Wenn das richtig ist, was gestern die FAZ meldete, dann stimmt mich das wehmütig:
Gruner + Jahr stellt „Financial Times Deutschland“ ein
Ja, die Gerüchte brodelten schon lange und die Nachricht überraschte trotz der weiter auf der Webseite der FTD stehenden Durchhalteparolen des Chefredakteurs nicht wirklich.
Aber auch das Eintreffen einer erwarteten (allerdings noch nicht bestätigten) Botschaft darf Anlass zum Innehalten sein. Die betriebswirtschaftliche und medienpolitische Analyse überlasse ich den Fachleuten aus der Branche. Ich schaue als an guten Wirtschaftsnachrichten interessierter Medienkonsument und Blogger auf das Sterben einer etablierten Marke.
Und ich finde das schade, auch wenn ich zuletzt nur Gelegenheitskäufer und Leser der Bord- oder Zugexemplare war und das Konkurrenzblatt aus Düsseldorf im Abo habe. Ich weiß nicht, ob man sich dort freut über das Aus. Die Konkurrenz durch die FTD hat aber dem Handelsblatt sichtbar gut getan, weil es in seit damals frischer geworden ist und den Tantenmodus abgelegt hat.
In meinem Büro liegt noch in der Originalverpackung die Erstausgabe der FTD, die ich nun für das Foto aus der Verpackung geholt habe. Damals im Jahre 2000 hatte mich Wolfgang Büchner einmal mit in die Redaktionsräume am Hamburger Hafen mitgenommen. Aber die euphorische Gründungsstimmung, die man dort spürte, ist längst verflogen. Wirtschaftsnachrichten verkaufen sich schlecht im Wirtschaftswunderland Deutschland.
Und obwohl der Markengeber, die britische Financial Times (FT), so erfolgreich mit online und Paid Content arbeitet, hat der deutsche Ableger irgendwann aufgehört, sich am ehemaliger Anteilseigner zu orientieren. Gruner + Jahr übernahm 2008 vom FT-Eigner Pearson Publishing Group die Anteile. Rückwirkend scheint es so zu sein, dass man sich auch online seit dem nicht weiter entwickelt hat. Man hat geglaubt, mit einem optischen Relaunch der Webseite und einem umständlichen Bezahlverfahren könne man zusätzliche Einnahmen generieren. Die Strategie ist nicht aufgegangen.
Leider hat die FTD es nicht geschafft, die Tiefe und Breite ihrer früheren Mutter zu erreichen. Dabei war das Potenzial dort vorhanden, wenn ich etwa an die erstklassigen Beiträge von André Kühnlenz und die Debatte mit ihm zur Geldpolitik der EZB und den Gigatendern Anfang des Jahres zurück denke. Leider hat sie dieses analytische Potenzial nur in den eigenen gut versteckten Blogs ausgespielt und zu selten in die Printausgabe gelassen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Wirtschaftspresse in Deutschland zu oft am Bedarf vorbei schreibt und hatte das bereits vor einigen Wochen hier skizziert. Horst von Buttlar schrieb einmal in einer FTD-Kolumne über das Versagen der Wirtschaftselite: “Es gibt Tage, da möchte man schreien: Wo ist hier eine coole Sau, die mich begeistert?” Das lässt sich 1:1 auf die Wirtschaftsmedien übertragen. FT, Wall Street Journal, dem Dealbook der New York Times, Business Insider oder Zero Hedge gelingt doch auch Begeisterung für Wirtschaftsthemen zu wecken. Warum gelingt das nicht in einer solchen Form in Deutschland?
Ich hoffe, dass die FTD es vielleicht doch noch irgendwie schafft und sich jemand für ein neues Konzept begeistert. Dazu gehört freilich Mut, Freude am Experiment und sicher auch notwendiges Kleingeld. Aber die Marke Financial Times ist es wert.
Nachtrag 1
Unbedingt empfehlenswert ist die Analyse von Meedia: Der Wirtschaftsjournalismus muss leben: Kaum ein Thema steht derzeit so im Fokus der Medien wie die Wirtschafts- und Finanzkrise – und doch sieht die Zukunft der Wirtschafts-Tageszeitung düster aus. Warum? Weil Wirtschaft überall Thema ist und auch die Generalisten-Tageszeitungen umfassend informieren. Weil relevante Unternehmens- und Börsendaten im Internet zu finden sind und die Rolle der Welterklärer die Wochenzeitschriften übernommen haben. Und weil die Unternehmen ihre Werbebudgets für Printmedien radikal kürzen.
Nachtrag 2
Da sind mir aktuelle Sachstandsbeschreibungen, wie auf SZ.de lieber: Krise bei der Financial Times Deutschland
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