Wall Street Poker reloaded (I): Muppets und Intrigen

by Dirk Elsner on 10. Januar 2013

Für meinen Urlaubs über den Jahreswechsel hatte ich neben dem Kahneman einen bisher noch ungelesenen Klassiker mitgenommen: Michal Lewis „Wall Street Poker“. Das Buch war im Original bereits 1989 unter dem Titel „Liar´s Poker“ erschienen. Ich weiß nicht, warum ich genau dieses Buch mitgenommen habe. In meinem noch-zu-lesen-Regal warten etwa 40 Bücher auf Lektüre, darunter viele aus den Jahren 2011 und 2012. Aber ich hatte Lust auf das Buch, ohne genau zu wissen, um was es darin eigentlich ging.

Das Buch hat sich trotz seines chaotischen Schreibstil (oder der schlechten Übersetzung) und ziemlichen unstrukturierten Aufbaus gelohnt, weil Lewis darin viele Details aus dem Innenleben des Investmentbanking beschreibt, die sich von den heutigen Geschichten gar nicht so groß unterscheiden mögen.

Das Buch macht in der Rückschau deutlich, dass sich an den grundsätzlichen Verhaltensmustern aus Selbstüberschätzung, Degradierung der Kunden zu Muppets und der Jagd nach dem großen Geld wenig geändert hat in den letzten 30 Jahren. Lewis beschreibt dabei mehr als er kritisiert. Er ist bzw. war nämlich Bestandteil des Systems bei Salomon Brothers, einer in den 80er Jahren fast legendären Investmentbank, deren Aufstieg und Abstieg er als Trainee, Geek und „Big Swinging Dick“ erlebt hat. Als „Big Swinging Dick“ wurden die Händler und Verkäufer bezeichnet, die besonders erfolgreiche Geschäfte für Salomon abschlossen. Dabei spielte es keine Rolle, ob dafür Kunden oder Konkurrenten bluten mussten. Es ging und geht um das Geschäft für das eigene Haus und die Maximierung des eigenen Ansehens, meist definiert über Gehalt und Bonuszahlungen. Lewis gehörte dabei zu der ungewöhnlichen Kategorie von Bankern, denen bewusst war, dass er für seine Arbeit eine viel zu hohe Bezahlung erhielt und diese gar nicht verdient hatte.

Mit seinem Buch verstieß Lewis, wie im letzten Jahr der Ex-Goldman Sachs Mitarbeiter Greg Smith, gegen eine eiserne Grundregel der Wall Street, nämlich nicht über das Innenleben eines Hauses zu plaudern. Dabei sind seine Plaudereien weder sensationell noch wirklich überraschend. Sie erlauben halt eine unterhaltsame Innensicht jenseits vom offiziellen Storytelling der Firmenleitung, der bereits vor 30 Jahren kaum jemand glaubte.

Dabei ist es nicht so, dass Lewis Beschreibung zwingend nur für das Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften in Banken und für die damalige Zeit galten. Die internen Machtkämpfe, der Umgang mit neuen und altgedienten Mitarbeitern, das Ausbooten von Kunden, Kollegen und Konkurrenten, das Erkennen und Verpassen von Chancen, die Schwierigkeiten neue Ideen durchzudrücken, das alles gibt es mehr oder weniger ausgeprägt in nahezu allen Unternehmen. Es wird halt nur vergleichsweise selten darüber geschrieben. Erst Recht fehlen solche Darstellungen in ökonomischen Lehrbüchern.

So kennt vermutlich jede das Problem interner Intrigen. Lewis schreibt dazu: „Zum ersten Mal bin ich im Begriff, mit dem hinterhältigen Angriffen und Intrigen konfrontiert zu werden, für die Investmentbanker zu Recht bekannt sind. Es gibt bei Salomon Brothers zwei Arten von Reibereien. Die erste wird dadurch erzeugt, dass Menschen, wenn es um Geldverluste geht, darum kämpfen, jeweils irgendjemand anderem die Schuld zuzuschieben. Bei der zweiten kämpfen Menschen darum, den Verdienst zugesprochen zu bekommen, wenn Geld verdient wurde.“ Lewis schreibt dann ausführlich über Beispiele, die hier aber nicht interessieren.

Die Parallelen zur heutigen Zeit sind ausgerechnet im Banking fast täglich öffentlich zu besichtigen. Die Verfehlungen und Skandale werden meist einzelnen Mitarbeitern zugerechnet, die dann entlassen oder verklagt werden. Das Management übernimmt nur in Ausnahmefällen die Verantwortung, wie bei Barclays oder UBS. Öffentlich gepflegt wird die Legende vom Einzeltäter wie bei Jérôme Kerviel  (Société Générale) und Kweku Adoboli (UBS). Aber auch bei den meisten “legalen Fehltritten”, wie etwa bei den berühmten Walgeschäften von JP Morgan, liegt die Verantwortung nicht im Top-Management, sondern bei einzelnen Personen. Wenn die Ergebnisse „ungewöhnlicher“ Strategien dann allerdings stimmen, dann lässt sich das Management gern dafür feiern.

Lewis, der heute als Schriftsteller arbeitet arbeitet, liefert aus den 80er Jahren lesenswerte Innensichten aus dem amerikanischen Investmentbanking. Salomon selbst existiert übrigens nicht mehr. Salomon Brothers war lt. Wikipedia zu Beginn der 90er Jahre Hauptbeschuldigter im Skandal um die Marktmanipulation für US-Regierungsanleihen. Auf diese folgte eine Strafe von rund 290 Mio. Dollar, die Salomon derart schwächte, dass das Geldhaus vom Finanzkonzern Travelers geschluckt wurde. Travelers wiederum fusionierte später mit der Citigroup.

Stefan K. Januar 11, 2013 um 20:03 Uhr

Bei dem Thema muss ich gerade an den letzten Blogeintrag von Mark Cuban lesen, in dem er noch einmal auf seine Erfahrungen mit Investmentbankern schildert.

http://blogmaverick.com/2013/01/10/the-stock-market-2/

nigecus Januar 10, 2013 um 21:18 Uhr

Ist nicht jede größere Firma ein Irrenhaus?

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