Aus dem Apothekenschrank der Banken: Credit Default Swaps

by Constantyn on 2. Dezember 2011

CDS oder Credit Default Swaps gelten als Zockerhebel der übermächtigen Finanzwirtschaft, als eines der übelsten Instrumente der Branche, die gerade jetzt der Stabilität europäischer Staaten so sehr zusetzen. Seit der Finanzkrise umrankt dieses Instrument ein Mythos des Verderbens.  Dennoch werden sie heute nach wie vor in hohen Stückzahlen gehandelt.  Was ist nun wahr?

Credit Default Swaps gibt es in dieser Form seit Anfang der neunziger Jahre.   Das Grundprinzip der CDS ist aber schon jahrhunderte alt, auch in der Ära der Medicis gab es sie schon in ihrem Grundprinzip:  als Bankgarantie oder Ausfallbürgschaft.  Unter einer Garantie verpflichtet sich der Garant, für einen Verlust einzustehen, der beispielsweise dadurch entsteht, dass ein Schuldner einer Bank seine Verbindlichkeiten aus einem Kredit nicht begleichen kann. Es handelt sich um eine sog. abstrakte Haftung des Garanten, die selbständig neben der Hauptschuld, dem Kredit, übernommen wird. Der Garant hat im Falle der Gewährleistung (der „Garantiefall“) die Gläubigerbank so zu stellen, als ob der garantierte Erfolg eingetreten wäre.  Auf Deutsch: der Garant muß an Stelle des Schuldners die Kreditsumme begleichen.

Ein Credit Default Swap funktioniert nahezu identisch:  Einfach definiert (Wikipedia) , ist ein CDS  ein Vertrag zwischen zwei Parteien, der Bezug auf einen Referenzschuldner (als Basiswert) nimmt. Referenzschuldner können große Unternehmen sein, aber ebenso Banken oder Staaten. Unter einem CDS bezahlt einer der Vertragsparteien, der sog.  Sicherungsnehmer,  eine laufende oder einmalige  Prämie an seinen Vertragspartner, den sog. Sicherungsgeber.  Tritt ein vorher definierter „Credit Event“, also der Kreditfall oder Schadensfall ein, so erhält der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber eine Ausgleichszahlung.  Ein Credit Event bezieht sich immer auf den Ausfall des Referenzschuldners. Die Summe der Ausgleichszahlung richtet sich in der Regel nach dem Wertverlust der vom  Referenzschuldners  begebenen Anleihen nach dessen Ausfall.

In beiden Fällen zahlt als einer dem anderen die Verlustsumme im Schadensfall, hier bestimmt als Kreditausfall.  Warum dann aber die unterschiedlichen Begriffe, warum diese scheinbar unnötige Komplexität?

Bereits in der lateinamerikanischen-Schuldenkrise in den 1980’er Jahren wurden zwischen den Gläubigerbanken in nennenswertem Umfang Garantieen zur Absicherung der jeweiligen Exposures abgeschlossen, und damit das akute Ausfallrisiko der südamerikanischen Staaten verteilt. Damals waren Garantieverträge keineswegs einheitlich, unterschiedliche Rechtskreise, unterschiedliche Definitionen und eine unsichere Gerichtsbarkeit erschwerten den Risikotransfer. Die einmal über eine Garantie eingekaufte Versicherung auf, beispielsweise Brasilien, konnte man in den Folgejahren, da sie nicht mehr in voller Höhe notwendig erschien, nicht wieder loswerden.  Das Durcheinander unterschiedlicher Standards verhinderte einen transparenten Markt.

In den 1990’er Jahren etablierte sich die ISDA (International Swap & Derivatives Association) als weltweiter Verband zur Vereinheitlichung von Standards im stark wachsenden Zins- und Währungsswapmarkts. Mit den von der ISDA entwickelten Swap-Rahmenverträgen wurden einheitliche Standards geprägt, die den Handel mit Derivaten unter einem einheitlichen und rechtssicheren Rahmenvertrag erst möglich machten. Auch ermöglichte es die ISDA, Sicherheiten unter den gleichen Rahmenvertrag einzubeziehen und über eine Saldierung der Nettoforderungen (Netting) eine erhebliche Effizienz herbei zu führen. Die Arbeit der ISDA wurde auch von den internationalen Bankaufsichtsbehörden anerkannt mit der Folge, dass sowohl die Rechtsterminologie als auch die Prinzipien, unter denen Swaptransaktionen abgewickelt wurden, ihren Niederschlag in der Bankenaufsicht fanden. Diese einheitlichen Standards galten weltweit und ermöglichten das Marktwachstum der folgenden Jahre.

Mit der Zunahme von Anleiheemissionen, sowohl durch Staaten als auch internationale Unternehmen und Banken selbst stieg der Bedarf nach Absicherung von Kreditrisiken, und zwar unabhängig von Zins- und Währungsrisiken.  Am Anfang dieser Enwicklung wurden auch noch sog. „Spread Options“ gehandelt, Optionen also, die gegen ein ein Ansteigen der Risikomargen von Kreditrisiken (Credit Spreads) eine Absicherung boten.  Credit Default Swaps entstanden, als man erkannte, das Garantien relativ einfach unter dem Dach der ISDA Rahmenverträge standardisiert werden konnten.  Immerhin hatten unter den Rahmenverträgen bereits eine Reihe notwendiger  Definitionen weltweite Akzeptanz gefunden, wie z.B. der Begriff  „Credit Event“, worunter verschiedene Varianten definiert wurden;  Bankruptcy,  Failure to Pay, Restructuring, Repudiation, Moratorium, Obligation Acceleration, Obligation Default.  Ich führe sie hier auf, um einen kleinen Einblick zu geben, wie schwierig es sein kann, einen Zahlungsausfall oder Insolvenz eines Schuldners überhaupt rechtsverbindlich zu definieren.  Und ohne verbindliche Definitionen wäre die Garantie aus dem Credit Default Swap wertlos.  Ebenso konnten auch die Definitionen des Rahmenvertrages zum Referenzschuldner (sind damit z.B. auch etwaige Rechtsnachfolger gemeint oder nicht?) oder zur Höhe einer Ausgleichszahlung im Falle eines Credit Events in Abhängigkeit von bestimmten Anleihen des Schuldners und ihrer Kursentwicklung verbindlich und transparent geregelt werden.

Der Effekt war einfach:  Garantien hießen fortan Credit Default Swaps und konnten gehandelt werden.  Der Preis eines CDS spiegelt den Risikoaufschlags für den jeweiligen Credit Reference (Referenzschuldner) exakt wider, ohne von Liquiditätskosten verzerrt zu werden. Man konnte sich eine entsprechende Versicherung einkaufen, und sie durch eine erneute Transaktion bei Bedarf wieder verkaufen.  Dies bedeutete allerdings nicht, dass damit das Geschäft, ähnlich wie bei einem Wertpapierverkauf, aus den Büchern war.  Wie normale Swaps auch sind Kreditderivate schwebende Geschäfte zwischen Kontrahenten:  nur ein sog. „Close-out“ mit derselben Vertragspartei eliminiert das Geschäft.  Weil dieses häufig nicht möglich ist, wird das Risiko aus der Transaktion meist durch ein Gegengeschäft mit einem anderen Kontrahenten geschlossen.

Dadurch allerdings wächst natürlich die Anzahl der Derivattransaktionen, die in den Büchern erhalten bleiben. Genau dies  führt so zu den für Laien unverständlich hohen Derivatebeständen der international tätigen Banken. Richtig ist:  die Risiken aus den gegenläufigen Geschäften kompensieren sich zu einem Nettowert, der in aller Regel ein Bruchteil des eigentlichen Portfolios ausmacht.  Richtig ist aber auch:  bei komplexen Strukturen wird die Ermittlung der Nettoposition schwieriger, und bei sehr vielen solcher Transaktionen entsteht ein erhebliches Komplexitätsrisiko.  Und es verbleibt ein neues Risiko, nämlich das des Ausfalls eines Swappartners.  In der Finanzkrise führte der Kollaps von Lehman Brothers zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Glattstellung von unzähligen Positionen, bei denen Lehman Brothers Kontrahent war.  Das gleiche galt für Credit Default Swaps, die ja den selben Regelungen des Rahmenvertrages unterworfen waren. Die aus der Auflösung dieser vielen Positionen resultierende Wertermittlung mußte durch den Wert gestellter Sicherheiten kompensiert werden. Angesichts des schieren Volumens gleichzeitig glatt zu stellender Swaps und CDS war das nicht immer in vollem Umfang möglich.  Trotz der häufigen Derivatekritik verbleibt jedoch die Erkenntnis, dass die Rechtssicherheit der ISDA Verträge durchgehend gewahrt blieb. Ohne diese Rahmenverträge wären die Folgen der Finanzkrise um ein Vielfaches höher.

In der Folge der Finanzkrise wurden daher neue aufsichtsrechtliche Vorgaben entwickelt, die sich beispielsweise in dem US-amerikanischen Dodd-Frank Act und in Europa in EMIR, der „European Markets Infrastructure Regulation “ niederschlagen. Beides sind hochkomplexe Regelwerke, deren Umsetzung sicherlich noch Jahre erfordert. Ein zentraler Punkt allerdings ist unstrittig:  künftig sollen Derivate weitestgehend über zentrale Clearingstellen abgewickelt werden, um die Abwicklungssicherheit im Krisenfall zu gewährleisten.  Mehr dazu vielleicht in einem späteren Beitrag.

 

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