Hangout und Blogparade: Meine Antworten auf Schülerfragen zur Eurokrise

by Dirk Elsner on 25. März 2013

Vor einigen Wochen habe ich hier zur Blogparade aufgerufen und 8 Schülerfragen einer gymnasialen Oberstufe aus Bielefeld hier präsentiert, zu denen die Schüler Antworten suchen. Nun muss ich natürlich selbst ran, zumal wir morgen Abend 20:00 Uhr dazu einen Hangout on Air über den YouTube-Kanal des Wirtschaftswurm durchführen. Das Thema Eurokrise hat durch Zypern auch wieder neue Brisanz erhalten.


Ich habe damals bereits geschrieben, dass es zu allen Fragen je nach ökonomischer und/oder politischer Position verschiedene Antworten gibt. Ich habe bewusst mir nicht die Antworten der anderen Bloggerkollegen vorher durch gelesen, sondern will es ganz unabhängig davon versuchen. Die Herausforderung dieser Blogparade sollte darin liegen, schülergerechte (12./13. Klasse gymnasiale Oberstufe) zu formulieren und für die Antworten nicht mehr als zwei oder drei Absätze zu benötigen (+ eine Einleitung, deren Länge nicht vorgeben wird).

 

Meine Antworten hängen eng damit zusammen, dass ich die Eurokrise vor allem als eine Zahlungsbilanzkrise interpretiere. Während über die eigentlichen Ursachen der Krise viel spekuliert wird, kann man die Zahlungsbilanz sehen. Es handelt sich um ein offizielles Zahlenwerk, mit der Aufzeichnung aller Transaktionen im internationalen Kapital-, Waren- und Dienstleistungsverkehr.

 

Unter eine Zahlungsbilanzkrise verstehe ich Folgendes: Wenn etwa Staat, Unternehmen oder Privatpersonen aus Land A mehr Leistungen aus Land B nachfragen als umgekehrt, dann muss Land A in Land B Kredite dafür aufnehmen. Besser wäre es dann, wenn Land B später über einen längeren Zeitraum genau so viel Leistungen aus Land A nachfragt, damit Land A seine Kredite (+ Zinsen) zurückzahlen kann. Wenn Land B aber immer weiter und weiter mehr Leistungen an Land A verkauft, benötigt Land A immer mehr Kredite. Irgendwann könnten sich die Kreditgeber in Land B fragen: Können der Staat, die Banken, Unternehmen, Privatpersonen in Land A eigentlich die Kredite zurückzahlen? Als sie für sich diese Frage mit “Nein” beantwortet haben, begann die eigentliche Schuldenkrise. 

  1. Wer ist Schuld an der Krise?


Abseits von Verschwörungstheorien sind wir alle Schuld an dieser Krise. Eine Zahlungsbilanz sind nur Daten, die das individuelle Verhalten von Millionen von Wirtschaftssubjekten im internationalen Wirtschaftsverkehr aufzeichnet. Im oben angeführten Beispiel steht Land B für Deutschland. Deutschland feiert sich ständig für seine positive Leistungsbilanz, die vor allem dadurch entsteht, dass wir mehr Güter exportieren als importieren. Wenn wir in Deutschland mehr Leistungen aus Griechenland, Zypern oder Spanien kaufen würden, gäbe es so großes Defizit. Wenn unsere Banken dorthin weniger Geld verliehen hätten bzw. die Kredite dorthin teurer gemacht hätten, hätte man dort auch weniger Kredite aufgenommen und vielleicht weniger Güter in Land B gekauft. Land B hat aber gern Güter an Land A verkauft, weil das feines Wachstum erzeugt und die Gewinne sprudeln lässt. Die verantwortlichen Unternehmer, Bankmanager und Politiker haben sich wenig dafür interessiert, dass dadurch die Schulden in Land A immer höher und damit ihre Risiken immer stärker wachsen.

 

Erleichtert wurden diese Ungleichgewichte durch den Euro. Denn während zwischen Staaten mit verschiedenen Währungen der Wechselkurs, wenn er flexibel ist, für einen gewissen Ausgleich der Leistungsbilanz sorgt, ist dieser Mechanismus durch die Währungsunion weggefallen. Man kann sich nämlich fragen, warum die Menschen und Unternehmen aus Land B in Land A nicht mehr gekauft haben. Einige sagen, Land A hätte vielleicht bessere Leistungen zu niedrigeren Preisen anbieten können, so dass Land B davon mehr erworben hätte. Ein Wechselkurs zwischen den Staaten hätte zumindest die Produkte in Land A für Land B günstiger gemacht.

2.           Haben wir das Schlimmste hinter uns oder steht uns das erst bevor?


Das ist schwer zu beantworten. Das grundsätzliche in der Einleitung aufgezeigte Problem ist noch nicht gelöst. Deutschland verkauft weiterhin mehr Leistungen in die Eurozone als es aus anderen Ländern erwirbt, immerhin mit abnehmender Tendenz. Per Saldo verleihen deutsche Haushalte (Staat, Unternehmen, Banken, Privatpersonen) dafür immer noch Geld oder transferieren es ohne Gegenleistung. Die Schuldenkrise hat gezeigt, dass private Kreditgeber nicht mehr glauben, dass Land A komplett die Schulden zurückzahlt. Dies hat die Politiker veranlasst über verschiedene komplexe Konstruktionen für die Staaten insgesamt die Haftung für Kredite zu übernehmen. Irgendwann wird diese Kreditfinanzierung aber nicht mehr funktionieren und faktisch dazu führen, dass man diesen Ländern einen Teil der Schulden erlassen muss. Das ist im Prinzip das gleiche, als wenn ein Unternehmen in die Pleite geht. Dann hat das Unternehmen ein Problem, aber auch der Kreditgeber, weil der sein Geld nicht wieder sieht.


Ich persönlich sehen die Ursachen der Schuldenkrise bisher als nicht gelöst an. Daher lassen sich noch schlimmere Szenarien konstruieren, als wir sie bisher gesehen haben. Aus dem Bauch würde ich schätzen, dass die Wahrscheinlichkeit für Schlimmeres etwas höher ist.

3.           Sind die Schulden eigentlich rückzahlbar?


Theoretisch wären sie zurückzahlbar. Dazu muss aber das Verhalten der Unternehmen, Staaten, Banken und Privatpersonen so geändert werden, dass sich die Leistungsbilanzen irgendwann umdrehen. Danach sieht es aber im Moment nicht aus. Immerhin steigen die Defizite nicht mehr so stark an. Eine wirkliche Entspannung kann ich darin aber nicht sehen. Die andere Möglichkeit ist, diesen Ländern einen Teil der Schulden, die ja auch immer mehr Zinsen kosten, zu erlassen (ihnen also Geld zu schenken). Damit könnte ihre Wirtschaft in Gang gesetzt werden. Es käme vor allem auch darauf an, dass wir mehr Leistungen aus diesen Ländern erwerben. Die Länder sollten uns fragen, was sie tun sollen, damit wir mehr von ihren Produkten kaufen. Wenn Land B mehr Produkte aus Land A kauft, könnte das allerdings auch bedeuten, dass in Land B die Arbeitslosigkeit steigt.

4.           Kann man den Politikern eigentlich noch trauen?


Jain. Insbesondere in der Schuldenkrise decken Politiker nie die ganze Wahrheit auf. Viele Aussagen sind sehr kalkuliert und zählen eher darauf ab, bestimmte Interessen zu bedienen. Dieses Verhalten der Politiker ist aber ziemlich logisch. Auch wenn wir es angeblich schätzen, wenn jemand die Wahrheit sagt, so werden Politiker, die heute die “ganze Wahrheit” sagen würden, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder gewählt werden.

5.           Warum bekommen die Banken Geld, die Armen aber nicht?


Aus meiner Sicht sollten die Banken kein Geld bekommen, wenn sie schlecht gewirtschaftet haben und deswegen Verluste erleiden. Aber viele Banken sind mittlerweile angeblich zu groß und mächtig geworden. Die Politik hat zu große Angst vor den Konsequenzen einer Bankenpleite, weil die Wirkungen auf unbeteiligte Dritte zu groß und unvorhersehbar sind. Und vor diesen Konsequenzen möchten Politiker diese Dritten und wohl auch sich selbst schützen. Ich halte die Signale, die von der Rettung von Banken ausgehen, für ökonomisch katastrophal, weil dadurch das Eingehen von hohen Risiken zu Lasten der Einleger, Sparer und Steuerzahler eher belohnt wird.

 

6.           Können Griechenland, Italien etc. eigentlich ihre Schulden abbauen?

 

Ja, theoretisch zumindest. Praktisch nein.

Siehe auch Antwort auf Frage 3.

7.           Was würde passieren, wenn diese Länder keinerlei finanzielle Unterstützung mehr bekämen?

 

Vor allem könnten die Länder dann nicht ihre Schulden bei uns zurückzahlen. Sehr wahrscheinlich sind aber die negativen Konsequenzen für uns ebenfalls sehr hoch. Man sollte bedenken, dass die meisten Hilfen über die europäischen Rettungsfonds nicht in den Ländern verbleiben, sondern direkt oder indirekt der Rückzahlung früher aufgenommener Schulden dienen. Griechenland wurde zwar direkt “gerettet”, das Geld ging aber vorwiegend an private Kreditgeber im In- und Ausland. Gerettet wurden damit auch Banken und private Geldgeber aus Deutschland.

Wenn diese Schulden nicht mehr bezahlt werden hat das sofort Auswirkungen auf Banken, Versicherungen und viele andere Personen und Unternehmen. Die Schuldenkrise ist daher immer auch eine Gläubigerkrise.

8.           Was können WIR BÜRGER zur Verbesserung der Finanzen/Weltwirtschaft beitragen?

 

Mehr Leistungen aus den Krisenländern kaufen.

 

Daneben sollten wir immer kritisch hinterfragen, welche Antworten wir von Politikern, Banken, Unternehmern, Wissenschaftlern, anderen “Experten” oder Bloggern bekommen. Selbst wenn Euch die Antworten noch so plausibel erscheinen: Die Ökonomie hat keine klaren und eindeutigen Antworten, wie etwa die Naturwissenschaft. Jede Antwort, jeder Vorschlag hat verschiedene Wirkungen. Meistens gelingt es uns nicht (auch mir natürlich nicht) alle Dritt- und Viertwirkungen zu berücksichtigen.

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