1 Jahr nach der medialen und ökonomischen Hölle von Fukushima

by Dirk Elsner on 11. März 2012

Ja, ja, genau ein Jahr ist es her, dass ein schweres Erdbeben in Japan einen Tsunami auslöste, der wiederum zu einer schweren Havarie des Kernkraftwerks in Fukushima führte. Überall wird jetzt zurückgeblickt. Ich will das nicht tun, denn die Profis können das viel besser.

In den Webseiten, die ich zum Unglück angesteuert habe, konnte ich freilich nichts finden, zu dem unglaublichen Medienhype vor einem Jahr und auch nichts zum Nichteintritt der düsteren Befürchtungen so mancher Ökonomen.

Vor einem Jahr sind bekanntlich nicht nur die Reaktorkerne geschmolzen, auch die Medien hyperventilierten und ich schrieb von der “Kernschmelze der Information” und fragte mich, wann Deutschland evakuiert wird. Damals schien es für einige Beobachter nur eine Frage von Stunden, wann Tokio in einen postapokalyptischen Leerraum verwandelt wird.

Selten seit dem 11. September wurde in Deutschland so viel und so aufgeregt (des-)informiert, wie in diesen Tagen der Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe in Japan. Sondersendungen, Talkshows, Tageszeitungen, Websites usw. spucken im Sekundentakt Schlagzeilen und Deutungsversuche aus, die mit viel Halbwissen und Dramatik die Informationslücken füllen, die das offizielle Japan hinterlässt. Trotz dieser Informationsquantität fühlte ich mich durch die professionellen Medien schlecht informiert. Da versuchten “Experten” per Ferndiagnose aus Deutschland den Zustand des Reaktors in Fukushima zu beurteilen. Im TV suggerieren leere Regalausschnitte, dass Japan kurz vor einer Hungerkatastrophe steht. Das was die Bild als “Flucht aus der Todeszone!”, war für Japaner allerdings eine Reise in den Süden. Mit dramatischer Musik untermalt sendet der frühere Nachrichtensender N24 Endlosschleifen über den Tsunamieinschlag. Einige Journalisten schienen sogar fast frustriert zu sein, dass sie keine in Panik versetzten Japaner finden konnten. Die blieben bekanntlich viel gelassener als wir hier in Deutschland. Eine beispielhafte Zusammenstellung der Headlines von damals ist in diesem Beitrag zu finden.

Und natürlich wussten auch Ökonomen und Analysten sofort über die wirtschaftlichen Konsequenzen Bescheid. Eine Bildklickstrecke im Handelsblatt mit der Überschrift “Katastrophe legt Japans Industrie lahm” suggeriert, nichts geht mehr in Japan. Stürzt Japan die Welt in die Rezession? fragte zum Beispiel die Wirtschaftswoche. Spiegel Online sah ein Beben für die Weltwirtschaft. Die Welt fürchtete eine Kettenreaktion für die Konjunktur, das Handelsblatt titelte Japan-Katastrophe schürt Angst vor Domino-Effekt, und die SZ konnte sich einen wirtschaftliche Schock für die Weltwirtschaft vorstellen. OK, ich habe jetzt nur ein paar übertriebene Meldungen heraus gesucht. Es gab auch in den hier zitierten Medien viele besonnene Reaktionen, die richtig lagen.

Mir persönlich gefielt damals die Position von Thomas Fricke, der in einer Kolumne für die FTD schrieb:

“Experten sind am meisten gefragt, wenn sie am wenigsten wissen. Zumindest nach Katastrophen wie der, die seit einer Woche Japan und die Welt schockiert – und bei der niemand recht weiß, was noch passiert, weder Physiker noch Ökonomen. Das Reaktionsmuster ist trotzdem immer ähnlich, ob nach Erdbeben, Wirbelstürmen oder Terroranschlägen wie 2001: Früher oder später kursieren Szenarien darüber, was die menschliche Tragödie wirtschaftlich bedeutet. Für die betroffene Region. Und für die Weltwirtschaft. Da findet sich meist dann auch ein Experte, der die globale Rezession „nicht ausschließt“. Wegen der Verflechtung.

Solche Szenarien wirken im ersten Moment plausibel, stehen allerdings in Widerspruch dazu, was in aller Regel folgt, so zynisch das wirkt: Es gab in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie keine noch so schlimme Natur- oder Menschenkatastrophe, die das Wirtschaftsleben mehr als ein paar Wochen beeinträchtigt hat – erst recht nicht auf globaler Ebene. Fragt sich eher, warum – und ob – es Ausnahmen gibt, die auf Japans Atombeben diesmal doch zutreffen könnten.”

Die Beiträge im Blick Log zur Katastrophe sind hier nachzulesen:

Die japanische Katastrophe und die widersprüchlichen Aussagen der Ökonomen (25.3.11)

Warum das Unglück in Japan definitiv kein “Schwarzer Schwan” war (21.3.11)

Kernschmelze der Information oder wann wird Deutschland evakuiert? (17.3.11)

Erste ökonomischen Konsequenzen der japanischen Katastrophe (+ Presseschau Wirkung auf die Wirtschaft) (15.3.11)

Die japanische Katastrophe und die unbekannten ökonomischen Konsequenzen (+ Pressereaktionen Auswirkungen Wirtschaft) (14.3.11)

Dirk Elsner März 11, 2012 um 22:42 Uhr

Hallo Marc,
fandest Du, dass die Berichterstattung zu Griechenland nicht reißerisch war? Ich erinnere mich an viele wilde Schlagzeilen, die hier auch irgendwo im Blog vergraben sind.
Aber ich glaube in der Tat, dass wir hier das Ende noch nicht gesehen haben. Und die nächste Finanzkrise kommt ohnehin ganz bestimmt.
Sorry, ich musste ein paar aaa´s aus Deinem Kommentar entfernen, weil die irgendwie über das Layout hinaus gingen.

Marc März 11, 2012 um 20:43 Uhr

Hi Dirk,

die schlimmsten Befürchtungen treffen immer nur gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam ein. Das was Japan mit seiner kleinen Surferwelle nicht geschafft hat, schafft Griechenland mit guter Vorbereitung. Schade, dass die Berichterstattung bei diesem Phänomen nicht so reißerisch ist.

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