Finanzmärkte sind ausgesprochen empfindliche Seismographen, die auf Stimmung und auf Fakten reagieren. Während am Wochenende die politische “Finanzelite” den Bailout spanischer Banken durch welchen Rettungsfonds auch immer feierte, schauen die “Märkte” wesentlich nüchterner auf das Ergebnis. Die Laune ist nämlich schnell wieder verpufft.
FTAlphaville wies darauf hin, dass die Renditen am Sekundärmarkt für spanische Anleihen zwar zunächst deutlich nachgaben, aber im Laufe des Vormittags schon wieder angestiegen sind.
Ein Grund liegt in der verschlechterten Rangposition der bisherigen Gläubiger. Diese ergibt sich aus den Bedingungen der europäischen Rettungsfonds. Diese sollen nämlich vorsehen, dass aus diesen Fonds vergebene Mittel vorrangig von den Ländern bedient werden müssen. Unbesicherte Altschulden, wie sie an den Anleihemärkten gehandelt werden, rutschen damit automatisch im Rang zurück. Konkret bedeutet dies: Im Falle von Zahlungsproblemen sind erst komplett die Rettungsfonds-Mittel zurück zu zahlen und erst dann kommen die weiteren Gläubiger.
Daher ist es kein Wunder, dass auch die Prämien für die Kreditrisikoversicherungen bereits wieder angezogen haben und höher liegen als in der vergangenen Woche. Darauf weist Zerohedge hin und liefert eine entsprechende Grafik:
Dieses Problem hat übrigens nicht nur Spanien, sondern haben auch andere Länder. Und das Research der Deutschen Bank wies in einer gestern veröffentlichten Studie darauf hin, dass dieses Problem auch Banken haben. Banken begeben bereits seit Monaten kaum noch unbesicherte Anleihen, sondern finanzieren sich entweder über durch besondere Sicherheiten gedeckte Schuldtitel oder über die EZB, die freilich ebenfalls Sicherheiten erwartet. Ungedeckte Anleihen (senior unsecured bond) rutschen dadurch automatisch immer weiter im Rang zurück.
In der unter dem Titel “Kapitalmarktbasierte Bankenrefinanzierung: (Nicht so) schöne neue Welt …” (pdrf) erschienenen Studie heißt es u.a.
“Das Emittieren besicherter Anleihen, wie Pfandbriefe, hat zudem zur Folge, dass nicht nur viele, sondern insbesondere hochqualitative Aktiva gebunden sind. Dies führt zu weniger Flexibilität in der Gesamtfinanzierung. Genau das, was Pfandbriefe so sicher für Pfandbriefinvestoren macht, macht sie bedenklich aus Sicht der anderen Bankanleihegläubiger. Denn die zunehmenden Emissionen von Pfandbriefen führen dazu, dass die Forderungen vorrangiger Anleihegläubiger „nachrangiger“ werden: Je größer die Menge an gebundenen Aktiva („encumbrance“), desto größer wird das Kreditrisiko für vorrangige unbesicherte Anleihegläubiger im Falle einer Insolvenz. Somit unterliegen die Gläubiger unbesicherter Anleihen zukünftig nicht nur einer strengeren Haftungsregelung, sondern werden auch „nachrangiger“ behandelt. Auch führen Emissionen unterschiedlicher Arten besicherter Anleihen zu einer größeren Tranchierung der Bankpassiva: Aus einer relativ einfachen Verbindlichkeitsstruktur, in der viele Gläubiger den gleichen Rang genießen, wird eine Verbindlichkeitsstruktur mit vielen unterschiedlichen Senioritäten.”
Einige werden jetzt rufen. Aber die “Märkte” wollten doch den Bailout Spaniens. Klar, wollten sie den Bailout, aber wie heißt es so schön: “There ain’t no such thing as a free lunch” oder anders ausgedrückt: Irgendjemand muss die Rechnung bezahlen. Es gibt keine Wundertüte für die Lösung der europäischen Probleme. Das haben auch die Aktienbörsen erkannt. Gestern Vormittag feiert man noch die spanische “Rettung”. Im Laufe des Tages trat dann wie in den letzten Jahren bei vergleichbaren Aktivitäten Ernüchterung ein.
Tatsächlich unterstreicht diese, dass die Politik hier überfordert ist. Ihr wird z.B. hier vorgeworfen, sie könne trotz Spanien-Hilfspaket nicht die Zweifel zerstreuen und durch Tatkraft überzeugen. Man kann sich aber zu Recht fragen, was denn erforderlich gewesen wäre, um alle Stimmen zu besänftigen. Hier finde ich jeweils nur interessengesteuerte Einzelantworten, jedoch keinen der ein plausibles Gesamtbild mit Lösung liefern kann. Und ich sehe mich darin bestätigt, dass es die Gesamtlösung nicht gibt.
Nachtrag
In Deutschland hat bereits gestern der noch neue Blog Funny Risky Minds auf die Verschlechterung der Position der privaten Gläubiger hingewiesen.
Andere Stimmen zum Bailout
WSJ: Auch der spanische Banken-Bailout rettet den Euro nicht
HB: Spanien bleibt in der Schusslinie der Märkte
FTD: Spanien bleibt in der Schusslinie der Märkte
HB: Auflagen für Notkredite: Troika knöpft sich Spaniens Banken vor
WSJ: Spaniens Bailout lässt viele Fragen offen
FAZ: Kredite für Banken Spaniens Schuldenstand nähert sich kritischem Wert
ZEIT: EU-MilliardenhilfeTroika soll Spaniens Bankenrettung kontrollieren
Dazu fand ich dann heute (wie überraschend!)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-rettungsschirm-griechen-fordern-gleiche-bedingungen-wie-spanier-a-838254.html
Der Wahnsinn hat kein Ende sondern offenbar Methode.
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