Notheis und der Bärendienst für die Finanzbranche

by Dirk Elsner on 27. Juni 2012

Ich glaube der Fall Notheis und der Skandal um den EnBW-Deal mit der doppelten Einflussnahme (bei Verkäufer und Käufer) durch die Investmentbank Morgan Stanley ist hinreichend schon durch die Medien bekannt und wird sicher noch einige Zeit weiter kochen. Ich habe in der Zwischenzeit schon mit einigen Bankern darüber gesprochen. Viele ärgert, dass sich wieder einmal kein aktiver Vertreter der Finanzbranche selbst dazu äußert und auch Morgan Stanley offenbar nur halbherzig und unter großem öffentlichen Druck vorläufige Konsequenzen zieht.

Noch immer fällt es der Branche ausgesprochen schwer, Fehler einzugestehen, selbst wenn sie so offensichtlich zu sein scheinen. Gerade erst setzten sich die neuen Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen selbstkritisch in einem FAZ-Interview mit der eigenen Branche auseinander. “Dass der Abstand zwischen dem, was wir tun, und dem, was in der sogenannten Realwirtschaft geschieht, in den Augen vieler Menschen zu groß geworden ist, sehen wir natürlich.“ Selbst wenn man ihnen glauben will, dass sie einen Neuanfang auch für die eigene Branche versuchen wollen, so wird das stets durch solche Aktivitäten, wie nun durch Morgan Stanley empfindlich gestört. Darunter leiden vor allem auch sehr viele Mitarbeiter in Banken, die sich seit Jahren bemühen, der Branche wieder auf die Beine zu helfen.

Mitarbeiter aus der Finanzbranche selbst wollen oder dürfen sich nicht direkt äußern, einer der es aber für sie gemacht hat, ist Thorsten Hahn, der Chef des Banking Clubs. Im aktuellen Newsletter hat er über den “Bärendienst” geschrieben. Ich habe ihn gefragt, ob ich sein Editorial hier für diesen Blogeintrag übernehmen kann. Ich darf (Links habe ich ergänzt):

Bärendienst

Von Thorsten Hahn

Employer branding ist der modische Fachbegriff für den nicht leicht auszusprechenden deutschen begriff „Arbeitgebermarkenbildung“. Apropos nicht
leicht.

Unermüdlich stehen sich die Mitarbeiter der Personalmarketingabteilungen von Banken auf sogenannten Absolventenmessen die Füße in den Bauch. Wenn es nur der Fachkräftemangel wäre, der die Schuhe drücken lässt. Es fängt schon beim Nachwuchs an. Warum soll der junge Nachwuchs auch in einer Bank die eigene Karriere starten, wenn es so schillernde Berufe wie Medienberater/-in für visuelle Kommunikation oder Kaufmann/Kauffrau für Marketingkommunikation gibt. Doch es geht nicht nur um den Klang der Bezeichnung. Vor allem geht es um den Ruf des neuen Jobs, und um den Ruf eines Bankkaufmanns ist in diesen Zeiten nicht gut bestellt.

Da hilft es dem Vorstand einer Genossenschaftsbank auch nicht, wenn dessen Verbandsspitzen unaufhörlich propagieren, dass man im  Lager der Volks- und Raiffeisenbanken besser durch die Krise gekommen sei als der Rest. Geeignete Azubis fehlen dennoch. So könnte die eine oder andere Ausbildungsstelle in einer Bank in diesem Sommer unbesetzt bleiben. Dies liegt nicht nur an der schon seit Jahren beklagten Qualifikation der Bewerber. Es liegt zum Teil schlicht an der Anzahl der Bewerber.

Banker, wie der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis, leisten der Branche zudem einen Bärendienst. „Dreist, ungehobelt, schamlos“, bezeichnet Ludwig Poullain, den Investmentbanker Notheis in einem Beitrag im Handelsblatt, nachdem der Mailverkehr zwischen ihm und Stefan Mappus über den Verkauf der  ENBW öffentlich wurde. Poullain, Ex-Chef der WestLB, gilt mit seinen 92 Jahren als Grandseigneur der Branche. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Legendär ist seine Rede (Sittenverfall im Bankwesen) im Juni 2004, die er nicht halten durfte, dann aber kurz darauf in der FAZ erschien und so einem dramatisch größeren Kreis zugänglich wurde. Er sah den Sittenverfall also schon im Jahr 2004. Jahre vor der großen Krise.

Bleibt zu hoffen, dass das süffisante Lächeln hinter verschränkten Armen von „dreisten“ Investment-Bankern in Zukunft nicht mehr allzu oft die Titelseiten der  Wirtschaftspresse ziert, sonst werden die jungen Leute eher Weinküfer. Prost.

Zippo F Juni 27, 2012 um 08:49 Uhr

Notheis und Mappus leiden beide unter dem üblichen Phänomen in solchen Kreisen: Ganz krasse Selbstüberschätzung und der Glaube, alles unter Kontrolle zu haben. Es ist wichtig, dass solche Dinge offen gelegt werden.
Nicht richtig ist, dass damit Banker pauschal verurteilt werden. Schwarze Schafe gibt es in allen Bereichen: Politik, Medien, Realwirtschaft und Privates.

Von der her möchte ich hier einmal ein ganz großes Lob für diesen Blog loswerden, der die Finanzwelt zwar kritisch begleitet, jedoch kein Bashing betreibt und meist darauf aus, sogar konkrete Vorschläge zur Verbesserung zu machen . Ich denke, viele Banken könnten sich ein Stück von der hier vertretenen Philosophie zu Herzen nehmen.

FDominicus Juni 27, 2012 um 08:36 Uhr

Mir egal wer Herrn Mappus beraten hat. Tatsache ist doch Herr Mappus hatte überhaupt kein Recht so vorzugehen. Warum fordert niemand Konsequenzen für Herrn Mappus? Das Geschäft zeigt doch nur eins im Übermaß, von Wirtschaft verstehen Politiker überhaupt nichts. Und das schlimmste ist jede Entscheidung kostet UNSER Geld. Also ich wollte die ENBW mit 4.7 Mrd. sicherlich nicht haben.

Es war mit keinem Recht vereinbar was dort abgegangen ist. Das da ein Banker nur seine Finger im Spiel hat ist nur das „Sahnehäubchen“.

Q Juni 27, 2012 um 07:59 Uhr

Entschuldigung, das waren doch ganz normale Mails die die beiden Herren sich geschrieben haben. Das nennt man auch gutes Verhältnis, ich wäre froh wenn ich zu jedem meiner Kunden/Partner so ein Verhältnis hätte.

Es gibt gerechtfertigte Kritik an Banken, Automobilkonzernen, etc. das Problem ist amS zweischneidig: das Auftreten/Selbstverständnis der Banken ist nicht zeitgemäß (Berater statt Verkäufer, ein unglaublich schlechter Umgang mit Kunden) und keiner versteht was Banken tun.

Am letzten Punkt „Unverständnis“ sind amS auch die Medien „schuld“ – anstatt zu erklären und zu hinterfragen wird gehetzt.. auch bei politischen Entscheidungen/Diskussionen. Gut, daß es einschlägige Blogs gibt, die eine andere Sichtweise/Hintergründe darstellen.

Dietmar Juni 27, 2012 um 08:44 Uhr

Ich glaube auch, dass das ganz normale Mails waren, die sich die beiden Herren da geschrieben haben. Das ist ja gerade das Erschreckende. An dem Fall Notheis und Mappus ist nur ausnahmsweise einmal deutlich geworden, was sowieso in Gesprächsthemen üblich ist zwischen Banken, Unternehmen und Politikern. Normalerweise erfahren wir das gar nicht.
Aber in diesen Zeiten kann sich niemand mehr sicher sein, dass Moral Hazard zu Lasten Dritter nicht doch irgendwann ans Licht kommt. Deswegen wäre es klug, über eine andere Philosophie nachzudenken.

Über eine Schuld der Medien in diesem Zusammenhang zu sprechen, ist ja ein Spruch aus er 80ern. Das meinen Sie doch nicht wirklich ernst oder?

Q Juni 27, 2012 um 10:02 Uhr

@Dietmar: wo Menschen sind menschelts halt – ich reiß blöde Witze mit meinen Freunden, Kunden, Partnern.. und wenn man oft genug miteinandern gesoffen hat ist das halt so. Finde ich prinzipiell nicht schlimm – außer es gibt nachweislich massiven Betrug. Ein bißerl eigenen Vorteil muß man den Leuten auch zugestehen sonst geht gar nix vorwärts.. (Sales-Mitarbeiter sind ja auch monetär incentiviert obwohl auch so klar ist daß sie verkaufen sollen).

Natürlich können die Medien nix dafür wenn ENBW ge/verkauft wird, für die tendentiöse Berichterstattung die nur hetzt und nicht aufklärt schon.

Nixda Juni 27, 2012 um 07:48 Uhr

Ja, eine Herde von Unschuldslämmern und einigen, wenige schwarzen Schafen. Das sind die Banker.

Wie sagte neulich Jürgen Schneider sinngemäß im Fernsehen im Rückblick auf die Peanuts-Geschichte mit der Deutschen Bank? Er wäre schon dreist gewesen, als versuchte, die Banken über den Tisch zu ziehen. Normalerweise wären ja die Banken Profis darin, die ihre Kunden den Tisch ziehen.

Thorsten Hahn Juni 27, 2012 um 06:45 Uhr

Ja, darf ich wirklich? Und warum dürfen die anderen es nicht tun?

Ich bin immer wieder hin und hergerissen, denke oft, dass ich einen schmalen Grad gehe, wenn ich die Zockerei von Morgan Staney verfluche und die Nummer mit der EnBW und deren Beteiligten an den Pranger stelle.

Clubbetreiber 🙂 hin oder her, ich bin immer noch Banker und arbeite beinahe ausschließlich innerhalb der Bankbranche. Da bleibt immer die Angst als Netzbeschmutzer hingestellt zu werden.

Fakt ist aber, dass unsere Branche gerade über diese Themen kaum eine Stimme hat. Vor allem keine differenzierte Stimme. Es gibt auch Banker, die ziehen einfach alle Kollegen durch den Kakao, für mich zu kurz gegriffen.

Hier in unserer Branche machen sehr viele von uns einen guten und engagierten Job. Es sind zwar nicht wenige, aber es ist nicht die Masse, die diese Arbeit immer wieder zunichte macht.

Comments on this entry are closed.

{ 2 trackbacks }

Previous post:

Next post: