Dieser Beitrag ist auch auf Handelsblatt Online erschienen.
Versteckt im firmeneigenen Entwickler-Blog stellte Facebook vor ein paar Tagen eine Änderung ihres Facebook-Credit-Systems vor. Was in einigen Überschriften (z.B. hier auf futurebiz mit “Das Ende von Facebook Credits”) wie ein Rückzug klingt, ist allerdings eher eine neue Offensive auf das auch für Facebook ausgesprochen lukrative Payment-Geschäft sein.
Facebook macht mit seiner virtuellen Währung etwa 15% des Umsatzes mit stark steigender Tendenz. Schon lange wird darüber spekuliert, wann Facebook die derzeit hauptsächlich für den Kauf virtueller Waren in Online Spielen eingesetzte künstliche “Währung” aufpimpt (im Blick Log dazu schon Überlegungen aus 2010). Nun ersetzt Facebook in den nächsten Monaten schrittweise die “Credits” (Hintergrund hier auf t3n) durch die jeweiligen realen Landeswährungen, die bei Bedarf dann auch in virtuelle Währungen einzelner Spieleanbieter getauscht werden können. Statt Guthaben in Credits erhalten die User also echte Euros, Dollars oder Yen ohne die virtuelle Umrechnung.
Im Vordergrund der Berichterstattung dazu stehen zwar weiterhin virtuelle Güter, die über eine API (Schnittstelle) nun auch im Abo abgerechnet werden können. Ich halte das aber für einen Ponyhof im Vergleich dazu, was nun denkbar ist, wenn die Nutzer auf ihren Facebook-Konten Euro oder US-Dollars stehen haben. Diese können dann nämlich leichter sowohl über die Webseite als auch über mobile Anwendungen zur Bezahlung realer Güter auch außerhalb der Facebook Welt eingesetzt werden. “Alle existierenden Modalitäten und Konditionen rund um Käufe auf der Facebook Plattform bleiben bestehen,” fasst Netzwertig die Ankündigung zusammen.
Die Nutzung der Facebook-Infrastruktur für die Zahlung auch außerhalb des Facebook-Universums war zwar nicht der Gegenstand der Bekanntmachung, es wäre allerdings ein sehr logischer Schritt. Facebook hat ganz klar das Potenzial (allerdings nicht bei 30% Provision für die Händler), im attraktiven Zahlungsmarkt mitzumischen (ähnlich auch Martin Weigert auf netzwertig). Ich sehe einen weiteren potenziellen Mitspieler, der nicht nur für die Traditionsbanken das bisher ignorierte Banking 2.0 zu einem Alptraum machen könnte, sondern der ebenfalls die Spielregeln im Payment-Bereich mit seiner Marktmacht neu definieren könnte. Eine E-Wallet-Funktion in Facebook bei über 900 Mio. Nutzern könnte sich zu einer “Killerapplikation” entwickeln und böte damit den Einstieg für viele weitere Bankdienstleistungen. Wie das technisch, praktisch und vor allem userfreundlich funktionieren kann, das macht die Fidor-Bank in München bereits seit Jahren vor.
Klar, der Einstieg ist nicht so trivial, wie die Entwicklung einer iPhone-App, weil Fragen der internationalen Regulierung, der Geldwäsche und diverser bankspezifischer Fachlichkeiten und hohe Sicherheitsanforderungen zu beachten sind. Aber wie das schon jetzt national mit Banklizenz lösbar ist, zeigt deutlich die Fidor-Bank, die für mich hier der mit Abstand innovativste Vorreiter in der Finanzbranche ist (siehe dazu auch Chris Skinner: Fidor Bank: the most innovative bank concept out there).
Aber entscheidend ist hier nicht, welche technischen und regulatorischen Hürden überwunden werden müssen, sondern ob ein Angebot von Finanzdienstleistungen durch oder über Facebook bzw. andere soziale Netzwerke Erfolg haben könnte. Ich gehöre zu den Anhängern der These, dass Banking (Betonung liegt auf Bankdienstleistungen und nicht auf Informationsaustausch über Bankdienstleistungen) auch über soziale Netzwerke funktionieren wird. Stoff für diese These lieferte jetzt gerade eine internationale Studie von Cisco, bei der 5.300 Konsumenten in 5 Ländern, darunter Deutschland, befragt wurden (Zusammenfassung hier, Studie hier). Aber das ist an anderer Stelle zu vertiefen.
PS
Sollte Facebook übrigens wirklich damit Ernst machen, dann sehe ich auch für die Aktie, die immer noch deutlich unter dem Emissionspreis notiert, deutliches Potenzial. Aber noch ist es nicht so weit.
Eine Sammlung mit verschiedensten Beiträgen zu neuen Entwicklungen im Banking gibt es auf den Seiten “Next Banking und Social Media” und “Zahlungsverkehr und Mobile Payment”
Hier noch einige Meldungen zu den angekündigten Änderungen
Netzwertig: Was das Ende von Credits bedeutet
Chip: Facebook Payment: Entwickler rechnen Bares ab
NYT: Facebook Shifts Its Approach to Payments
B4T: Why Facebook dropped Credits, and why FB is more important than ever (for Banks)
SFGate: Facebook says goodbye to Facebook Credits virtual cash
Gründer Szene: Das war zwar nicht der Gegenstand der Bekanntmachung, es wäre allerdings ein sehr logischer Schritt (6.5.12)
ZDNet: Facebook gibt virtuelle Währung Credits auf
American Banker: Facebook Upgrades Its Payment System
Kein Kommentar hinsichtlich Datenschutz? Also ich habe bis dato KEINE Lust Facebook nebst allen Infos die sie schon sammeln, auch noch meine Finanzen anzuvertrauen, zumal der Server sehr wahrscheinlich in der USA stehen wird (dann weiss auch gleich noch die US Regierung über sämtliche Transaktionen die ich tätige Bescheid)…
Hallo,
Wenn es nur nicht das verdammte Facebook wäre, zumal das Facebook Geschäftsmodell ja bisher nicht so richtig zukunfsträchtig wirkt.
MfG
Der electrouncle
agree agree agree
Banking könnte wirklich eine interessante Option für Facebook sein. Paypal hat ja vorgemacht, dass im Payment-Markt nicht nur große Banken mitspielen. Ich bin gespannt.
Danke für den Hinweis, hätte den Blogbeitrag glatt übersehen.
Mit Facebook Credits in der Offline-Welt zahlen war ja auch irgendwie „schepps“? 🙂
Der Umbau zu einem normalen Konto ist in der vollständig digitalisierten Bankenwelt daher ein logischer Schritt…
Grüße
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