In den bisherigen Beiträgen dieser Serie (Übersicht hier) habe ich einen Überblick über die Produkte und die verschiedenen Akteure gegeben. In den Spielfeldern tummeln sich viele traditionelle Banken, Zahlungs- bzw. Kartendienstleister und neue Akteure aus dem IT- und Telekommunikationsumfeld.
So dominant die Newcomer vor allem Dank in ihrer öffentlichen Darstellung erscheinen mögen, eine überlegene und vor allem erfolgreiche Spielweise haben die Google, PayPal und Co noch nicht gezeigt. Das hat vor allem zwei Gründe:
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Sie haben noch nicht das Vertrauen der großen Zahl
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Sie bremsen sich gegenseitig aus
zu 1. Kunden vertrauen neuen Mitspielern noch nicht oder?
Auch wenn Banken in Imageumfragen in den letzten Jahren abgerutscht sind, sie genießen weiter hohes Vertrauen ihrer Kunden, wenn es um finanzielle Dinge geht. Das gilt insbesondere für Kunden aus dem Unternehmensbereich. Die neuen Dienstleister haben zwar ein modernes Image. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Kunden ihnen deswegen auch ihre Finanzmittel anvertrauen.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat lt. Gigaom herausgefunden, dass 56% der Konsumenten eher ihren Finanzdienstleistern zutrauen, mobile Services sicher zu handhaben. Das sind die besten Werte. Nur 7% würden Einzelhandelsunternehmen vertrauen und gar nur 6% den Telkos- oder Webunternehmen. Immerhin kommt PayPal noch auf einen Vertrauen von 30%, wie immer das auch gemessen wurde. Die starke Präferenz für Finanzinstitute, so die KPMG-Vermutung, rührt daher, dass viele Kunden sich weiter sorgen um ihre Daten und die Sicherheit, wenn es um finanzielle Transaktionen geht.
Diese Erklärung scheint allerdings noch etwas zu knapp zu sein. Tatsächlich ist die Entscheidung für einen kompletten Wechsel einer Bankverbindung nicht so trivial, wie das Umfragen oder Anzeigen andeuten. Und beim Mobile Payment geht es schließlich nur um eine einzige Bankfunktion, der Bezahlung. Der Wechsel einer Bankverbindung wird hier also ohnehin nicht betrachtet. Und die Zahlverfahren selbst sind stets an bestimmte Konten gekoppelt. Das kurzfristige Nutzenkalkül[1] aus Bequemlichkeit und besseren Konditionen wird von mittel- bis langfristigen Überlegungen überlagert.
Freilich sollten sich die Finanzinstitute nicht zu sehr auf dieser Untersuchung der ihnen nahestehenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verlassen. Es gibt nämlich auch eine andere Untersuchung[2], nach der sich 43% der Nutzer von Apple-Produkten vorstellen könnten, auch Finanzdienste über Apple abzuwickeln, wenn diese so etwas anbieten.
zu 2. Fragmentierung der Systeme ist Bremsklotz für die Newcomer
Die Newcomer, die sich um einen Platz in der Stammmannschaft bewerben, strotzen zwar vor Kraft und Selbstbewusstsein. Konzerne wie Google, Amazon, PayPal, die Telkos und vielleicht bald Apple und Microsoft wissen wie man kundenfreundliche Leistungen entwickelt. Für Ebay entpuppt sich das elektronische Bezahlen über PayPal mittlerweile zu einer Goldgruppe, schrieb jüngst das Handelsblatt. 110 Millionen Nutzerkonten verwaltet PayPal mittlerweile.
Aber schön spielen heißt noch lange nicht, dass man hoch gewinnt. Klar dürfte nämlich sein, dass nicht alle neuen Spieler auf Dauer Platz in der Mannschaft finden. Vielleicht werden sogar große Stars vom Platz müssen. Trotz der vielen Vorzeigeprojekte stehen sich gerade die Telekommunikations- und Internet-Konzerne nämlich selbst im Wege. Statt den Ball abzuspielen, wollen sie lieber selbst glänzen. Selbst eine Mannschaft, die mit hochkarätigen Stars gespickt ist, verliert, wenn sie ihr Spielsystem nicht aufeinander abstimmt.
So ambitioniert etwa Google an den Start gegangen ist, so schwer fällt dem Konzern nun die Verbreitung seiner Wallet (siehe aktuell “Google Wallet said to be seeking more mobile carriers”). Einige Mobilfunkgesellschaften wollen einfach den Ball nicht annehmen[3].
Um das gemeinsame mpass-Angebot von O2, Vodafone, T-Mobile ist es auch wieder still geworden. André M. Bajorat schriebt jüngst auf mobile Zeitgeist, dass O2 Mitte 2012 die erste Stufe des mobilen Wallet ausrollen will, eine gemeinsame Strategie der drei Telkos sei aber nicht zu erkennen.
Erschwerend für die neuen Zahlungsmechanismen ist, dass sie untereinander nicht kompatibel sind. Wenn ich also per Amazon Pay meine private Rechnung begleichen will, dann funktioniert das nur, wenn der Empfänger ebenfalls Kunde bei Amazon ist. Ein Übertrag hin zur Google Wallet ist nicht möglich. Die traditionelle Finanzbranche hat hier mit ihrem etablierten Zahlungsverkehrsinfrastruktur, die nun mit SEPA EU-weit ausgerollt wird, eine stabile Abwehr zementiert, die nicht so leicht geknackt werden kann. Den Newcomern droht dagegen eine gewaltige Materialschlacht im eigenen Lager, die zu großen Verlusten führen kann.
SEPA als Katalysator für das New Payment?
Ich will das Thema Single Euro Payments Area (= SEPA) hier nicht vertiefen. Die EU-weite Umstellungen auf einheitliche Kontonummern (IBAN) und Bankleitzahlen (BIC) soll eine Vereinfachung für den Zahlungsverkehr bringen. Sie verursacht aber in Unternehmen erst einmal einen sehr hohen Aufwand für die Umstellung. Spricht man mit mittelständischen Unternehmen über SEPA, dann wollen sie nicht viel davon wissen. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Motivation besonders ausgeprägt ist, tausende von Kundendaten auf das neue Verfahren anzupassen. Dies dürfte erst recht für Unternehmen gelten, die nur im Inland Geschäft machen.
Ich erwarte außerdem, dass spätestens mit der europaweiten Einführung der Single Euro Payments Area (= SEPA) weitere Teile des webbasierten Inlandszahlungsverkehrs auf neue Plattformen abwandern werden. Im Retailgeschäft wird kaum ein Kunde Lust haben, Überweisungsträger oder Onlineformulare mit 22-stelliger Kontonummer, die dann IBAN heißt, und 11stelliger Bankkennung, die dann BIC heißt, auszufüllen. Kunden, die einfache Zahlungen aus dem Netz gewöhnt sind, könnten sogar vom Installateur oder Dachdecker erwarten, dass er seine Rechnungen über die bequemeren Zahlwege begleichen kann. Wo immer es möglich sein wird, werden viele Kunden, so meine feste Überzeugung, auf alternative Zahlungsverfahren ausweichen. Und dazu gehört auch das Mobile Payment.
Auch nicht webbasierte kleine und mittelständische Unternehmen werden so immer stärker neue Zahlverfahren anwenden und stärker untereinander ihre Rechnungen begleichen. Dies kann sich noch intensivieren, wenn sich Unternehmen erst einmal mit den zum Teil sehr komplizierten Feinheiten der verschiedenen SEPA-Lastschrift (SEPA Direct Debit) befassen[4].
Ob und in welchem Umfang es hier freilich den Webunternehmen und Telkos gelingen wird, Fuß zu fassen, ist noch offen. Unternehmen wie PayPal gelten gerade für Unternehmen als vergleichsweise teuer[5]. Und insbesondere im traditionell für Banken interessanteren Wholesagesegment des Zahlungsverkehrs spielen die Newcomer gar nicht erst mit.
Warten auf den Netzwerkeffekt
Bei Zahlungsverfahren spielen Netzwerkeffeke eine wichtige Rolle. Die Erfolgsaussichten bestimmter Anwendungen oder Dienstleistungen sind umso höher, je mehr Nutzer und je mehr Akzeptanzstellen sie haben. Damit entscheidet nicht allein die Qualität eines Verfahrens bzw. Aspekte wie Sicherheit und Bequemlichkeit über den Erfolg.
Spannend dürfte gerade auch dieser Wettstreit zwischen Sicherheit und Bequemlichkeit sein. Gerade bei Kleinstzahlungen, schreibt André M. Bajorat in der aktuellen Ausgabe von t3n, verlieren Kunden schnell die Geduld. Daher sollten gerade hier die Hürden beim Bezahlvorgang schnell und einfach zu überwinden sein. Das könne aber zu Lasten der Sicherheit gehen.
Der Kampf um Platz 1 im Netzwerk ist bereits in vollem Gange. Fast täglich liest man von Abkommen einer der großen neuen Mitspieler (siehe z.B. hier für PayPal) um das eigene Zahlungsverfahren an einen Point of Sale zu bringen. Wenn jetzt noch die neuen Spieler auf die Idee kommen, hier wie eine Mannschaft aufzutreten und sich auf übergreifende Standards verständigen (und vielleicht sogar schon daran arbeiten), dann wird ein Titel gegen die klassische Finanzbranche wahrscheinlicher. Unterschätzen darf man aber nicht die großen Einzelhandelsketten, die letztlich darüber entscheiden, welche Zahlungssysteme sie einsetzen wollen. Daneben wird die klassische Finanzbranche sehr darauf achten, dass sich die Newcomer penibel an Gesetze halten und nicht etwa Lücken bei Geldwäsche und Embargorichtlinien aufweist.
Über eine gern übersehene Hürde schreibt ebenfalls in t3n Eike-Marie Eiting. Die Usancen für Zahlungsmethoden von Land zu Land sind nämlich höchst unterschiedlich. PayPal etwa, so Eiting, ist in vielen Ländern noch unbekannt. Stattdessen setzt man in vielen Ländern auf lokale Zahlungsmethoden für Webeinkäufe. So ist in Brasilien Boleto verbreitet. Man erhält bei Kauf einen Barcodebeleg, mit dem Kunden bei einer Bank eine Bareinzahlung leisten. Und in Deutschland, darauf wies die Sparkasse Witten auf Google Plus hin, darf man nicht die “deutsche Bargeld-Anhänglichkeit” unterschätzen.
Der Präsident von Sybase 365, John Sims, glaubt: „Mobile Zahlungen werden nur dann signifikant an Bedeutung gewinnen, wenn Banken, Betreiber und Einzelhändler sich auf ein Geschäftsmodell einigen können. Nur wenn dies gelingt, ist eine echte branchenweite Interoperabilität und damit die Entstehung eines universell genutzten mobilen Zahlungssystems gewährleistet.“ (Zitat nach Geldinstitute).
Zwar hemmen sich die verschiedensten Systeme durch mangelnde Interoperabilität. Aber alle Betreiber nebst den Banken unter einen Hut zu bekommen, würde Jahrzehnte für eine Einigung benötigen. Wir werden hier eher einen Wettkampf der Systeme sehen. Einige Anbieter werden dabei als Kollateralschaden auf der Strecke bleiben. Es wird sich vermutlich derjenige durchsetzen, der am schnellsten die kritische Masse erreicht. Ich rechne außerdem damit, dass sich einige Mitspieler zu einer übergreifenden Allianz zusammen schließen werden. Wenn ihnen das gelingt, dann benötigen sie dazu nicht unbedingt die Banken.
[1] Im Normalfall sind mit einem Bankkonto viele Funktionen verdrahtet, weswegen ein Wechsel kostspielig ist. Dazu kommt, dass Kunden zwar häufig Banken misstrauen, nicht aber zwingend ihrem persönlichen Bankberater, zu dem es oft eine langjährige Beziehung gibt. Insbesondere in den USA spielt außerdem die Kreditgeschichte von Kunden eine wichtige Rolle.
[2] Bei dieser Gelegenheit eine persönliche Anmerkung, weil mir auffällt in Gesprächen mit Vertretern des klassischen Banking genau so wie mit Vertretern des Next Bankings, dass sie jeweils nur für sie vorteilhafte Studien zitieren.
[3] So vertreibt der Netzbetreiber Verizon Wireless das Google Smartphone Nexus ohne die sonst in der Grundausstattung bereits installiertes Google Wallet. Verizon ist zusammen mit AT&T und
T-Mobile im konkurrierenden ISIS-Konsortium, das wie Google ein auf NFC basierendes Paymentsystem entwickelt. Google dagegen arbeitet mit mit Netzbetreiber Sprint zusammen. Daneben mangelt es in Europa weiter an NFC–fähigen Smartphones (Übersicht hier).
[4] Siehe Regelwerken für die SEPA-Basislastschrift und SEPA-Regelwerken für die SEPA-Firmenlastschrift
[5] Siehe zur Preispolitik von PayPal: Mit diesen Gebühren müssen beide Seiten beim PayPal rechnen. Stefan Schneider twitterte vom EHI-Kartenkongress, dass der Weg für PayPal in den stationären Handel noch steinig sei wegen der hohen Preise.
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