Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsrisiko: 0 Risiko für Staatsanleihen bei Finanzmarktregulierung

by Dirk Elsner on 8. November 2012

Das Thema  scheint der Politik wirklich unangenehm zu sein, es gehört aber auf den Tisch, wenn man über Sinn und Unsinn von Finanzmarktregulierung und insbesondere Basel III spricht. Zur Erinnerung: Mit der Umsetzung von Basel III sollen 5 Jahre nach Beginn der Finanzkrise die Finanzmärkte angeblich sicherer gemacht werden. Ich  äußere daran hier schon seit Jahren erhebliche Zweifel. Ein zentraler (aber längst nicht alleiniger) Grund für diese Zweifel liegt in der Bevorzugung von Staatsanleihen bzw. darin, dass die Risiken aus von Banken gehaltenen Staatsanleihen ignoriert werden.

Die EU, die derzeit am stärksten von der Finanzkrise durchgeschüttelt wird, hat gerade erst Anfang Oktober eine Ohrfeige (Handelsblatt) vom Baseler Ausschuss erhalten für die mangelhafte Umsetzung der als weltweite Empfehlung gedachten Standards. Der Ausschuss hebt dabei in seinem Fortschrittsbericht den Umgang mit den Ratings der Euro-Staaten hervor. Staatsanleihen werden nach der europäischen Umsetzung (CRD IV) weiterhin als risikolos eingestuft, obwohl sie teilweise auf „Ramsch“-Status herabgestuft wurden (siehe Bericht im Handelsblatt).

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat diese Ausnahmeregelung kürzlich in seinem Wochenbericht (42/2012) ebenfalls aufs Korn genommen und schreibt in der Zusammenfassung:

“Die Kreditrisiken von Staaten und ihren heimischen Bankensektoren sind eng miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig. Die wechselseitigen Ansteckungseffekte werden durch die Neigung der Banken verschärft, überwiegend in Staatsanleihen des Heimatlandes zu investieren. … “Staatsanleihen sind keine risikolosen Anlagen. Die künftige EU-Bankenregulierung sollte Schluss machen mit ihrer systematischen Verharmlosung“, sagt DIW-Experte Sören Radde, der die Studie zusammen mit Johannes Pockrandt, Referent im Europäischen Parlament, verfasst hat.”

Die Europapolitiker reden ständig davon, dass sie das Finanzsystem sicherer machen wollen, lassen aber ausgerechnet die größten Risiken in den Bankbilanzen unberücksichtigt. Natürlich stecken die Politiker dabei in einem Dilemma. Würden sie die Staatsanleihen, wie jede andere Anlageform behandeln, benötigten die Banken deutlich mehr Eigenkapital, was derzeit nur schwer zu beschaffen ist. Oder die Banken würden sich massiv von Staatsanleihen trennen, was die Schuldenkrise erneut erheblich verschärfen würde.

Nur derzeit zwängt man die Banken unter immensen Kosten in ein regulatorisches Konzept, das schon mit Basel II kontraproduktiv war.

Hintergrund Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsrisiko

 

Im DIW Wochenbericht (S. 4) beschreibt das Forschungsinstitut im Detail den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsrisiko:

“ Der Fall Griechenlands vergegenwärtigt, dass Banken als wichtige Investoren in Staatsanleihen von einem Ausfall von Staatsschulden durch direkte Verluste betroffen sind. Lange bevor es zu einem tatsächlichen Ausfall kommt, schlagen Schwierigkeiten bei der Refinanzierung von Staaten allerdings bereits auf die Refinanzierungsbedingungen des heimischen Bankensektors durch.

Banken nutzen langfristig laufende Staatsanleihen insbesondere als Besicherung für kurzfristige Kredite, mit denen Sie ihren Liquiditätsbedarf decken. Befürchten Investoren und Ratinggenturen, dass Staaten ihre Schulden zukünftig nicht vollständig begleichen können, fällt das Kredit-Rating von Staatsanleihen. Damit sinkt ebenfalls der Besicherungswert von Staatsanleihen um einen sogenannten haircut. Haircuts werden auch bei der Kreditvergabe durch die Europäische Zentralbank an Geschäftsbanken im Rahmen der kurzfristigen Main Refinancing Operations (MRO) sowie der längerfristigen Longterm Refinancing Operations (LTRO) erhoben.

Ein schlechteres Rating von Staatsanleihen schmälert daher das Volumen besicherter Kredite und
verschlechtert auf diese Weise die kurzfristigen Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken. So steigt das Risiko aus der Fristentransformation schlagartig. Darüber hinaus kann eine Herabstufung des Ratings eines Staates ebenfalls eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit heimischer Banken nach sich ziehen. Denn einerseits büßen etwa staatliche Garantien für einzelne Institute oder bestimmte Verbindlichkeiten des Bankensektors an Wert ein. Andererseits weckt eine Rating-Herabstufung auch Zweifel an der Fähigkeit eines Staates, systemische Finanzinstitute bei drohender Insolvenz zu retten. Damit entfällt eine implizite Bail-out-Garantie für diese Institute. Beide Effekte erhöhen die Refinanzierungskosten bei unbesicherten Krediten. Schließlich bergen Staatsschuldenkrisen erhebliche konjunkturelle Risiken, die den Bankensektor ebenfalls belasten. So können etwa steigende Inflationserwartungen aufgrund monetärer Staatsfinanzierung, der Rückgang
staatlicher Nachfrage und Investitionen oder Steuererhöhungen zur Haushaltskonsolidierung die Konjunktur dämpfen und damit die Kreditnachfrage reduzieren.

Umgekehrt erhöht sich bei Problemen im Bankensektor auch das Kreditausfallrisiko, und damit steigen die Finanzierungskosten des Heimatstaates. Indirekt wird die Kreditwürdigkeit eines Staates geschwächt, wenn aufgrund von außerordentlichen Belastungen im Bankensektor das Kreditangebot sinkt. Eine Kreditverknappung dämpft insbesondere die Investitionstätigkeit und
hat damit negative Wachstumseffekte, die ihrerseits die Steuereinnahmen reduzieren. Andererseits veranlasst die Angst vor einem Kollaps der Kreditversorgung Staaten auch dazu, ihre heimischen Banken durch Garantien, Ankäufe verlustträchtiger Assets oder Kapitalspritzen direkt zu stützen. Wie das Beispiel Irlands demonstriert, kann die damit einhergehende Belastung zu einer Finanzierungskrise des Staates selbst führen, die ihrerseits durch die beschriebenen Kanäle die Refinanzierungskosten des Finanzsektors erhöht.

Diese wechselseitige Spirale der Kreditrisiken von Banken und Staaten spiegelt sich am Markt für Kreditausfallversicherungen, den sogenannten Credit Default Swaps (CDS), wider. In der Eurozone korrelieren die Prämien von Kreditausfallversicherungen für 5-jährige Anleihen von Banken und denen ihrer jeweiligen Heimatstaaten stark positiv. Dabei fällt auf, dass dieser Zusammenhang unabhängig vom Kredit-Rating der Staaten ist – er besteht gleichermaßen in den von der Schuldenkrise besonders betroffenen Staaten in der Peripherie der Eurozone (Spanien, Italien, Portugal, Griechenland), als auch in den mit hohem Rating ausgezeichneten Kernländern (Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich). Obwohl sich die Niveaus der Ausfallrisiken dieser beiden Ländergruppen – und damit auch ihrer Bankensektoren – entkoppelt haben, stellen Staatsanleihen generell keine sichere Anlageklasse ohne Kreditrisiko dar.

Der unheilvolle Zusammenhang von Banken- und Staatsschuldenkrisen ließe sich entschärfen, wenn Banken ihre Staatsanleiheportfolios regional diversifizierten. Tatsächlich investieren Banken jedoch zum überwiegenden Teil in die Staatsanleihen ihres Heimatstaates und verstärken damit die Interdependenz zwischen Staats- und Bankenrisiko über die oben beschriebenen Kanäle.”

Justin Miller Dezember 7, 2012 um 15:18 Uhr

Ein Problem der staatlichen Bankenrettung besteht darin, dass das Management der geretteten Banken weiterhin unabhängig und teilweise selbstherrlich agiert. Im Fall der Anglo Irish Bank, heute IBRC, zeigt sich dies im Kontext der jüngsten Versuche, an die Vermögenswerte der Quinn-Familie in Russland und der Ukraine heranzukommen.

Dabei wurde offensichtlich nicht nach der besten Option für die Bank gesucht, sondern einfach ein Vertrag mit der A1, Tochter der russischen Alfa Bank, abgeschlossen, ohne andere Alternativen zu prüfen.

Gesprächsangebote des ehemaligen Schweizer Botschafters in Deutschland, Dr. Thomas Borer wurden hingegen ignoriert. Borer agierte dabei im Auftrag eines Schweizer Investors, der über große Erfahrung bei der Restrukturierung von Assets verfügt und Interesse an den Quinn-Assets in Russland und der Ukraine hat. Borer wurde von Repräsentanten der Bank suggeriert, dass Gespräche zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll wären. Doch nach weiteren Versuchen, einen Dialog zur IBRC aufzubauen, erfuhr er erst aus den Zeitungen, dass ein Vertrag mit A1 geschlossen wurde.

Beachtenswert ist diese Entwicklung insofern, dass die Anglo Irish Bank (2011 gemeinsam mit der National Building Society zur IBRC verschmolzen) im Jahre 2010 mit über € 30 Mrd. vom irischen Staat gerettet werden mußte; dabei sind auch EU-Mittel geflossen. Die Entscheidung der IBRC zur Zusammenarbeit mit A1, ohne ernsthafte Prüfung anderer Alternativen mutet seltsam an und wirft die Frage auf, ob es tatsächlich um die wirtschaftlich beste Entscheidung ging, oder ob bei der Entscheidung andere, vielleicht sogar persönliche Interessen ausschlaggebend waren. Das Vorgehen der IBRC im Zusammenhang mit dem Zugriff auf die Assets der Quinn Familie in Russland und der Ukraine hat jedenfalls nichts mit einem geordneten und transparenten Prozess gemein, den man von einer, durch Steuergeld gestützten Bank erwarten muss.

Interessanter Artikel zum Thema: http://www.irishtimes.com/newspaper/finance/2012/1116/1224326665834.html

Martin Burch Dezember 7, 2012 um 16:31 Uhr

Ja auf Alt Botschafter Borer’s Meinung sollte man schon hören. Das musste selbst die Schweizer Regierung schon ein paar mal erfahren (jetzt im Zusammenhang mit Finanzplatz Schweiz und deren Probleme mit der USA). Ich habe sehr grossen Respekt vor diesem Mann!

Martin Burch November 22, 2012 um 16:59 Uhr

Hmm ist ja interessant und mag Basel III auch für die Katz oder sonst wer sein, aber was ich nicht verstehe ist, wieso die Banken nicht von sich aus und unabhängig von Regulierungen die Risiken von Staatsanleihen und deren Diversifizierung überprüfen. Sollte ja eigentlich im eigenen Interesse der Bank sein???

Makrointelligenz November 8, 2012 um 19:07 Uhr

Der „home bias“ macht natürlich aus der Sicht der Bankeigentümer Sinn, weil damit die Systemrelevanz erhöht wird und einer höherer erwarteter Verlust beim Staat oder in diesem Fall der Staatengemeinschaft abgeladen werden kann.
Andererseits kann es natürlich bei entsprechender Konkurrenz der Banken auch dazu kommen, dass das Pendel wieder umschlägt und die Banken zu so niedrigen Zinsen Geld an die Staaten verleihen, dass sie von der impliziten Staatshaftung garnicht mehr profitieren. Haben wir also solche Clusterrisiken in Krisenstaaten der Eurozone und eine gemeinsame Bankenhaftung sichert die Banken, so werden ultimativ die überschuldeten Staaten auch erheblich profitieren.

FDominicus November 8, 2012 um 12:19 Uhr

Die Symbiose Staat, Zentralbank Banken ist das Problem. Und solange das nicht wirklich ein Schnitt erfolgt werden dich die Problem der jeweiligen Akteure immer aufschaukeln. Das größte Problem der Banken ist m.E. Ihre Geldschöpfungpotential, solange es dabei bleibt wird es immer „Kredittürme“ geben. Die Banken werden immer mehr als reichlich gehebelt sein und jedes mal wenn jemand verschnupft ist, sind die Banken bald Pleite.

Es ist auch klar die Gesetze der Staaten sind nicht für die Guthabenhalter der Banken ausgerichtet sondern auf den Nutzen möglichst viele Anleihen von Staaten unter die Leute zu bringen. Auch das wird die Krisen immer wieder verschärfen.

Und Zentralbanken als „letzter Verleiher “ und „Hüter“ des Papierzwangszahlungsmittels sind aberwitzige Monopole. Ohne Geld als Wert werden die Zentralbanken immer und jederzeit den Politikern gefällig sein.

Makrointelligenz November 8, 2012 um 19:13 Uhr

Zum Thema Zentralbanken bin in meinem Blog mal der Frage nachgegangen, wie viel denn das Geldschöpfungsmonopol in ihrem Eigentum eigentlich wert ist. Könnte sie vielleicht auch interessieren:
http://makrointelligenz.blogspot.de/2012/11/wie-viel-ist-die-zentralbank-wirklich.html

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