Kognitive Dissonanz: Altlasten der Hypo Real Estate und das Timing von Ex-Chef Funke

by Dirk Elsner on 11. März 2012

Zombie bank

Foto: Zombie Bank von Foto von Markusram via flickr

Ich weiß nicht, ob dieses Interview irgendwann, falls die Finanzkrise doch noch einmal aufgearbeitet werden sollte, eine Rolle spielen wird. In jedem Fall war das Timing der Veröffentlichung erstklassig. Ausgerechnet einen Tag nachdem Finanzminister Schäuble bekannt gab, wir Steuerzahler müssten mit weiteren 3,1 Mrd. Euro die Altlasten der Hypo Real Estate (HRE) stützen, plaudert Ex-HRE-Boss Funke entspannt auf Mallorca mit der Bild über seine “berechtigten” Gehaltsansprüche.

Danach verlangt Georg Funke eine Abfindung in Höhe von 3,5 Millionen Euro und monatliche 47.000 Euro Rente. Sein Gehalt fand er im Vergleich zum Branchenschnitt “eher moderat”. Seine Ansprüche rechtfertigt er im Interview wie folgt: “Für den Fall meines Ausscheidens gab es klare, vertragliche Vereinbarungen. Nur weil ich in der Öffentlichkeit schon zum bösen Buben gemacht wurde, verzichte ich nicht auf meine Pensionsansprüche.”

Richtig putzig ist aber, dass Funke der damaligen schwarz-rote Bundesregierung, also damit uns Steuerzahlern, die Schuld gibt, dass sein “Lebenswerk da zertreten worden ist”. Das ist ein echter Kracher, denn Funke hat zu verantworten, dass sein Konzern sich mit mindestens 9,1 Mrd. Euro griechischer Anleihen vollgepumpt hat. Nur zur Erinnerung, selbst wenn nach Basel II Anleihen an Eurostaatsschuldner formal kein Risiko beinhalten, entspricht es nicht dem Grundsatz eines kaufmännisch denkenden Unternehmens, das zum 31.12.2006 (siehe dazu Geschäftsbericht 2007) gerade einmal 3,4 Mrd. Euro Eigenkapital aufwies, fast das Dreifache dieses Eigenkapital einem einzigen Schuldner zu geben.

Grobe Fehler im Risikomanagement

Und ob die strategische Übernahme der Deutsche Pfandbriefban der einzige große Fehler war, bezweifele ich. Nach Berichten im Herbst 2010 war die Hypo Real Estate operativ nicht in der Lage wesentliche Teile ihrer Aktivseite richtig zu bewerten. Damals drangen mittlerweile vergessene Details an die Öffentlichkeit, die auf grobe interne Mängel hindeuteten. Nach einem Bericht auf Handelsblatt.com hatte die  Nachrichtenagentur Reuters “Details aus einem Soffin-Papier für das geheim tagende Finanzmarktgremium des Bundestages verbreitet. Konkret ging es um Risiken im HRE-Immobilien-Kreditbuch. Demnach sei bei 36 Prozent des HRE-Kreditvolumens in der Kernsparte Immobilienfinanzierung seit über drei Jahren keine Neubewertung der Sicherheiten mehr erfolgt. Bei anderen befragten Banken liege dieser Anteil nur bei zwölf Prozent. Der Soffin bezifferte laut dem Papier das HRE-Kreditvolumen in der gewerblichen Immobilienfinanzierung zum 31. März auf 45 Milliarden Euro. Als Gründe für die verschleppte Neubewertung der Sicherheiten nennt die Behörde demnach die unzureichende Personaldecke der HRE und eine IT-Umstellung.”

Wenn das richtig ist, was in diesem Papier vermittelt wurde, dann sieht dies nach einem glatten Verstoß gegen die Mindestanforderungen an das Risikomanagement einer Bank und die Bewertungsvorschriften, insbesondere IAS 39 aus. Bemerkenswert ist, dass in dem im Geschäftsbericht 2007 der Hypo Real Estate zu findenden Risikobericht (ab S. 71) und in den Notes keine Hinweise zu finden sind, dass man Probleme mit den Impairment-Tests hatte (mehr dazu in dem Beitrag „Hypo Real Estate: Skandal liegt nicht in Bonizahlungen, sondern in “Bewertungsverschleierung” und Gläubigerbevorzugung„).

Schade, dass die Bild-Reporter nicht gefragt haben, wie sich eigentlich Herr Funke die Rettung vorgestellt hätte, wenn der Bund die Bank nicht übernommen hätte.

Herr Funke lässt ähnlich wie Ex-Lehman Boss Richard Fuld jede Haltung vermissen und scheint unter extremer kognitiver Dissonanz zu leiden. Kommentieren muss man das nicht weiter.

Nachtrag vom 11.3.12

Immerhin, so war gestern auf FAZ.net zu lesen, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Marktmanipulation und unrichtiger Darstellung der Unternehmensverhältnisse gegen ihn. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gibt heute in der Printausgabe (S. 26) noch einen Nachschlag mit einem Hinweis auf seine neue Tätigkeit:

„Also baut er sich nu selbst eine Existenz auf, aber mals mit „real estate“: Mit Gatting Eileen Carter hat er die Immobilienfirma A1 Villas Mallorca gegründet. Die Internetseite zeit einen gebäunten, entspannten Herren mit offenem Kragen, der laut Lebenslauf auf „top management positions“ in großen Immobilienfirmen mit welteitem Geschäftsfeld zurückblickt. “ He the retired in 2008″, wird der Rauswurf übersetzt.

Auf Spiegel Online ist heute ergänzend zu lesen, dass die Bad Bank der Hypo Real Estate bis Ende 2011 10 Mrd. Verlust angehäuft hat. Es wird außerdem geschätzt, dass bis 2020 weiter 10 Mrd. dazu kommen sollen. Mir scheinen die 10 Mrd. arg optimistisch. Aber man muss es erst einmal so hinnehmen, so lange der Öffentlichkeit gegenüber weiter die Altlasten der Hypo Real Estate verschleiert werden. Mehr dazu am Dienstag.

Die wichtigsten Artikel im Blick Log zur Hypo Real Estate

Intransparenz über Risiken der Bad Bank der Hypo Real Estate ist das Problem, nicht der “Buchungsfehler” (2.11.11)

Wieso kostet die Bankenrettung dem Steuerzahler bisher nichts und wann legt der SoFFin mal eine Bilanz vor (18.8.11)

Bad Bank der Hypo Real Estate mit 7,4 Mrd. Euro Forderungen gegenüber Griechenland: Wie werden die eigentlich jetzt bewertet? (8.6.11)

Interessiert das eigentlich nicht mehr? 4 weitere Mrd. Euro für Altlasten der Hypo Real Estate zu Lasten der Steuerzahler (17.5.11)

Hypo Real Estate: Skandal liegt nicht in Bonizahlungen, sondern in “Bewertungsverschleierung” und Gläubigerbevorzugung (5.10.10)

Hypo Real Estate erhöht heute Deutschlands Staatsverschuldung um 8% und die Altgläubiger feiern still (1.10.10)

Hier weitere Berichte zur HRE und zum Interview:

FAZ: Verstaatlichte Immobilienbank HRE drohen weitere 10 Milliarden Euro Verlust (11.3.12): In der Abwicklungsanstalt der maroden Hypo Real Estate türmen sich die Risiken. Die verstaatlichte Immobilienbank könnte die deutschen Steuerzahler noch mal bis zu 10 Milliarden Euro kosten. Ihr früherer Chef beharrt indes auf einer Millionenabfindung.

Spon: „Ich werde als schlimmster Gier-Banker beschimpft“

Zeit: Euro: Griechenland kostet HRE fast 9 Milliarden Euro

HB: Schuldenschnitt: Steuerzahler müssen Bad Bank wieder stützen

FAZ: Früherer HRE-Chef Funke „Mein Lebenswerk ist zertreten worden“

Beitrag ergänzt und überarbeitet am 11.3.12

nigecus März 13, 2012 um 19:03 Uhr

Ich denke, dass (kurzzeitig) angestellte Geschäftsführer von Konzernen meistens keine Ahnung über die Leichen im Keller haben. Ist halt Detailkrams und so ein CEO soll ja nur das PR-Püppchen spielen. Hollywood-Schauspieler verdienen ja auch Millionen.

Die IT-Umstellung ist außerdem letztes Jahr abgeschlossen worden. Durch PBB wie die Rest-HRE nun heißt.

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