Schuldenkrise plötzlich beendet? Nein! Nur die Gläubigerkrise

by Dirk Elsner on 14. Januar 2013

Sonnenaufgang

Immer lauter wird über das Ende der Schuldenkrise geredet und geschrieben. Reuters zitiert Schäuble mit das Schlimmste in Euro-Krise ist überstanden. OK, Politiker sehen ja aus Berufsgründen stets das Positive. Aber nach meinem Eindruck wollen auch immer mehr “Experten” einen Wendepunkt in der Krise ausgemacht haben. Ich habe nicht gecheckt, ob das die gleichen “Experten” sind, die noch vor ein paar Monaten die Eurozone am Rande des Abgrunds gesehen haben. Damals wurde gar Unternehmen dringend empfohlen, sich auf alternative Szenarien vorzubereiten. Plötzlich wird das Ende der Krise zum Mainstream. Selbst die vor kurzem noch als böse Buben verschrienen Ratingagenturen sehen neuerdings einen Wendepunkt in der Euro-Krise.

Wie immer werden uns nun plausible Geschichten erzählt, mit denen die Trendwende begründet wird. Besonders beliebt ist offenbar die Legende von Mario Draghi, der mit seinen Worten die Krise weggeblasen hat. 

Mich machen solche “Trendwenden” genau so stutzig, wie die übertriebenen Untergangsszenarien vor einigen Monaten (siehe dazu “Es ist so weit: Wir sind mal wieder am Ende – Nicht nur die Weltwirtschaft steht am Abgrund”). Ich kann leider nicht erkennen, dass das, was den Kern der Eurokrise ausgemacht hat, sich verändert hat. Die Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizite der Krisenländer sind nicht zurückgegangen, sie wachsen nur nicht mehr so stark.

Zwar signalisieren die Indikatoren (wie Risikoprämien oder die Targetforderungen), die vor einigen Monaten Kommentatoren und Twitter zum hyperventilieren brachten, Entwarnung. An der Verschuldungsproblematik hat sich aber nichts geändert. Allerdings hat sich die Haftungslage für Banken, institutionelle Investoren und andere private Gläubiger durch den Draghi-Put deutlich verändert, nämlich verbessert. Die Erwartung, dass private Gläubiger im Fall von Zahlungsschwierigkeiten haften müssen, hat sich deutlich verringert. Und genau diese Erwartungen kann man in gesunkenen Risikoprämien und Targetforderungen ablesen. Damit könnte man bestenfalls sagen, die Gläubigerkrise ist vorläufig beendet.
Die eingeleiteten bzw. versprochenen Maßnahmen helfen freilich nur, die Ungleichgewichte bis auf Weiteres weiter zu finanzieren. Dafür steigt das
Haftungsrisiko für die europäischen Steuerzahler und die Lasten für die Bürger in den Krisenländern täglich weiter an. Und die eigentlichen Ursachen der Schuldenkrise geraten in Vergessenheit. Zu ihrem Kern gehören dieUngleichgewichte in den Leistungsbilanzen. Diese Ungleichgewichte haben sich nicht plötzlich umgekehrt, sie verschlechtern sich nur nicht mehr so schnell, wie vor einem Jahr. Eine Verlangsamung der Ungleichgewichte aber bereits als Trendwende zu bezeichnen, ist eine echte Täuschung, vor allem gegenüber den haftenden und leidenden Bürgern.

Aber es ist typisch für die Sicht auf die Krise. Die öffentliche und politische Debatte konzentrierte sich in den letzten Jahren ausschließlich auf die Lösung des Finanzierungsproblems, sowie auf die Gefährdung der Banken. Man liest weiter wenig darüber, wie die Ungleichgewichte beseitigt werden. Wenn aber diese Ungleichgewichte nicht gelöst werden, sondern stets nur neue und noch kompliziertere Konstruktionen zur Entlastung privater Gläubiger bzw. der Defizitfinanzierung entwickelt werden, gewinnt Europa zwar Zeit, wird sich aber leider früher oder später erneut festfahren.

Die NZZ sprach kürzlich von einem Paradigmenwechsel, weil die Aktivitäten der Notenbanken zu einer Verzerrung der Marktentwicklungen führt. Die Notenbanken hätten weltweit den Umgang mit Risiko verzerrt. Das ist wahr. Aber an Finanzmärkten verschwinden Risiken nicht wie durch Zauberhand, sie werden einfach nur anders verteilt.

Jaylee Januar 15, 2013 um 10:45 Uhr

Euro-Krise hin oder her, wir befinden uns in einer Weltwirtschaftskrise. Die USA schmeißen mit dem Geld um sich, als gäbe es kein morgen und entwerten dieses als Ausgleich einfach. Wir werden noch sehen, was wir davon haben.

nigecus Januar 14, 2013 um 21:32 Uhr

Das mit dem Risikoprämien liegt einfach daran, dass super viel Geld ins Finanzsystem gepumpt wurde. Das hat dann im letzten Jahr alles an Spreads reinlaufen lassen, was nicht bei Drei auf dem Baum war. Too much money chase to few goods (bzw. Finanzprodukte).

Klaro hat die EZB immer gesagt, dass die überschüssige Liquidität nicht das Finanzsystem verlassen wird. Aber wirklich verhindern werden sie es nicht, weil die Renditenmöglichkeiten im Finanzsystem so ziemlich ausgelutscht sind. Ich denke dass ist das zarte Pflänzchen einer schicken Konjunktur(blase) begleitet von demand-side inflation. Natürlich wollen Politiker diese lieber gestern als heute herbei reden.

Andreas Bangemann Januar 14, 2013 um 12:41 Uhr

Weitgehend ganz gut analysiert. Lediglich hinsichtlich dem „Kern der Eurokrise“ gehen Sie der Sache nicht tief genug auf den Grund. Die Leistungsbilanzunterschiede als Kern auszumachen, ist zu oberflächlich.
Die bestanden vor dem Euro und vor der Krise und sie werden immer bestehen, solange es Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen gibt, was das Leben im Grunde ausmacht. Und das ist auch gut so. Wer eine Gemeinschaftswährung konzipiert und diesen Aspekt vergessen hat, der sollte sich hinterher nicht Gedanken machen, wie er die Menschen verbiegt (sprich zu höherer Leistung verdonnert), sondern wie er das installierte System den Menschen anpasst.
Wir haben ganz klar eine Systemkrise. Die wachsenden Geldvermögen lassen die Verschuldung wachsen und die werden zwangsläufig unbezahlbar, weil sie mit Leistungen erbracht werden müssen und die wiederum nicht unendlich wachsen können.
Wer Schulden senken will und damit bedienbar machen will, kommt nicht um Konzepte herum, die das Wachsen von Geldvermögen beenden.

Dirk Elsner Januar 14, 2013 um 17:42 Uhr

Sie haben Recht. Die Leistungsbilanzkrise ist ja selbst nur eine Folge eines bestimmten Verhaltens bzw. bestimmter Anreize. Ich habe das an anderer Stelle schon sehr tief beschrieben und wollte das hier nicht noch einmal machen.
http://www.blicklog.com/2012/06/20/meine-sechs-punkte-zum-verstehen-der-debatte-zur-europischen-schuldenkrise/

topperhopper Januar 14, 2013 um 12:00 Uhr

Hallo Herr Elsner,

„Wie immer werden uns nun plausible Geschichten erzählt, mit denen die Trendwende begründet wird.“

Man merkt, dass Sie gerade „Schnelles Denken, langsames Denken“ gelesen haben. Ich tue es auch gerade (einige Kapitel sind zäh, andere dagegen sehr erhellend). Im Nachhinein wird wie immer alles plausibilisiert – es werden verkaufbare Geschichten erzählt. Es wundert mich nur, dass sich noch keine „Experte“ gemeldet hat, der sagt, dass er die Draghi-Strategie schon immer empfohlen hat 🙂

An den Ursachen hat sich – wie Sie ja auch schreiben – überhaupt nichts geändert. Herr Draghi hat lediglich gedroht, gegen jeden Spekulanten und Hedgefonds an- und jedes Geldproblem wegdrucken zu wollen.

Die ursächlichen Probleme und Ungleichgewichte kommen irgendwann und irgendwo wieder zum Vorschein. Darauf ist Verlass.

VG

Dirk Elsner Januar 14, 2013 um 17:45 Uhr

Gut beobachtet topperhopper 🙂 Ich lese tatsächlich gerade den Kahneman. Dazu nächste Woche mehr.
Aber tatsächlich war diese auch schon vorher meine Position. Aber Kahneman schreibt noch pointierte, was ich bisher nicht in Worte fassen konnte.

Dirk Elsner Januar 14, 2013 um 09:14 Uhr

Primärüberschuss ist ja auch so ein Scheinbegriff, mit dem eine weiterhin trübe Situation aufgehellt werden soll. Wenn ein Unternehmen ein positives Bruttoergebnis erwirtschaftet, dann ist es ebenfalls noch lange nicht aus dem Schneider.

FDominicus Januar 14, 2013 um 07:55 Uhr

Es gibt keine wirklich substantiellen Änderungen. Die Verbindlichkeiten wurden nur hinter irgendwelchen „hochtrabenden“ Worten verschleiert. Auf dem zerohedge läuft gerade etwas über die Kosten der social security in den USA:
http://www.zerohedge.com/news/2013-01-12/guest-post-social-security-system-already-broke

Und auch Hollande hat sich aufgrund eines Krieges „etwas berappelt“. Ich weiß nicht wie es ablaufen wird aber es wird zu einem Ende kommen. Denn eins ist garantiert:
„Es gibt keine Möglichkeit, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kreditexpansion erzeugt wurde. Die einzige Alternative lautet: Entweder die Krise entsteht früher durch die freiwillige Beendigung einer Kreditexpansion – oder sie entsteht später als finale und totale Katastrophe für das betreffende Währungssystem. “

Irgendwo schrieb doch jemand der Primärüberschuss bei Griechenland sei gegeben. Was nur heißt, rechnen wir den Zinsdienst heraus, haben wir einen „Überschuß“ der Einnahmen über die Ausgaben. Nun ja dann muß man ja „nur“ noch den Zinsdienst irgendwie umgehen…..

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