolge- und Produktionsbank.

Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen den jeweiligen Themenfeldern. Grafisch würde ich mir die thematische Abgrenzung daher etwa so vorstellen:

image

In diesem Blog möchte ich mich jedenfalls nicht durch den 2.0-Begriff einengen lassen, sondern darüber hinaus schauen und denken. New Banking umfasst für mich selbstverständlich auch den Social Media-Bereich, geht aber, wie die Beispiele und die Praxis zeigen, deutlich darüber hinaus. Für den Blick Log ist der 2.0-Begriff nicht tot, aber ausgelutscht und zu einer allgemeinen Phrase verkommen. New Banking ist sicher ebenfalls nicht besonders originell, der Begriff engt mich jedoch nicht ein.

PS

Die Veranstaltung selbst war übrigens sehr interessant. Und ich bin mit dem Eindruck da raus gegangen, dass das Interesse an den neuen Finanzdienstleistungen sehr hoch ist, man dies aber gerade im traditionellen Finanzsektor noch nicht richtig einordnen und einschätzen kann. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen will, der kann das noch auf drei weiteren Veranstaltungen dieser von IBM Deutschland als Roadshow konzipierten Serie machen. Die Übersichtseite der Veranstaltung ist hier. Die nächsten Termin sind

16.08.2011: Hamburg
18.08.2011: Frankfurt
21.09.2011: München

Dr. Hansjörg Leichsenring Juli 20, 2011 um 09:37 Uhr

Danke für den Hinweis auf die Veranstaltungen. In HH lernen wir uns dann vorr. auch mal persönlich kennen, worüber ich mich jetzt schon freue

Beste Grüße

Hansjörg Leichsenring

http://www.der-bank-blog.de

dels Juli 21, 2011 um 09:06 Uhr

Ja, ich freue mich auch. Danke für die Anmeldung. Habe das gestern erfreut hier gelesen.

Sandro Juli 20, 2011 um 08:49 Uhr

In Diskussion mit Experten habe ich immer wieder festgestellt, dass der Begriff Banking 2.0 unterschiedliche Assoziationen hervorruft. Was dazu führt, dass in sämtlichen Workshops sehr viel Zeit darauf verwendet wird, den Begriff zu erklären und ein einheitliches Verständnis zu schaffen. In diesem Zusammenhang haben wir den Arbeitstitel „New Age Banking“ verwendet. Wie jedoch schon im Artikel angedeutet, ist auch dieser Titel nicht die finale Bezeichnung. Vielleicht lässt sich ein besserer Begriff finden. Die Minmap beschreibt sehr gut das Themenspektrum.

dels Juli 19, 2011 um 22:02 Uhr

Hallo Boris,
ich will halt weg von dem 2.0 Begriff, der für mich sehr in der Nähe von Social Media ist. Das ist zwar nicht verkehrt. Es ist aber halt nicht alles im neuen Banking Social Media: New Finance passt auch gut. Steht ja auch in der Mindmap mit drin.

Janina Juli 19, 2011 um 16:03 Uhr

Sehr interessante Perespektive!
https://www.facebook.com/GFT.de

Boris Janek Juli 19, 2011 um 06:48 Uhr

Hallo,

eine sehr schöne Übersicht der aktuellen Entwicklungen innerhalb der Finannzbranche. Mitnden Begriffen ist das aber so eine Sache. Diese sind ja notwendig um die Dinge überhaupt benennen zu können. Meiner Meinung nach ist Bankingn2.0 nicht unbedingt mit Social Media verbunden, allenfalls mit den web2.0 Technologien, die viele der genannten Entwicklungen ja erst möglich macht. Das Banken denken Social Media sei der einzig notwendige Schritt der Veränderung ist ja deren Problem, wobei dies auch nicht für alle Banken gilt. Leider sind gerade die Filialbanken auf diesem Irrweg unterwegs.
Die richtige begriffliche Konsequenz wäre der totale Verzicht auf den Begriff Banking, gerade dieser bremst unsere Visionen von Finanzgeschäften. Wie wäre es mit New Finance?

gruss boris

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