Armutszeugnis eines Ex-Goldman-Präsidenten: Jon Corzine, Ex CEO von MF Global

by Dirk Elsner on 12. Dezember 2011

Jon Corzine, ehemaliger Präsident von Goldman Sachs und Ex-Gouverneur des US-Bundesstaates New Jersey, hat am vergangenen Donnerstag vor einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zu der Pleite der Investmentbank und Brokers MF Global ausgesagt. Wie so oft in solchen Fällen, hat Corzine zwar die Verantwortung für die Pleite übernommen, sich aber gleichzeitig als ahnungslos präsentiert. So konnte er nicht erklären kann, wo etwa 1,2 Mrd. US$ Kundengelder hin verschwunden sind und glänzte durch Nichtwissen über die Abläufe seines Instituts.

Hier das Video seiner Befragung, dokumentiert über C-Span

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„Ich weiß einfach nicht, wo das Geld ist“, erklärte Corzine vor einem Ausschuss des US-Kongresses. „Es ist sehr schwierig für mich nachzuvollziehen, was in den chaotischen Tagen und den letzten Stunden vor der Insolvenz passiert ist.“ Mit dem Verschwinden der Kundengelder habe er nichts zu tun, beteuerte Corzine nach der Zusammenfassung von Spiegel Online. Er selbst habe erst unmittelbar bei der Pleite erfahren, dass Vermögen vermisst werde. „Ich war fassungslos“, sagte er. „Ich entschuldige mich bei allen, die betroffen sind.“ Corzine gab an, dass ihm die genauen Abläufe bei den Handelsgeschäften in seinem Haus nicht bewusst gewesen seien. „Ich hatte kaum Fachkenntnisse oder Erfahrung in diesen betrieblichen Aspekten des Geschäfts.“

Es ist wie so oft in den letzten Jahren: Manager lassen sich persönlich feiern, wenn es um Erfolge geht und präsentieren sich als ahnungslos, wenn Schieflagen zu erklären sind. Natürlich wollen sie damit persönliche Schadensersatzklagen vermeiden. Gleichwohl befeuert der “gescheiterte Zocker” (Handelsblatt) Corzine damit gängige Klischees gegen viele Topmanager. Wiederholen möchte ich die ich hier freilich nicht.

Einen erstklassigen Hintergrund zur Pleite von MF Global liefert Rainer Sommer auf Telepolis unter dem Titel: „Pleite von MF Global entlarvt Finanzplatz London als verrottet„. Darin fasst Sommer Berichte zusammen, nach den das Vorgehen von MF-Global, aufgrund dessen nun alle Kundengelder eingefroren sind, um eine an den Finanzmärkten allgemein übliche Praxis handle, die noch dazu rechtlich weitgehend legal sei:

“Was die MF Globale-Pleite jetzt aber gezeigt hat, ist nicht nur, dass die weltweit verfügbaren Sicherheiten mehrfach für Kredite verwendet werden können, sondern dass die Broker und Investmentbanken die Wertpapierbestände ihrer Kunden für eigene Zwecke riskieren dürfen, die eigentlich in Sicherheit auf streng separierten Kundenkonten liegen sollten.

Laut Reuters nutzte MF Globale dabei ein Schlupfloch der britischen Regulierung, um Kundenvermögen über die sogenannte „re-hypothecation“ für eine eigene 6,3 Mrd.-Dollar-Investition in Schulden der Eurozone-Krisenstaaten einzusetzen. Das funktioniert nach einem einfachen Schema. So halten Investoren, die ihre Vermögen bei einer Investmentbank anlegen, in der Regel auch Positionen, die sie teilweise mit Krediten des Brokers finanzieren. Diese Besicherung von Investmentpositionen durch Wertpapiere wird „hypothecation“ genannt, wobei die „re-hypothecation“ bedeutet, dass die Investmentbank, die diese Sicherheiten annimmt, diese selbst für eigene Finanzgeschäfte einsetzen kann, etwa im Repogeschäft oder als Sicherheit für Derivativgeschäfte.”

Hintergrund zu der Pleite von MF Global

HB: Banken – Wie Zocker zu Asketen werden: (10.11.11): Wie scheue Rehe flüchten die einst experimentierfreudigen US-Banken aus den Risiken. Um ihre Aktionäre bei der Stange zu halten, bauen Finanzgrößen wie Goldman Sachs Bestände ab.

NYT-DB: Corzine’s Testimony Came With Plenty of Caveats (9.12.11)

HB: Gute Banken, schlechte Banken (8.11.11): Banker haben ihr moralisches Fundament verloren Leute wie Jon Corzine erfüllen noch immer eine positive Funktion: Sie zeigen durch ihr schlechtes Beispiel, dass die Reform der Finanzbranche weitergehen muss.

HB: Wertpapierhändler – MF Global-Chef tritt zurück (4.11.11): Der Derivate-Broker hatte sich verzockt und sich nach Milliardenverlusten in die Pleite geflüchtet. Nun ist der Mann abgetreten, der den ganzen Schlamassel zu verantworten hat: Jon Corzine.

HB: Pleite von MF Global – „Mini-Goldman“ offenbart die Schwächen der Wall Street (1.11.11): Die Insolvenz des US-Finanzhauses MF Global lenkt die Aufmerksamkeit auf die Derivatemärkte. Die Pleite ruft am Markt Erinnerungen an den Zusammenbruch von Lehman Brothers wach – und bestätigt Regulierungsbefürworter.

NYT-DB: Corzine Defends His Actions at MF Global: At a House hearing on his firm’s collapse, a humbled Jon S. Corzine insisted that he “never intended to break any rules” while running MF Global.

Klaus Kastner Dezember 20, 2011 um 20:11 Uhr

Nicht nur ein ex-Goldman Präsident kann einem leid tun. Auch die sogenanten „International Bankers“ verursachen Mitleid, wenn man erkennt, in welchem Hamsterrae sie sich mitdrehen.

http://klauskastner.blogspot.com/2011/12/how-greece-could-build-up-so-much.html

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