Komplizierter, willkürlicher und ungerechter Bailout für Zypern

by Dirk Elsner on 18. März 2013

Eigentlich wollte ich hier ja heute meine Antworten zu den Schülerfragen zur Eurokrise platzieren. Nun haben wir den Hangout auf den 26.3. verschoben und es ist mal wieder eine Hilfsmaßnahme dazwischen gekommen, die ich mir am Wochenende angeschaut habe. Da war es nämlich mal wieder soweit. Die EU-Finanzminister haben dem fünften Euroland den erwarteten Rettungsanker hingeworfen: Zypern (hier eine offizielle Erklärung). Neu und für mich überraschend ist, dass diesmal Bankkunden an den Kosten der Rettung beteiligt werden. Laut Wall Street Journal “müssen Bankkunden eine einmalige Abgabe von 9,9 Prozent auf Guthaben über 100.000 Euro zahlen. Beträge bis zu dieser Schwelle sollen mit 6,75 Prozent besteuert werden. Insgesamt sollen damit 5,8 Milliarden Euro für das kurz vor dem Kollaps stehende Land zusammen kommen.” Die gesamte Hilfe soll bis zu 10 Mrd. € umfassen. Ein Teil der Kredite, so die NZZ, dient der Rekapitalisierung zypriotischer Banken. Der Rest fließt in den nächsten drei Jahren Jahren in vierteljährlichen Tranchen in die Finanzierung des Haushaltes.

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Ich habe leider bisher keine technischen Details zu der Umsetzung gefunden, sondern nur Presseberichte darüber. Auf Handelsblatt Online ist zu lesen, dass die Abgabe sowohl für in Zypern ansässige als auch für ausländische Bankkunden gelte. “Sie können der sogenannten Solidaritätsabgabe nicht mehr entgehen: Der fällige Betrag werde ab sofort auf den Konten eingefroren, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen nach rund zehnstündigen Marathonverhandlungen.” Die Abgabe soll abgezogen werden, bevor die Banken am Dienstag Mittwoch (oder Donnerstag?) wieder öffnen. Wie das technisch funktioniert und wie man mit Detailfragen umgeht, wie die Verteilung von Guthaben auf verschiedene Bankkonten, bleibt dabei im Dunkeln. Will man das tatsächlich wie angekündigt so schnell durchführen und nicht große Ungerechtigkeitsasymmetrien in Kauf nehmen, dann muss die Aktion operativ bereits länger geplant worden sein. 

Äußerungen des CEO der Saxo Bank, Lars Seier Christensen im Blog TradingFloor deuten darauf hin, dass die Vorbereitungen bereit liefen. Er schrieb am Samstag: “I heard rumours about this when I visited Limassol last week, but dismissed them as completely outlandish.” Wenn das aber bereits länger geplant ist, dann wäre es interessant zu wissen, wer in den Tagen und Wochen vor dem Beschluss bereits Gelder aus Zypern abgezogen hat. Das könnte darauf hindeuten, dass er von dieser Transaktion wusste oder dies zumindest geahnt hat. Rund ein Drittel aller Einlagen sollen ausländischen Kunden gehören, vor allem Russen und Briten.

Nach den Formulierungen trifft auch ausländische Kontoinhaber bei zypriotischen Banken die “Sondersteuer”, nicht jedoch Gläubiger von Anleihen der Banken und des Landes. Das halte ich für ungerecht und ziemlich willkürlich. Grundsätzlich ist es in Ordnung, dass Bankengläubiger auch das Risiko einer Schieflage ihres Instituts mittragen, dann jedoch gleichranging für alle unbesicherten Forderungen. Zumindest die Kommunikation zum aktuellen Deal deutet darauf hin, dass die Kontoinhaber auch für Staatsschulden haften. Dass die Gläubiger der Staatsanleihen dann ohne Haircut durchkommen lässt sich kaum rechtfertigen, auch wenn ein Staat willkürlich Abgaben beschließen kann.

Wenn das Verfahren tatsächlich so schräg durchgeführt wird, dann dürfte es auch für Unternehmen unangenehme Konsequenzen haben, denn sie zahlen auf ihre zufällig gerade im Inland gehaltene Liquidität eine Abgabe. Ein Unternehmen, dass z.B. in der letzten Woche eine Anleihe über 10 Mio. Euro begeben hat (oder einen Kredit aufgenommen hat) und die Mittel noch auf einem Guthabenkonto lagert, zahlt 1 Mio. Euro.  Ich bin mir ziemlich sicher, dass es gegen dieses Verfahren klagen geben wird. Völlig unklar ist auch, wie man eigentlich die Durchführung kontrollieren will. Man kann zwar gesetzlich das Einfrieren beschließen, das bedeutet aber noch lange nicht, dass man die Gelder auch technisch einfriert.

Angemessen finde ich einzig die Differenzierung nach der Höhe der Guthaben. Wird das Verfahren nun aber in einer Nacht- und Nebelaktion so durchgezogen, dann hat aber derjenige einen Vorteil, der auf zwei Konten je 60.000 Euro liegen hat, gegenüber der Person, die auf einem Konto 120.000 Euro Guthaben hat.

Während die Einleger bereits in der kommenden Woche belastet werden sollen, muss die Hilfe durch die Eurozone, EZB, IMF noch formell vereinbart und beschlossen werden. In Zypern selbst kam es nach einem Bericht auf FAZ Online am Samstag bei den wenigen geöffneten Bankflilialen zu einem kleinen Bankrun. Danach versuchten viele Kunden Spareinlagen abzuheben. Allerdings war bereits das Onlinesystem der Banken außer Betrieb gesetzt. Später schlossen die wenigen geöffneten Filialen.

Je länger ich über diesen Bailout nachdenke, desto ungerechter finde ich ihn. Warum man hier nicht analog zu Griechenland auch die Gläubiger zypriotischer Anleihen zur Kasse bittet, wird sicher Gegenstand vieler Kontroversen werden (wie z.B. in der FAZ “Regelbruch in Permanenz”). Außerdem könnte das Signal schädlich sein auch für andere Krisenstaaten. Wenn nun Gläubiger in Spanien, Italien, Griechenland, Irland oder Frankreich damit rechnen müssen, dass so derart willkürlich Guthaben besteuert werden, dann kann das schon heute eine sich langsam hochschaukelnde Kettenreaktion auslösen. Insgesamt haftet an diesem Bailout der Schmutz einer willkürlichen Enteignung. Damit darf man erneut die Frage stellen, welche Überraschungen noch warten.

Stich März 19, 2013 um 14:36 Uhr

Kompliziert – Nein
Willkürlich – Ja
Ungerecht – Vielleicht, aber das soll der Souverän in Zypern entscheiden, nicht wir

Letztendlich geht es darum, wer für die Verluste zweier Banken aufkommt, die sich verspekuliert haben. Und diese Entscheidung sollte die Regierung von Zypern treffen, die sich auch darum kümmern muss, ob die Entscheidung juristisch sauber und zumindest was die eigenen Bürger betrifft „gerecht“ ist. Wenn die restliche Eurogroup Beistand leisten möchte, dann sollte dies nach möglichst klaren Regeln und unter Betonung der Souveranität des Einzelstaates erfolgen.

Denn die Willkür, nach der entschieden wird, wer und wie gerettet wird, ist in der Tat ein Problem. Diese äußerte sich ja auch gestern in dem Gefeilsche um Prozente.

Ein gutes Zeichen ist, dass Gläubiger zunehmend in die Haftung genommen werden. Damit kann sich wieder ein funktionierender Risiko-Markt etablieren.

Robert Michel März 18, 2013 um 18:33 Uhr

@Nixda: Es liegt aber keine Zahlungsunfähigkeit vor, sonder wird nur antizipiert. Die Kunden einer solide wirtschaftenden Bank werden genauso enteignet, wie die anderen. Das ist die extreme Ungerechtigkeit dieses Vorgangs.

Hansjörg Leichsenring März 18, 2013 um 15:04 Uhr

Immerhin helfen wir mal wieder mit unseren Steuern ein marodes Bank- und Wirtschaftssystem zu retten. Noch dazu eines, dass Schwarzgeld magisch anzieht.

Ich hab so meine Zweifel ob die nach deutschem Recht zu stellende Frage nach der Systemrelevanz Zypern tatsächlich so uneingeschränkt mir „ja“ beantwortet werden kann.

Ich habe außerdem Zweifel, ob die vorgesehenen Mittel ausreichen und nicht, wie im Fall Griechenland, ein weiteres Fass ohne Boden aufgemacht wird.

Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring

http://www.der-bank-blog.de

Nixda März 18, 2013 um 12:38 Uhr

@FDominicus:

Es gibt kein Eigentum an Geld. Geld ist immer nur eine Forderung, entweder als Bargeld (gegen die Zentralbank) oder gegen eine Geschäftsbank. Dem Kontrahentenrisiko kann man nicht entfliehen.

FDominicus März 20, 2013 um 12:45 Uhr

Wohl kaum, nehmen Sie einen Kg Barren Gold und schauen dann mal gegen wen der eine Forderung darstellt. Gold ist Geld unser „Geld“ sind nur ISIs (Ich-schulde-Ihnen)

FDominicus März 18, 2013 um 06:50 Uhr

Hm, ich frage mich ab wann Sie die Samthandschuhe ausziehen. Es handelt sich hier platt, frank und frei um einen beispiellosen Diebstahl (zumindest in der EU). Sie können mir sicher nicht erklären was die Spareinlagen mit der Überschuldung der Banken zu tun haben, oder welche irgendwie arg schräge Argumentation könnte es dafür geben.

Die EU stiehlt und Eigentum ist nicht mehr garantiert, Das Geld was Sie auf dem Konto sparen, wurde damit Manövriermasse für die Politiker aller Länder? Sie nennen es ungerecht, es ist weitaus mehr es ist ein beispielloser Eingriff gegen das Eigentum.

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