Kann die Erfolgsgeschichte bei Apple weitergehen?

by Karl-Heinz Thielmann on 29. November 2012

Gastbeitrag von Karl-Heinz Thielmann*

Eine der spektakulärsten Börsenstorys der letzten Jahre war der der Aufstieg von Apple zum nach Marktkapitalisierung wertvollsten Unternehmen der Welt. Mit einem Börsenwert von derzeit ca. 525 Mrd. US$ ist Apple damit ca. 30% mehr Wert als das nächstgrößere Unternehmen, der Erdölgigant Exxon (ca. 400 Mrd. US$), und ungefähr soviel wie der gesamte schwedische Aktien­markt (ca. 510 Mrd. US$).

Als vor einigen Wochen die Verkaufserlöse des neuen Mini-iPad zwar gut waren, aber nicht einen mit früheren Produkteinführungen vergleichbaren Hype auslösen konnten, wurden Befürchtungen über ein Ende der Erfolgsgeschichte bei Apple laut. Der Aktienkurs brach stark ein. Schon in diesem Frühjahr hatten sich nach Überschreiten der 500 Mrd. US$-Marke bei der Marktkapitalisierung viele skeptische Stimmen gemeldet. Sie verwiesen auf Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen auf eine ähnlich spektakuläre Kursentwick­lung wie bei der Apple-Aktie eine über mehrere Jahre dauernde Abwärtsbewegung gefolgt war. Insbesondere für Technologieunterneh­men wie Microsoft, Intel oder Cisco bedeutete das Übertreffen von 500 Mrd. US$ bei der Marktkapitalisierung einen Wendepunkt in ihrer Entwicklung. Obwohl sie eine dominante Marktposition verteidigen konnten, waren sie aber nicht mehr in der Lage, die Wachstumserwartungen des Marktes zu erfül­len und büßten erheblich an Wert ein.

Doch ist die Wertentwicklung bei Apple wirklich mit der bei den anderen US-Technologieunternehmen vergleich­bar?

Intel war zum Kurshöhepunkt mit dem 40fachen der Gewinne des laufenden Geschäftsjahrs bewertet, Microsoft mit dem 65fachen und Cisco mit dem 200fachen. Apple ist auf der Basis von Konsensusschätzungen derzeit mit dem ca. 11fachen des für das lau­fende Geschäftsjahr erwarteten Gewinns bewertet, also deutlich niedriger. Aufgrund der extrem hohen Bewer­tung waren die anderen Technologieunternehmen auch sehr anfällig für eine Korrektur der Wachstumserwar­tun­gen nach dem Ende des Technologiebooms im Jahr 2000. Diese Gefahr besteht bei Apple nicht, im Gegenteil erscheint die Bewertung relativ günstig und reflektiert die Skepsis vieler Investoren, dass Apple seine Profitabili­tät halten kann.

Aber auch Parallelen zu Unternehmen wie Sony und Nokia wurde gezogen, die ähnlich wie Apple mit innovativen und gut gestalteten Produkten für Konsumenten lange ihr Marktsegment (Unterhaltungselektronik bzw. Mobiltelefone) dominiert haben. Die zeitweise Dominanz dieser Firmen wurde aber durch zunehmenden Wettbe­werb sowie durch neue Technologien wie MP3-Spieler oder Smartphones gebrochen. Beide Unterneh­men sind heute in einer existenzbedrohenden Krise, weil sie inzwischen den Anschluss an die Konkurrenz verlo­ren haben.

Ist Apple tatsächlich ähnlichen Gefahren wir Nokia oder Sony ausgesetzt?

Die Produktstrategie von Apple ist nicht nur darauf ausgerichtet, dem Kunden bestimmte Produkte oder eine bestimmte Technologie zu verkaufen. Es geht vielmehr darum, beim Kunden einen „digitalen Mittelpunkt“ („digital hub“) von Apple zu etablieren, mit dem verschiedene andere Produkte und Dienstleistun­gen verknüpft werden. So kann z. B. ein Computerprodukt wie der Apple Macintosh als der digitale Mittelpunkt für andere Geräte wie dem iPod, dem iPad oder anderen elektronische Geräte wie Telefone oder Kameras fungieren. Darüber hinaus sind die Geräte mit externen Angeboten von Apple wie Apps oder iTunes verbunden. In Zukunft soll vor allem der Internetspeicherdienst iCloud als ein digitaler Mittelpunkt etabliert werden.

Auf diese Weise unterscheidet sich Apple gravierend von anderen Herstellern dauerhafter Konsumgüter wie Nokia und Sony, weil es gelingt, über den Produktkauf hinaus eine dauerhafte Kundenbeziehung zu etablieren. Apple ist auch nicht von einer bestimmten Technologie abhängig. Allerdings wird es bei dem Erscheinen einer neuen Technologie für Apple darauf ankommen, diese funktional in das eigene System zu integrieren.

Zentral für den Erfolg von Apple ist aber vor allem, dass durch den Gebrauch von Apple Produkten eine bestimmte Erfahrung vermittelt wird: Die Geräte sind immer sehr innovativ, aber gleichzeitig zuverlässig und sehr benutzerfreundlich. Das Design ist ansprechend und vermittelt den Eindruck von Hochwertigkeit. Über Schnittstellen sind Apple-Geräte leicht miteinander zu kombinieren und vermitteln ein ähnliches Gebrauchserleb­nis.

Hinzu kommt eine Marken-Strategie, die beim Kunden die Emotionen an­spricht. Mit der Marke Apple wird ein bestimmter Lebensstil verbunden. Werte wie Kreativität, Freiheit, Fortschritt, Leidenschaft sowie Mut zur Verwirkli­chung von Hoffnungen, Träumen und Sehnsüchten werden vermittelt. Apple steht als Marke für eine Vereinfachung des Lebens von Menschen, weil die Komplexität von Technologie für den Anwender deutlich reduziert wird.

Apple hat es also geschafft, sich eine einzigartige Marktposition aufzubauen. Damit aus den durch die Produkte generierten Wettbewerbsvorteilen auch ein überragender wirtschaftlicher Erfolg wurde, waren vor allem zwei Faktoren notwendig:

– Konsequente Ausnutzung der Wettbewerbsvorteile: Verleger, die Zeitungen über Apps anbieten oder Medien­konzerne, die Musikaufnahmen über iTunes verkaufen wollen, müssen ähnlich wie Zulieferer und Ver­triebspartner hinnehmen, dass Apple ihnen die Bedingungen diktiert. Darüber hinaus werden rechtliche Mittel wie z. B. Patentklagen aggressiv eingesetzt, um Wettbewerbern den Marktzugang zu erschwe­ren.

– Fokus auf Kernkompetenzen: Apple hat sich auf das Design und Marketing seiner Produkte konzentriert. Die Produktion wurde weitestgehend outgesourct und damit Risiken aus einer hohen Kapitalbindung vermie­den.

Doch kann Apple die bisherige Position halten oder sogar ausbauen? Entscheidend für die weitere Entwicklung werden folgende Faktoren sein:

– Abhängigkeit von neuen Produkten: Apple hat in den vergangenen Jahren in regelmäßigen Abständen neuartige Produkte eingeführt, die jeweils einen kräftigen Absatzschub ausgelöst haben. Hierbei wurden aber nie vollständig neue Technologien eingeführt, sondern bestehende Technologien so in Produkte integriert, dass sie ihren Nutzern ganz neue Möglichkeiten eröffneten. Es erscheint durchaus vorstellbar, dass Apple dies auch bei weiteren Anwendungen – wie z. B. dem Fernsehen – schafft. Dabei ist es gar nicht notwen­dig, einen Erfolg in den Dimensionen zu wiederholen, wie er bei dem iPhone oder dem iPad gegeben war. Jedes neue Produkt erweitert durch die Interkonnektivität die kommerziellen Möglichkeiten für alle Apple Angebote. Wichtig ist, das Image permanenter Innovation, das zentral für die mit der Marke verbundenen Emotionen verbunden ist, aufrechtzuerhalten.

– Wettbewerbsintensität: Apple hat es in den vergangenen Jahren verstanden, sich dem selbstzerstörerischen Preiswettbewerb der Konsumgüter- und Computer­branche weitestgehend zu entziehen. Inzwischen versuchen viele Unter­nehmen Apple zu imitieren und ihre Angebote als Lifestyle-Produkte zu ver­markten. Vor allem Samsung hat sich als ernsthaftester Wettbewer­ber eta­bliert. Technisch gesehen stellt der Koreanische Mischkon­zern inzwischen auch vergleichbar gute Produkte her, kann aber mit seiner Marke bisher nicht die glei­chen Emotionen ansprechen und hat auch kein integrier­tes Gesamtkon­zept, um seine Wettbewerbsvorteile so wie Apple nut­zen zu können.

– Neue Geschäftsfelder: Apple könnte die Stärke der eigenen Marke auch dazu nutzen, um Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, die über Computer und Unterhaltungselektronik hinausgehen. Dies ist aber mit erheblichen Risiken verbunden, weil der Markenwert hierdurch verwässert werden kann. Bisher gibt es keine Indikationen, dass das Management einen solchen Schritt wagen würde, auch wenn in der Presse zu­letzt stark über den Einstieg von Apple in das Segment der Finanzdienstleistungen spekuliert wurde.

– Erweiterung der Kundenbasis: Von wenigen Ausnahmen abgesehen spricht Apple im Moment vor allem Privatkunden an, während Geschäftskunden nach wie vor andere Systeme vorziehen. Dies hat sehr stark da­mit zu tun, dass in diesem Segment Emotionen und Design weniger wichtig sind und dafür Kostenüberlegun­gen eine große Rolle spielen. Dennoch erfreut sich gerade das iPad steigender Beliebtheit für professionelle Anwendungen und könnte die Ausgangsbasis für eine Erschließung dieses Segments darstel­len.

– Internationalisierung: Einen wesentlichen Beitrag zum hohen Wachstum von Apple hat die zunehmende Globalisierung der Umsätze geführt. Wurden 2007 noch 60% aller Umsätze in den USA erzielt, ist der Anteil des Heimatmarktes auf 2011 auf 39% gesunken und wird weiter abnehmen.

– Aktienrückkäufe: Apple hat derzeit Liquidität in Höhe von ca. 10 Mrd. US$ und hält Wertpapiere im Umfang von ca. 100 Mrd. US$. Angesichts des enormen freien Cashflows kommen täglich ca. 150 Mio. US$ hinzu. Die angekündigte Dividendenzahlung wird das Wachstum der Liquidität nicht abschöpfen. Aktienrück­käufe könnten insbesondere dann für das Management interessant werden, wenn sich die opera­tive Dynamik abschwächt.

– Erfolgsmanagement: Ein grundsätzliches Problem aller erfolgreichen Menschen oder Organisationen ist, dass sie auf die Dauer selbstgefällig und träge werden. Der unlängst gestorbene Firmengründer Stephen Jobs hat einen sehr direkten und entscheidungsfreudigen Managementstil gepflegt und auf flache Hierarchien geachtet. Es bleibt abzuwarten, ob seine Nachfolger ähnlich agieren oder der Verführung erliegen, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. Möglicherweise hilft Apple sogar, dass mit Samsung ein ernst zu nehmender Wettbewerber herangewachsen ist und Management und Mitarbeitern ständig vor Augen führt, dass man sich keine Fehler leisten kann. Die relative Bescheidenheit von Steve Jobs, der sich selbst nur ein Jahresgehalt bestehend aus US$ 1 sowie langlaufenden Aktienoptionen zahlte, ist jedenfalls vorbei. Nachfolger Tim Cook gönnte sich als Jahresgehalt 2011 ein Vergütungspaket im Wert von US$ 378 Mio. Von diesem Betrag wurden zwar US$ 376 in Aktien mit Mindesthaltefristen zwischen 5 und 10 Jahren gezahlt, trotzdem sprengt diese Bezahlung den Rahmen bisher üblicher Managementvergütungen.

– Glaubwürdigkeit der Marke. Die von der Marke Apple vermittelten Werte stehen offensichtlich im Widerspruch zu einigen Geschäftspraktiken des Konzerns. So wird in Verhandlungen die dominante Marktmacht aggressiv ausgenutzt; Missstände bei den Arbeitsbedingungen von Zulieferern wurden bisher nur oberfläch­lich verfolgt. Bei Rankings zur Nachhaltigkeit und ethischem Unternehmensverhalten ist Apple – wenn überhaupt – oftmals nur mit schlechten Werten verzeichnet. Hier besteht dringender Handlungsbe­darf. Das neue Management unter Tim Cook scheint das Problem erkannt zu haben, ob es hier aber wirk­lich ernsthafte Änderungen vornehmen wird oder sich vor allem auf PR-Aktionen zum „Greenwas­hing“ von Apple beschränkt, bleibt abzuwarten.

Grundsätzlich kann daher die Erfolgsgeschichte von Apple weitergehen, auch wenn sich das Wachstum mittelfristig sehr wahrscheinlich abflachen wird, da die Wiederholung eines Erfolges wie des iPad unwahrscheinlich erscheint. Die hervorragende Marktposition erlaubt aber die Generierung eines enormen freien Cashflows, wie es für ein Unternehmen in der Größenordnung Apples bisher noch nicht vorstellbar war. Selbst wenn Apple das gegenwärtige Niveau bei der Schaffung von freiem Cashflow nur beibehalten kann, wäre das Unternehmen nach gängigen Discounted Cashflow-Bewer­tungsmodellen massiv unterbewertet.

Langfristiger Hauptrisikofaktor ist derzeit vor allem, dass Apple an sich selbst scheitert. Insbesondere die Zunahme von Rechtsstreitigkeiten von Apple mit Konkurrenten in den vergangenen Monaten sowie an die Öffentlich­keit kommende Berichte über exzessive Vergütungsprogramme für Führungskräfte können als Warnsi­gnal dafür gesehen werden, dass sich der Fokus des Managements in eine ungute Richtung verschiebt.


Dieser Beitrag ist eine für das Blick Log aktualisierte Fassung einer Analyse, die am 2-8- erschienen ist in: Mit ruhiger Hand, 1.06.2012

* Kurzporträt des Autors

Die Analyse wurde verfasst von Karl-Heinz Thielmann. Er ist seit 12 Jahren unabhängiger Berater für Unternehmen, Vermögensverwaltungen und Privatpersonen in Kapitalmarktfragen. Darüber hi­naus ist er Dozent für globale Volkswirtschaftslehre an der Karlshochschule International University in Karlsruhe. Davor war er 4 Jahre als Analyst für europäische Aktienmärkte beim Dresdner Bank Investment Research sowie 7 Jahre als Fondsmanager beim Deutschen Investment Trust DIT (heute: Allianz Global Investors) tätig.

Während seiner Zeit als Fondsmanager beim DIT hat Karl-Heinz Thielmann an der Konzeption vieler Produkte mitgewirkt und zahlreiche Anerkennungen für herausragende Performance bekommen. Darunter waren mehrere Standard & Poor’s Micropal Awards sowie Auszeichnungen als Finanzen Fondsmanager des Jahres. Auch in den Jahren als unabhängiger Berater konnte er nachweisbar sei­ner Kunden überwiegend zu einem weit überdurchschnittlichen Anlageergebnis verhelfen.

Die LONG-TERM INVESTING Research AG – Institut für die langfristige Kapitalanlage ist eine Ana­lyse- und Beratungsgesellschaft, die speziell auf die Bedürfnisse langfristiger Anleger ausgerichtet ist. Sie ist völlig unabhängig von Finanzinstituten und verfolgt keinerlei Vertriebsinteressen für Finanzpro­dukte. Stattdessen wird auf objektive Analyse gesetzt, wobei auch auf neuste Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung über Kapitalmärkte zurückgegriffen wird.

egghat November 30, 2012 um 10:47 Uhr

Sorry, schwache Analyse. Nicht weil falsch analysiert wurde (ich stimme den meisten Überlegungen zu zum Beispiel zum Wert des Ökosystems), sondern weil der WIRKLICH ENTSCHEIDENDE Punkt nicht besprochen wird:

Die unglaubliche Marge, die Apple beim iPhone hat.

Und genau hier liegt der Knackpunkt für die Gewinnentwicklung der Zukunft. Ich sehe nämlich kein wirkliches Problem für Apple, weiter zu wachsen und mehr Produkte zu verkaufen. Dazu müsste Apple nur ein iPhone mini einführen wie man es beim iPad schon gemacht hat. Das Problem dabei ist aber, dass diese neuen Produkte andere Margen haben. Das iPhone wirft deutlich über 50% Rohmarge ab, das iPad nur etwas über 30%, das iPadmini wird darunter liegen und die restlichen Produkte ebenfalls. Ich habe wenig Zweifel daran, dass Apple die Marge, die das Unternehmen schon lange bei den Macs hat, halten kann (Samsungs Marge bei Smartphones liegt schließlich in einer ähnlichen Größenordnung), ich habe aber durchaus Zweifel daran, dass Apple die Größer-Als-50-Prozent-Marge beim iPhone halten kann.

Dazu sind die Geräte von (z.B.) Samsung und dazu ist das OS mit Android 4.x einfach zu nah dran am iPhone. Und das sage ich als Apple Fan, der alles vor Android 4.0 für unbenutzbaren Dreck gehalten hat (und immer noch hält).

Kurt Klein November 29, 2012 um 23:32 Uhr

Abwarten. In letzter Zeit wurden einige Top-Manager gefeuert. Seit Steve Jobs Tod ist bis auf ein kleines iPad nicht viel passiert. IOS 6 wirkt im Vergleich zu Android oder Windows Phone 8 langsam aber sicher altbacken. Die Innovationen bleiben aus, grobe Softwareschnitzer schleichen sich ein (ehemals integrierte Google Apps). Hinzu kommt die Geschlossenheit des Systems – vordergründig vielfältig, selektiert Apple letztlich knallhart und „denkt“ für den User. Ich würde das System Apple eher mit Bevormundung als mit Freiheit beschreiben. Letztlich gibt der Erfolg allerdings Apple (noch) Recht – wenn jedoch selbst schon Steve Wozniak warnt, dass Microsoft mittlerweile innovativer als Apple sei, könnte es doch spannender als gedacht werden…

Hansjörg Leichsenring November 29, 2012 um 13:58 Uhr

Sehr interessante Ausführungen. Ich bin ebenfalls von eienr Fortsetzung der Apple Erfolgsstory überzeugt, auch was den Aktienkurs angeht

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