Das Finanzsystem befindet sich weiter in der Krise. Banker zittern um ihre Jobs, war im Handelsblatt zu lesen. Ein Grund dafür liegt in der mangelnden Kreativität traditioneller Banken, neue Produkte auf den Markt zu bringen oder die Prozesse für bestehende Produkte zu optimieren und den Kundenbedürfnissen anzupassen. Es ist aber nicht so, dass nichts passiert. Hier im Blog achte ich regelmäßige auf die Entwicklungen in der Finanzbranche, deren traditionelle Häuser mittlerweile immer stärker von Unternehmen außerhalb ihrer Kreise bedränkt werden (siehe dazu Mindmap des Banking und Finance 2.0). Am Rande einer IBM-Veranstaltung, auf der ich einen Vortrag zum New Banking gehalten habe, lernte ich wieder einen neuen Dienstleister kennen.
Das ebay-Prinzip ist bekannt. Ich habe ein Produkt, das ich loswerden möchte, und versteigere es auf einer Auktionsplattform. Es erhält derjenige den Zuschlag, der am meisten bietet. Über Auktionsplattformen werden mittlerweile alle möglichen Gegenstände und sogar Dienstleistungen verkauft. Neu ist, dass über eine Auktionsplattform nun auch Forderungen verkauft werden können.
Beim Forderungsverkauf auf einer Webplattform wurde ich hellhörig, als ich am Rande der Veranstaltung “Banking of tomorrow” Timur Peters kennenlernte. Peters ist der Mit-Gründer und Geschäftsführer der Plattform Debitos. Der Verkauf von Forderungen gehört zu den klassischen Finanzierungsinstrumenten insbesondere für mittelständische Unternehmen. Bisher bediente man sich beim Forderungsverkauf vorwiegend der Factoringunternehmen. Dies kaufen Unternehmen Forderungen im Rahmen bestimmter Vereinbarungen und Konditionen ab und sorgen für den Einzug des Geldes. Dieses Prinzip funktionierte wunderbar in der 1.0-Welt, wobei Factoring für nach meiner Ansicht zu den eher teuren Finanzierungsmitteln gehört.
Das Berliner Startup Debitos ist nun angetreten, dieses Prinzip in die Web 2.0-Welt zu übertragen. Auf der Plattform unter der Webadresse debitos.de bieten Unternehmen ihre Forderungen zur Versteigerung an. Professionelle Käufer können auf diese Forderungen Gebote abgeben und diese ersteigern. Der Höchstbietende erhält die Forderung, um deren Einzug er sich dann selbst kümmern muss.
Käufer der Forderungen sind professionale Unternehmen, wie Banken, Anwaltsbüros, Factoringunternehmen, Fonds und Inkassounternehmen. Ich denke, die professionelle Zielgruppe auf der Käuferseite ist wichtig, weil der Forderungskauf mit ein paar mehr Fallstricken versehen ist und deutlich riskanter ist, als etwa Anlage über die Kreditbörse Smava, die ja auch auf der Anlageseite vor allem private Investoren adressiert. So kommt es beim Forderungsverkauf etwa darauf an, das Ausfallrisiko einer Forderung richtig einschätzen zu können und steuerrechtliche Fragen (insbesondere im Umsatzsteuerrecht) zu beachten. Außerdem übernimmt Debitos nicht das Inkasso der Forderung. Darum muss sich der Käufer, der rechtlich Inhaber der Forderung wird, selbst kümmern.
Die Mindestgröße der Forderungen sollte vierstellig sein, es werden zwar auch kleinere Forderungen angenommen, empfohlen wird dann aber, diese im Bündel einzureichen. Die Daten brauchen dazu übrigens nicht alle per Hand auf der Webseite eingegeben zu werden, sondern können auch per Batchfile und CSV exportiert werden.
Für die Käufer ist das Geschäft nicht risikolos, denn sie müssen damit rechnen, dass einige Schuldner nicht bezahlen. Daher prüfen die Forderungskäufer die Rechnungen bzw. die Schuldner. Es ist aber nicht so, dass sie den Forderungskauf ablehnen, wenn die Gefahr eines Ausfalls besteht. Viele Unternehmen, so Peters, stellen bewusst Forderungen auf Debitos ein, deren Schuldner Probleme mit der Bezahlung haben. Kleinere Mittelständler haben oft nicht die Zeit oder Infrastruktur, um notleidende Forderungen einzutreiben. Für sie ist es bequemer, dies “Profis” zu überlassen. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, so übergebe man die Forderungen an unseriöse Schuldeneintreiber, die sich ihr Geld mit zweifelhaften Methoden besorgen.
Ich kann in solchen Räuberpistolen nicht denken, sondern denke, weil ich selbst für mittelständische Unternehmen arbeite, zunächst daran, wie Unternehmen ihre Forderungen zu Geld machen können, wenn es Liquditätsbedarf hat und Forderungen erst sehr spät beglichen werden. Factoring ist, das muss man hier deutlich sagen, nicht die günstigste Finanzierungsalternative. Selbst für den Verkauf erstklassiger Forderungen muss man Abschläge zwischen 3% bis 5% hinnehmen. Bei einem optimierten Credit Management kann man sich diese Form der Finanzierung sparen.
Aber es gibt auch immer wieder betriebliche Situationen, für die der Forderungsverkauf eben doch eine interessante Alternative ist. Das scharmante am Debitos-Modell ist, der Forderungsverkäufer verpflichtet sich nicht, alle Forderungen zu verkaufen, sondern kann die Plattform nach seinem Bedarf nutzen, und wenn er einen zu niedrigen Preis fürchtet, kann er ein Mindestgebot nennen. Im Zweifel wird er halt auf der Plattform seine Forderung nicht los. Der Forderungsverkäufer muss nur sicherstellen, dass die Forderung auch tatsächlich existiert.
Hinter Debitos stehen die Gründer Timur und Tolga Peters, die das Unternehmen zusammen mit einer Finanzierung über Paua Ventures 2010 gegründet haben. Bis Ende nächsten Jahres, so Peters, soll der Break even erreicht werden.
Wer Fragen zu der Plattform hat, der kann sie hier (gern auch anonym) in das Kommentarfeld stellen. Herr Peters hat zugesagt hier gestellt Fragen zum Geschäftsmodell und zum Prozess zu beantworten.
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