BITCOIN schon genutzt? Der Erfahrungsbericht eines Lesers

by Dirk Elsner on 30. April 2013

Gastbeitrag von Hauke Hess*

Ich habe 2011 – während des ersten Medienhypes zu diesem Thema – einen Bruchteil-Bitcoin geschenkt bekommen, damals gab es eine Internetseite, die das machte, um Bitcoins zu promoten. Es hat mehrere Tage gedauert bis der Bitcoin auf meinem Rechner "angekommen" war, weil das gesamte P2P Netzwerk die Transaktion autorisieren (bestätigen) musste. Das hatte allerdings den Laptop meiner Freundin benutzt, Freundin futsch, Bitcoin futsch, so etwas passiert.

Letztes Wochenende wollte ich bei MT.Gox meinen alten Account wieder öffnen, das Passwort wurde mir allerdings nicht, wie versprochen, innerhalb von 24 Stunden zugeschickt. Einen neuen Account habe ich Samstag eröffnen wollen (Perso-Scan, Meldebestätigung für Wohnadresse, Bankverbindung für Überweisungen) und stand an 24.000er Stelle der Warteliste. Heute stehe ich noch an 20.000er Stelle. Angeblich soll das binnen 10 Tagen abgearbeitet sein, das muss sich erst noch zeigen.

Mein Bitcoin-Client brauchte fast einen ganzen Tag, um sich in die "Proof-of-Work-Chain" einzuklinken – nun dauert es nach einigen Tagen off immer noch einige Minuten zur Aktualisierung bevor wieder alles "in sync" ist. Einen Bitcoin habe ich natürlich immer noch nicht.

Die "wallet"-Datei fliegt aus bestimmten Gründen immer noch unverschlüsselt auf der lokalen Festplatte herum. Will man dafür mehr als nur Taschengeldbeträge angemessene Sicherheitsmechanismen einrichten, ist das eine Wissenschaft für sich und erfordert die Abarbeitung eines komplizierten How to aus der Bitcoin Wiki.

Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis so umschaue, wäre ich vermutlich der einzige der tatsächlich in der Lage wäre, seine Bitcoins selbst auf dem lokalen Client zu halten und hinreichend abzusichern. Man muss schon fast Informatiker sein, um das zu leisten. Und auch mich würde das einige Stunden kosten.

Ich vermute daher, dass die meisten Bitcoin-Benutzer einen Account bei MT.Gox oder ähnlichen Bitcoin-Tauschbörsen eröffnen, ihr Geld dahin überweisen und dort fröhlich Geld-Bitcoin-Geld-Bitcoin tauschen, um zu zocken. Der Client auf dem eigenen PC bestätigt dann mit einer gewissen Verzögerung, dass die Bitcoins tatsächlich übertragen wurden, aber wie die wallet-Datei gesichert ist, interessiert nur die wenigsten „weil es ja immer funktioniert hat“.

Wenn Bitcoins sich durchsetzen sollten – und sei es auch „nur“ als Goldstandard 2.0 – wird es sehr große IT-Rechenzentren geben müssen, die diese Bitcoin-Verwaltung vertrauensvoll und gegen Gebühr übernehmen.

Ich denke an Amazon, Google und ähnliche Cloud-Anbieter. Für den Endkunden wird es nahezu unmöglich sein, so schnell Bitcoins nutzen zu können wie es etwa Paypal mit US-Dollar oder Euro kann. Das Netzwerk wird immer länger brauchen, Transaktionen zu autorisieren, wenn es immer mehr davon geben wird. Gegen Transaktionsgebühr kann man die Autorisierung übrigens beschleunigen, das sieht das Bitcoin-Protokoll so vor. Große Beträge erhält man also schneller als Pennis. Ich glaube nicht, dass das sehr viele Redakteure bei Handelsblatt oder anderen Medien bislang wissen. Die meisten schauen wahrscheinlich nur auf die MT.Gox Kurse und machen sich ihre Gedanken dazu.

Bleibt also Bitcoin als inflationsgeschützte Wertaufbewahrung statt Gold oder Matratze – mit auf Bitcoin bezogenen Geldscheinen oder Kreditkarten, die dann wieder über zentrale Clearingstellen verwendet werden um praktikablere Zahlungswege zu ermöglichen als irreversible Bitcoin-Austauschtransaktionen. Es braucht vermutlich erst ein Bitcoin-iTunes, bevor sich das Verfahren so durchsetzt, wie es MP3 dank Apple getan hat.


* Hauke Hess ist Geschäftsführer der Pall Mall Investment Management GmbH Hamburg. Er hatte mir auf den Beitrag Bitcoin kommt gerade erst in der Realität an diesen Text in einer Mail als persönlichen Kommentar geschrieben. Mit seiner Erlaubnis darf ich diese Mail hier als Beitrag veröffentlichen.

Hess April 30, 2013 um 10:43 Uhr

Danke, queue!
Mein Artikel war gar nicht als Kritik an Bitcoins als Währungsalternative gedacht sondern ein Hinweis auf die Schwierigkeiten die sich ergeben wenn man sich dem Thema ein wenig näher widmen möchte als nur die Schlagzeilen auf Handeslblatt & Co zu lesen.

Dank Deines Kommentars kann man sich eine Menge Zeit sparen und sicherlich einige „Fehler“ (aka Umwege) vermeiden die ich gelaufen bin.

queue April 27, 2013 um 12:06 Uhr

Schon wieder eine Menge FUD…

Fangen wir mal an. Punkt 1 ist die Auswahl des Clients. Der Autor hat sich für den Original-Client Bitcoin-QT entschieden. Dieser Client ist nicht nur eine Bitcoin-Brieftasche, sondern die Referenzimplementierung aller Bitcoin-Funktionen und das Rückgrat des Netzwerks. Man kann sogar damit Bitcoins minen, was sich für einen notmalsterblichen PC-Benutzer seit Jahren nicht mehr lohnt. Daher verbraucht dieser Client ungeheuer viele Ressourcen. Es steht auch auf der Download-Seite, dass es Tage dauern kann, bis er einsatzbereit ist.
Multibit oder Electrum z.B. haben dieses Problem nicht. Das erste Synchronisieren dauert Minuten, in der Folge nur noch Sekunden (Multibit 3 Wochen nicht genutzt – 20 Sekunden). Beide sind auf bitcoin.org neben dem Original-Client verlinkt und ihre Vorteile für „Normalanwender“ sind dort auch ausgeführt.

Punkt 2 ist die Auswahl der Börse. Der Autor hat sich aus unerfindlichen Gründen für MtGox entschieden, wahrscheinlich, weil es die größte Börse ist und medienpräsent seit Wochen mit Überlastung kämpft. MtGox sitzt in Japan und hat recht gute Bank-Kontakte in die USA (u.a. Western Union). Für asiatische oder amerikanische Nutzer macht es also Sinn, MtGox zu nutzen, für Casinogänger ebenfalls. Für Europäer dagegen sind Überweisungen zu MtGox einfach zu langwierig und umständlich. Selbst in Flautezeiten, wenn Anmeldungen am gleichen Tag bestätigt werden, kann eine Überweisung über eine Woche dauern.
Besser, man nutzt eine Börse, die selbst in Europa sitzt und sich auf SEPA-Überweisungen spezialisiert hat, z.B. Bitstamp. Üblicherweise dauert es 2-4 Werktage, bis man dort angemeldet ist und Geld transferiert hat.
Es zwingt einen auch niemand, unbedingt Börsen zu benutzen, Bitcoins kann man auch auf ebay oder localbitcoin kaufen, ohne vorher Geld an eine Börse zu überweisen, teilweise auch für Bargeld. Wenn ich US-Dollar haben will, gehe ich ja auch nicht an die Börse.
Zukünftig wird es noch andere Möglichkeiten wie z.B. Ripple geben.

Bei Punkt 3 wird es besonders abenteuerlich, die Verschlüsselung. Die verlinkte Wiki-Seite enthält gar keine konkrete Anleitung zum Verschlüsseln einer Brieftasche, weil sie sich auf keinen Client bezieht. Es ist ein ganz allgemeiner Exkurs über das „sichere Computer 1*1“. Wie wähle ich ein sicheres Passwort? Wie mache ich Backups? Wie funktionieren Linux-Live-CDs (und warum sind sie sicher)? Warum sollten Rechner, die sehr sensible Daten enthalten, vom Netzwerk getrennt sein?

Unter Multibit funktioniert das Verschlüsseln einer Brieftasche so:
1. Die (ungesicherte, weil alte oder neu angelegte) Brieftasche wird mit einem gelben Kästchen unterhalb des Namens angezeigt, Tooltip: „Diese Brieftasche ist nicht mit einem Passwort geschützt. Klicken für Hilfe“. Durch den Klick erhält man eine 8-zeilige Hilfeseite, die ebenfalls die Grundlagen von sicheren Passwörtern erklärt und eine Anleitung in einem kurzen Satz enthält.
2. Man klickt auf „Datei | Passwort hinzufügen“, wie es die Hilfeseite empfohlen hat. Es wird Name und Dateiname der ausgewählten Brieftasche angezeigt und zur doppelten Eingabe eines Passworts aufgerufen. Dann klickt man auf den Button, der mit „Passwort zur Brieftasche hinzufügen“ beschriftet ist.
3. Fertig, die Brieftasche ist verschlüsselt und sichtbar mit einem Schloss versehen. Für das Senden von Bitcoins muss man nun das Passwort eingeben.

Warum große Rechenzentren die Verwaltung übernehmen sollten, verstehe ich nicht. Gerade Amazon plant doch ein eigenes System, das eher Gutscheinen ähnelt. Wenn ich eh einem großen Anbieter vertrauen muss, warum dann nicht bei der Geldschöpfung? Bitcoin mit Mittelsmann ist kein Bitcoin mehr. Genauso wie viele „Goldzertifikate“ kein Gold sind.

Die Transaktionsgebühr liegt übrigens üblicherweise bei weniger als einem Cent (kein prozentualer Betrag), gegenüber normalen Überweisungen und Zahlungsdienstleistern ist das kaum relevant. Man kann sie auch weglassen, dann besteht allerdings das Risiko, dass es dauert, bis die Transaktion bestätigt wird. Kleinere Transaktionen im Centbereich ohne Gebühr werden dabei niedriger priorisiert, damit das Netzwerk nicht durch Spam lahmgelegt wird. Es gibt z.B. ein Glücksspiel namens SatoshiDice, das ähnlich wie ein Spielautomat funktioniert und fröhlich die Centbeträge jedes Durchgangs ohne Gebühr durch die Gegend bucht.
Das Risiko, dass eine Transaktion ungeprüft „hängen bleibt“, wird sich nächsten Monat deutlich verringern, da durch ein Update größere Blöcke möglich geworden sind.

Es bleibt der berechtigte Kritikpunkt, dass es zwischen einer Stunde (ich stehe neben einem der dutzend existierenden Bitcoin-Automaten oder jemand verkauft mir welche für Bargeld) und mehreren Tagen (Überweisung/Börse) dauert, um Fiat-Währung in Bitcoins umzutauschen und diese dann verwenden zu können. Dazu kommt die eigentliche Bezahltransaktion, die mit Bestätigungen meist 50-90 Minuten dauert.
Hier haben Fiat-Währungen natürlich den Vorteil der viel fortgeschritteneren Infrastruktur, außerdem kann vieles durch Vertrauen abgedeckt werden, was bei Bitcoin erst nach mathematischem Beweis akzeptiert wird. Ohne diese Infrastruktur sähe es aber auch übel aus. Beispiel:
Ich habe gerade mit einem Geschäftsfreund aus Bangalore telefoniert und einen Vertrag über 100€ abgeschlossen. Es ist Samstag 15 Uhr. Wann erhält er sein Geld?

1. Ich gebe online einen Überweisungsauftrag an die Bank. PIN, TAN, etc., der Auftrag wird frühestens Montag ausgeführt, mein Geschäftspartner erhält frühestens Donnerstag sein Geld. Überweisungen außerhalb des Euro-Raums kosten übrigens auch mehr als Inlandsüberweisungen.
2. Mein Girokonto ist leer, ich habe nur einen Hundert-Euro-Schein und etwas Kleingeld in der Tasche. Das kann ich aber am Wochenende nicht zur Bank bringen, es geht also erst Montag los (wenn ich da während der Geschäftszeiten Zeit habe). Wenn ich gar kein Girokonto habe, dann sieht es noch übler aus. (Ich habe da Erfhahrungen… seit ich wieder eines habe, kriege ich Werbeangebote über Girokonten von 8 Banken, die mich vorher abgelehnt haben). Bargeld per Post nach Indien schicken? Das dauert mindestens anderthalb Wochen.
3. Ich und mein Partner benutzen bereits Bitcoin, ich habe aber kein Guthaben. Versuche ich, Bitcoins per Überweisung zu erwerben oder Geld zu einer Brüse zu transferieren, läuft es ähnlich wie Szenario 1. Allerdings sind Überweisungen innerhalb der EU schneller, spätestens Mittwoch wäre das Geld da und ich könnte die Bitcoin-Transaktion Mittwoch abend abschließen. Der Aufwand wäre allerdings höher, als bei einer simplen Überweisung.
4. Ich kaufe meine Bitcoins über localbitcoin vermittelt gegen das Bargeld das ich habe, evtl. schon am Wochenende, vielleicht erst am Montag. Ich transferiere sie eine Stunde später mit meinem Handy an meinen Partner, der den Empfang sofort sieht und eine Stunde später bestätigt hat. Nachteil: Diese Angebote sind meist teurer.
5. Ich habe bereits Bitcoins, dann ist die Sache sofort (mit Bestätigungen nach einer Stunde) erledigt.
6. Mein Partner nutzt einen Zahlungsdienstleister (z.B. Paypal), dann können wir die Transaktion mittels Kreditkarte oder Paypal-Guthaben schon in Minuten abschließen. Intern ist sie zwar noch nicht abgewickelt, aber der Dienstleister garantiert (gegen Gebühren), dass alles glatt geht. Es sei denn, Paypal stellt fest, dass mein Partner gegen die AGBs verstößt (Wikileaks, Non-Profit etc.), dann wird das Guthaben eingefroren. Mein Partner kann die Leistung nicht erbringen, weil ihm die Mittel fehlen und wir haben beide ein Problem.

Hier zeigen sich die Vorteile von Bitcoin im Zahlungsverkehr. Es gibt Möglichkeiten, Transaktionen ohne Banken, ohne Zahlungsdienstleister und ohne Vertrauen in irgendeine Institution durchzuführen.
Der Einstieg für neue Benutzer ist möglich, indem sie einige Tipps kriegen:
– Benutze eine europäische Börse oder kaufe die Bitcoins direkt (z.B. über localbitcoins oder mich)
– Benutze einen benutzerfreundlichen Client wie Multibit am PC, auch die mobile Bitcoin-Wallet ist schnell
– Wenn du mehr investierst, als du ausgeben willst, also spekulierst, setze nicht mehr ein, als du verlieren könntest. Gehe davon aus, dass du es verlierst.

Der Rest ist eigentlich ganz einfach.

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