Experten-Hysterie nach dem Bailout für Zypern

by Dirk Elsner on 21. März 2013

Nach der Veröffentlichung des Bailoutplan für Zypern am vergangenen Samstag gab es ja wieder eine Menge Gemurmel durch “Experten” und Politiker und viel informelles Rauschen in den (sozialen) Medien. Unmöglich und unnötig, dass alles zu kommentieren. Fast reflexartig wurden die Beschlüsse nach dem politischen Durcheinander kritisiert. Wie üblich wurde die Welt erneut mit Warnungen (z.B. S&P warns of socially explosive situation in euro zone) von Ökonomen und anderen “Experten” („Europa hat zwei Stangen Dynamit angezündet“) zugedeckt. Erstaunlich, wie viele Beobachter im Nachhinein genau wissen, wie man es nicht hätte machen sollten. Andrew Ross Sorkin formulierte in meinem Lieblings-US-Blog Dealbook:

“The last 72 hours have been filled with breathless proclamations of impending disaster after theEuropean Union andInternational Monetary Fund indicated that they planned to take money directly from depositors with bank accounts in Cyprus as part of a bailout of that country.

Analysts and politicians compared the bailout plan, the first to include a levy on deposits that were considered to be insured, to government-sponsored larceny, and said it would cause a run on banks across Europe, if not a full-fledged global crisis.”

Die Reaktionsmuster nach solchen Beschlüssen und vor allem die Hysterie der “Experten” (kann so etwas bei uns auch passieren? und Wie sicher sind ihre Einlagen)*  folgt den immer gleichen Mustern. Nach einem mehr oder weniger schlechten Kompromiss wird nach dem Motto das Chaos beschworen, irgendwann muss ja endlich einmal alles zusammen brechen. Dann will man natürlich zu denjenigen gehören, die davor rechtzeitig gewarnt und es im Nachhinein vorher besser gewusst haben.

Klar, diese Tage zeigen, die Eurokrise ist noch längst nicht vorbei. Das überrascht mich schon deswegen nicht, weil die zu Grunde liegenden Probleme weder gelöst sind, noch wirklich angegangen werden. Dafür unterstreicht das Finanzdrama um Zypern und die weiter geschlossenen Banken, dass durch die immer enger werdende finanzielle Haftungsvernetzung die Fragilität der europäischen Krisenmechanismen weiter steigt. Die Länder der Eurozone driften nach wie vor ökonomisch auseinander. Gut zu besichtigen ist dies an den Leistungsbilanzen**. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs ist also deutlich höher als vor fünf Jahren. Tatsächlich kann aber niemand zuverlässig wissen, dass ein solcher Zusammenbruch überhaupt kommt. Markus Gärtner hat es am Dienstag in einem Blogeintrag auf den Punkt gebracht: Zypern-Reaktionen – Ökonomen verdattert, Bürger zornig, Märkte gelassen

 

Am Montag schrieb Wassilis Aswestopoulos auf Telepolis über die Verunsicherung: „Stell Dir vor, Du schießt einen von fünf auf einem Ast sitzenden Vögel ab. Wie viele Vögel bleiben wohl danach auf dem Ast?“. Das Bild passte zu der vor allem sozialmedial erzeugten Panik. Dieses Bild übersieht freilich, dass sich diese Vögel, die als Sinnbild für die erschreckten Finanzmärkte stehen, sich irgendwann wieder auf einen Ast setzen werden. Offenbar haben sie das schneller wieder getan, als das den Apokalyptikern recht ist. Denn obwohl Zypern am Dienstag Abend nun doch die Beschlüsse vom Wochenende ablehnte und nun angeblich der Bankrott mit unübersehbaren Folgen droht, hielt sich die Verunsicherung der “Märkte” in Grenzen. Ich glaube die “Märkte” erkennen viel besser, dass hier eigentlich nur ein finanz- und politikstrategisches Spiel inszeniert wird, das die öffentliche Stimmung instrumentalisiert. Das Drama liegt vor allem darin, dass hier die Bevölkerung Zyperns quasi als Geisel genommen wird.

Ich habe bereits am Montag meine Kritik am Rettungspaket für Zypern geäußert. Darin ging es darum, dass mit dem “Tabubruch” (Wall Street Journal) hier sehr einseitig bestimmte Gruppen belastet werden, während andere Gläubiger ohne Schaden aus Zypern rauskommen. Ich teile allerdings nicht die von vielen auf Twitter und in anderen Kommentaren geäußerte Auffassung, dass es sich hier um eine “brutale Enteignung” handelt. Fast hat es auch den Anschein, dass die gleichen Leute, die sonst die Finanzmarkthörigkeit der Politik kritisieren, nun gerade die Verunsicherung jener Märkte, in denen sich ja letztlich unser aller Verhalten widerspiegelt, nun als Argument für das Versagen der Politik in Feld bringen.

Die “Experten”-Hysterie ist eigentlich nur noch unter anekdotischen Gesichtspunkten interessant. In meiner Mindmap zur Schuldenkrise habe ich vor einiger Zeit in einem Ast auf der rechten Seite einmal verschiedenste Vorschläge von Fachleuten gesammelt. Und das sind längst nicht alle Vorschläge. Die Vielzahl und Widersprüchlichkeit der Ansätze zeigt, dass es den einen klaren Weg aus den Probleme nicht gibt. Nur eine Position kann daraus umgesetzt werden. Der Aufschrei der Fachleute, deren Standpunkt nicht berücksichtigt wurde, ist damit stets sichergestellt.

________________________________________________

* Natürlich kann so etwas bei uns auch passieren. Ein Szenario ließe sich schnell konstruieren. Die Leute, die zu Hause Bargeld horten, werden sich nun bestätigt fühlen.

** Immerhin zeigen die aktuellen Leistungsbilanzdaten via Eurostat für Portugal, Spanien, Griechenland, Italien und Irland für Q3 einen Überschuss an, für Zypern weiter ein Defizit. Und im neues Monatsbericht der Bundesbank ist zu lesen, dass sich der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands mit der EU reduziert.

Zur Info außerdem

CESifo: Haftungspegel für die Euroländer und der deutsche Anteil

Belogener Bürger März 25, 2013 um 13:04 Uhr

Seit Kohl bis Merkel hat die CDU/FDP uns Bürger beschissen und
betrogen! Dieses Lügenpack wird nicht einmal vor Gericht zur
Rechenschaft gezogen! Die Kaschuben-Merkel verschenkt unser
Steuergeld in ganz Europa, Der Krüppel-Schäuble bestiehlt uns
BRD-Bürger. Rettet EUER Geld, holt alles ab von den Banken.
Sobald die Banken das Geld haben, gehört es nicht mehr uns Bürgern,
sondern der Regierung!
In wenigen Monaten wird die nächste €uro-Pleite vor der Tür stehen.

FDominicus März 22, 2013 um 12:12 Uhr

@Danny: Gespielte Aufregung? Nun das konnte ich ja nicht wissen, danke das Sie mich darauf hingewiesen haben.

Und klar es ist „natürlich“ keine Enteignugn. Es heißt ja auch antifaschistischer Schutzwall nicht Mauer nicht wahr.

Vielleicht sollten Sie einfach mal daran denken, daß mich dieser Rechtsbruch tatsächlich aufregt. Aber wenn Sie es so gelassen sehen, schlage ich Ihnenv vor: „Eröffnen Sie ein Konto auf einer zypriotischen Bank“.

Das Schlimmste was Ihnen passieren kann ist „nur eine kleine Steuer“.

Danny März 22, 2013 um 11:48 Uhr

Danke, Herr Elsner für den sachlichen Beitrag.

@FDominicus: Ich kann Ihre gespielte Aufregung nicht nachvollziehen. Abgesehen davon, dass ein Rechtsbruch auch in sozialistischen Ländern per Definition ein Rechtsbruch ist, handelt es sich bei dieser Abgabe um eine einmalig erhobene Steuer. Diese wäre zwar aus Sicht der Sparer unschön, aber legal wie es auch die Vermögensabgabe nach dem 2. WK gewesen ist. Im Gegensatz zu langfristig erhöhten Steuern ist eine solche Abgabe in jedem Fall anreizkompatibler und wirtschaftsfreundlicher.

@Karl-Heinz Thielmann: zu 2.) Warum sollen die Kleinanleger im Falle einer Pleite besser gestellt sein? Zwar sind auch die zyprischen Banken Mitglied in einer Einlagensicherung, das würde jedoch wahrscheinlich nur bedingt helfen, da der Einlagensicherungsfonds eben auch nur ein Fond mit endlichen Mitteln ist. Die Einlagensicherung ist keine staatliche Garantie sondern eine zwangsweise verordnete Abgabe der Banken an einen Fond, der im Falle einer Insolvenz für die Kundeneinlagen bis 100.000€ (und 90% bzw. bis 20.000€ von Wertpapieren) herangezogen werden kann. Gehen zu viele Banken in die Insolvenz wird der Fond nicht ausreichen. Ich habe keine Zahlen, aber ich würde wetten, dass das bei Zyperns Bankensystem der Fall wäre und es würden weit weniger als 100.000€ „Garantie“ übrig bleiben.

Karl-Heinz Thielmann März 22, 2013 um 13:28 Uhr

@Danny: Was die genaue Konstruktion des Einlagensicherungsfonds in Zypern angeht, muss ich leider passen. Ich verlasse mich da ganz auf die veröffentlichten Angaben und weiß natürlich, dass diese mit Vorsicht zu genießen sind. Ich denke aber, man sollte den Abschreibungsbedarf bei zyprischen Banken nicht übertreiben, das würde nur zu der kritisierten Hysterie beitragen. Die Bilanzen sind zwar aufgebläht und das Eigenkapital wohl weg, es dürften aber auch noch genügend werthaltige Anlagen da sein, um die Kleinanleger ganz und die Großanleger zumindest teilweise zu entschädigen.

Für mich gibt es aber auch sachliche Gründe, Kleinsparer zu schonen. Zum einen haben diese Leute große Teile ihres Vermögens und damit auch ihre Alters- und Risikovorsorge in Spareinlagen investiert und würden existenziell geschädigt. Sie hätten auch nicht wie Großanleger ins Ausland ausweichen können. Zum anderen wird gerade von Deutschland aus das Leistungsfähigkeitsfähigkeitsprinzip als Grundprinzip der Steuerpolitik immer wieder propagiert. Steuerliche Leistungsfähigkeit wird vor allem am Einkommen, aber auch an Vermögen und Konsum festgemacht. Insofern würde eine Gleichbehandlung bei der Sondersteuer gerade deutsche Prinzipien verletzen.

Lexi März 22, 2013 um 09:44 Uhr

Danke, Herr Eisner für Ihre sensationelle Herangehensweise, insbesondere die Mindmap hilft mir das Gewirr der Stimmen zu verstehen oder die Gründe zu erahnen.
Ein Bwl-Blick, den man Ihnen mal unterstellte, ist dabei offensichtlich eine gute Basis.
Das neben den Cash-Flow-Blickwinkeln, die in der VWL ja auch eine wesentlich Rolle innerhalb der ganzen Bilanzbeziehungen spielen, noch eine soziologische Frage nach Verteilung und Macht hinzu kommt, erschwert die Analyse selbstverständlich.
Zusätzlich grenzt die Funktionsweise von Kapital/Geld teilweise an Metaphysik.
Ein wildes Geschnattere ist deshalb verständlich, umso glücklicher bin ich über Ihren Blog. Mein Fazit im Kern: Geld-/Kreditüberhang durch Konkurse gerade von Banken zulassen, funktionierende Märkte mit Chance/Risiko/Verantwortlichkeiten schaffen und zulassen. Nicht nur für Zypern, auch im EU- Währungsbereich. Wieder vom Kopf auf die Füße stellen und Verantwortungen herstellen. Zugegeben, vom glühenden EU-Träumer werde ich zunehmender Feudalismusgegner, aber wer hatte nicht schon Illusionen. Und der Tod des Rentiers schwebte schon Lord Keynes als Ultima Ratio des Kapitalismus im Kopf herum, charmante Lösungen ohne Reset-Knopf gibt es meines Wissens nicht.
Kurz, Danke für Ihre Arbeit. Lexi

topperhopper März 21, 2013 um 11:25 Uhr

Danke, Herr Elsner. Sie sind einer der wenigen Kommentatoren im Netz, die möglichst sachlich und kühl an die Dinge rangehen.

Die Lektüre der meisten Online-Medien wird für mich immer mehr zur Qual – egal ob es die aufgeregten Artikel oder die erhitzten Kommentare vieler Leser sind. Ich stelle fest, dass ich sie immer weniger ernst nehme.

Serdar Somuncu, ein von mir sehr geschätzter Kabarettist, sagte neulich, dass das Teil einer „Überdemokratisierung“ sei.
http://www.rp-online.de/digitales/rp-plus/es-ist-nie-gut-wenn-leute-machen-was-sie-wollen-1.3268111

VG

Hansjörg Leichsenring März 21, 2013 um 11:22 Uhr

Wenn die Zyprioten nicht gerettet werden wollen (und ob das tatsächlich eine Rettung wäre und nicht wie im Fall Griechenland ein weiteres Fass ohne Boden lasse ich mal dahingestellt…), dann lasst sie doch auch bitte in Ruhe.

Wann wird die Politik endlich mal wieder den Mut aufbringen, eine längst überfällige Marktbereinigung ihren Gang gehen zu lassen?

Beate März 21, 2013 um 08:31 Uhr

„Die zyprischen Banken sind pleite.“

Wieso?

Der Nennwert von Staatsanleihen muss durch die Zentralbank zu 100% garantiert werden.
Auch in einer Währungsunion.
Dann wären zyprische Banken nicht in Not geraten.

Die Verschuldung von Staaten sollte durch politische Vorgaben begrenzt werden.

Die Maastrichtkriterien sehen vor, dass Staaten sich mit maximal 3% ihres BIP verschulden dürfen.

Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss beträgtüber 6% des BIP.

Tendenz weiter steigend.

Das ist doppelt so hoch, wie die Maastrichtkriterien vorgeben.

Die Verschuldung des Auslands verläßt damit die Grenzen des politisch vorgegebenen.

Das muß uns mal jemand erklären.

Beate März 21, 2013 um 08:20 Uhr

Eine anierung der zyprischen Banken kann ohne die EZB nicht gelingen.

Diese muß für Zypern die Mittel bereitstellen, um diesen Prozess ohne Zusammenbruch der Realwirtschaft , zu begleiten.

Wir haben gesehen.

Diese Währungsunion kann nicht funktionieren.

Nicht mit diesem Deutschland.

Und der ideologisch stramm ausgerichteten Bundesbank.

Karl-Heinz Thielmann März 21, 2013 um 07:54 Uhr

1) In der ganzen Berichterstattung ist völlig untergegangen, worum es eigentlich geht: Zyperns Banken sind bankrott. Sie sollen saniert werden. Und bei Sanierungsfällen ist es üblich, die Gläubiger zu einem teilweisen Forderungsverzicht zu bewegen. Insofern ist es legitim, dass sich die Einleger an der zypriotischen Bankenrettung beteiligen sollen, zumal ebendiese Banken vorher weit überdurchschnittliche Zinsen gezahlt haben.

2) Trotzdem waren die Beschlüsse vom Wochenende voll handwerklicher Fehler: So wären Kleinanleger durch die Zwangsabgabe schlechter gestellt als bei einer Pleite. Es war unklar, ob es irgendeine Kompensation für die Zwangsabgabe gibt (Aktien?, Besserungsscheine?). Was sollte mit Anleihen passieren? Insofern muss man schon festhalten, dass die Umsetzung äußerst dilettantisch war, was meiner Ansicht aber vor allem mit dem atemberaubenden Zickzack-Kurs der zypriotischen Regierung zusammen hängt.

3) Ich stimme Dirk Elsner zu, dass die Medien-Reaktion völlig überzogen war. Meiner Ansicht nach war sie sogar grob irreführend. Wenn man den Rettungsplan kritisiert, sollte man auch mal diskutieren, wie den die Alternativen aussehen. Die Situation in Zypern ist der Island vor 5 Jahren ähnlich. Island hatte damals die durch Finanzmarktspekulation überdimensioniertem Banken verstaatlicht. Die Kompensation von Einlegern war dabei zunächst nicht geregelt. Es gab ein langes politisches Tauziehen zwischen Island und den Gläubigernationen, was die Erholung von Island massiv behinderte. Dies sollte sich Zypern tunlichst ersparen.

FDominicus März 21, 2013 um 06:45 Uhr

“ Nach einem mehr oder weniger schlechten Kompromiss wird nach dem Motto das Chaos beschworen, irgendwann muss ja endlich einmal alles zusammen brechen. “

Kompromiss, offensichtlich ist Ihnen nicht bewußt um was es hier geht. Es werden diejenigen zuerst herangezogen und enteignnet, das einen Kompromiss zu nennen ist ein Unverschämtheit. Das ist Diebstahl und wie schon jemand anders schrieb, inakzeptabel in allen nicht soziallistischen Ländern.

„Dann will man natürlich zu denjenigen gehören, die davor rechtzeitig gewarnt und es im Nachhinein vorher besser gewusst haben.“

Na und ? Ich kann es belegen. Darf mir aber von Experten sagen lassen, das gehört schon alles so?

Mir ist völlig unverständlich wie man einen so eklatanten Rechtsbruch so locker unter den Teppich kehren kann.

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