Blick Log Retro: Irrelevanz der Geldpolitik wegen der abnehmenden Bedeutung der Bankkredite?

by Dirk Elsner on 17. Mai 2013

Eine Woche Ferien ist bereits vergangen. Aber das Blog befindet sich weiter im Pausenmodus und macht hier weiter mit einem Beitrag aus dem Archiv mit einer aktuellen Ergänzung am Ende.

Zwischen Patrick Bernau (FAS) und einigen Blogs hat sich ein hoch anspruchsvolle Debatte entzündet zu den möglichen Konsequenzen der Geldschwemme. Es geht letztlich um die Frage, ob durch die Geldschwemme neue Blasen drohen. Ich möchte diese Debatte (angestoßen durch den Beitrag “Die große Geldschwemme. Oder: Wo wächst die nächste Blase?” und erwidert durch Henry Kaspar auf Kantoos in Assetblasen, Boom-Bust-Zyklen”) hier gar nicht nachzeichnen, das kann Bernau viel besser, etwa in seinem letzten Beitrag dazu “Wie schlimm ist die Geldschwemme? Eine Antwort”.

Ich bin auch weder geldpolitisch noch geldtheoretisch besonders versiert, sondern habe als praktisch arbeitender Betriebswirt eine andere Perspektive, die ich aber in dieser anspruchsvollen Debatte vermisse. Meine Wahrnehmung von der Wirkung der Geldpolitik der Zentralbank ist nämlich sehr durch die Kreditpraxis geprägt, die in den oft theoretischen Ausführungen der für Medien und Blogs schreibenden Geldpolitiker zu selten Beachtung findet. Ich frage mich nämlich insbesondere vor dem Hintergrund eines Aufsatzes im letzten Monatsbericht der Bundesbank, ob nicht die Wirkung geldpolitischer Instrumente viel zu sehr überschätzt wird.

Die Geldpolitik wirkt, so jedenfalls mein Verständnis, über sogenannte geldpolitische Transmissionsmechanismen (Details dazu unten aus einer Erklärung der österreichischen Nationalbank). Ein zentrales Kernelement dieser Wirkungsmechanismen ist die Kreditversorgung der Realwirtschaft durch den Banksektor. Banken sollen von der Zentralbank zur Verfügung gestelltes Geld und Zinssenkungen vor allem an die Kreditnehmer der Realwirtschaft weitergeben, um so die Investitionsneigung und damit die Konjunktur beflügeln. Die Kreditversorgung der Realwirtschafts durch die Banken spielt aber eine immer untergeordnetere Rolle, wie die Untersuchung der Bundesbank zeigt. Ich frage mich daher, ob nicht die Geldpolitik zunehmend irrelevant wird.

Anhand der Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung zeigt die Deutsche Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht, dass das gesamte Finanzierungsvolumen von Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar nominal und real zugenommen hat. Dabei hat die Bedeutung des traditionellen Bankkredits jedoch deutlich abgenommen. Die Bedeutung der Außenfinanzierung nahm in den letzten 10 Jahren in starken Schwankungen ab. Von 290 Mrd € Nettomittelaufnahme im Jahr 2000 auf 128 Mrd. € im Jahre 2010. In Deutschland haben dabei in den vergangenen Jahren alternative Finanzierungsformen signifikant an Bedeutung gewonnen, stellt die Bundesbank fest. Der Anteil der Kreditfinanzierung über Banken betrug 1991 noch 32% (bei Gesamtverbindlichkeiten von 2.042 Mrd. €) und ging auf 18% (gesamt 4.718 Mrd. €) zurück. Deutlich gewachsen sind dagegen im gleichen Zeitraum die Kredite anderer Gläubiger, darunter Versicherungen, sonstige Finanzinstitute und andere Unternehmen. Ihr Anteil hat sich von circa 6% 1991 auf 13,8% 2010.

Folgende interessante Tabelle veröffentlicht die Bundesbank dazu auf Seite 21: image

Die These der abnehmenden Bedeutung der Bankfinanzierung wird also anhand dieser Daten bestätigt. In welchem Umfang kann so eigentlich noch der Durchstich der Geldpolitik der Notenbank gelingen? Die Untersuchung der Bundesbank zeigt, dass sich die Realwirtschaft von wesentlichen Teilen des geldpolitische Transmissionsmechanismus abgekoppelt hat, nämlich der Kreditversorgung der Banken. Die Zins- und Geldmengenpolitik kann dann aber schlicht kaum noch eine Rolle für die Unternehmensfinanzierung spielen. Ich persönlich wundere mich seit Jahren, dass ständig mit einer Niedrigzinspolitik und expansiver Geldmengenpolitik auch bestimmte konjunkturpolitische Erwartungen verbunden sind. In der Wirtschaftspraxis wird aber nach ganz anderen Kriterien entschieden. Ich finde die aktuelle Untersuchung spricht eher für eine steigende Irrelevanz der Geldpolitik der Zentralbank für die Realwirtschaft.


Hintergrund Wirkungmechanismen der Geldpolitik

“Aufgrund des Einflusses, den die Geldpolitik auf die Finanzierungsbedingungen (nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Verfügbarkeit von Krediten oder die Bereitschaft der Banken, bestimmte Risiken einzugehen) in einer Volkswirtschaft ausübt und auch aufgrund ihres Einflusses auf Konjunktur- und Inflationserwartungen kann die Geldpolitik auf Güterpreise, Vermögenspreise, Wechselkurs sowie auf Konsum und Investitionen einwirken. Eine Zinssenkung trägt zum Beispiel zu einer Verringerung der Kreditkosten bei, die zu höherer Investitionstätigkeit sowie zum Kauf langlebiger Güter führt. Die Erwartung eines Konjunkturaufschwungs kann die Banken auch dazu veranlassen, ihre Kreditvergabepolitik zu lockern, was wiederum dazu führt, dass Unternehmen und Haushalte ihre Ausgaben erhöhen können. Bei niedrigeren Zinssätzen werden Aktien attraktiver, sodass das Vermögen der Haushalte steigt, was ebenfalls zu höheren Konsumausgaben beiträgt, während für Unternehmen die Attraktivität ihrer Investitionsprojekte zunimmt. Ein niedrigerer Zinssatz führt tendenziell auch zu einer Abwertung der Währung: Wenn importierte Güter teurer werden, steigt die Nachfrage nach inländischen Gütern. Alle diese Faktoren bewirken höhere Produktion und Beschäftigung sowie höhere Investitions- und Konsumausgaben. Wenn Güter- und Arbeitsmärkte ausgelastet sind, kann jedoch diese erhöhte Nachfrage ein Ansteigen der Preise und Löhne zur Folge haben. Die genauere Art und Weise, wie sich geldpolitische Entscheidungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen und das Preisniveau im Besonderen auswirken, wird geldpolitischer Transmissionsmechanismus genannt. Die einzelnen Verbindungen, über die diese geldpolitischen Impulse übertragen werden, werden als Transmissionskanäle bezeichnet. Die wichtigsten geldpolitischen Übertragungswege (Transmissionskanäle) sind in der Abbildung vereinfacht und schematisch dargestellt.” image


Den volkswirtschaftlichen Ansatz zur Erklärung der Wirkungslosigkeit der Geldpolitik hat Acemaxx Analytic jüngst in einem Blogeintrag zusammengefasst: Meine Oma und Liquiditätsfalle. Darin schreibt er u.a.:

“Amerika, Japan und Kern-EU stecken zum Zeitpunkt alle in einer Liquiditätsfalle. Die private Nachfrage ist so schwach, dass die Ausgaben selbst bei Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) zu kurz greifen, was für die Vollbeschäftigung nötig wäre. Und die Zinssätze können nicht unter null fallen (außer nur für eine sehr kurze Zeit), weil Investoren die Option hätten, einfach Bargeld zu halten. Dies ist im Übrigen keine hypothetische Annahme: Es gab in den vergangenen Jahren einen starken Anstieg der Cashbestände, obwohl vieles davon 100 Dollar Scheine betrifft, die im Ausland liegen.

Unter diesen Umständen entfaltet die gewöhnliche Geldpolitik, die die Form eines Offenmarktgeschäftes annimmt, wo die Zentralbank kurzfristige Schuldtitel mit dem Geld kauft, welches sie einfach aus der Luft schafft, keine Wirkung. Warum?

Der Grund ist einfach: Die Offenmarktgeschäfte funktionieren so, dass die Menschen ein Tradeoff zwischen Ertrag und Liquidität anstellen. Sie behalten aus Liquiditätsgründen das Geld, das keinen Zins abwirft, zurück. Aber sie limitieren die Barbestände, weil sie für den Ertragsausfall einen Preis zahlen müssen. Wenn die Zentralbank also mehr Geld pumpt, halten die Menschen mehr Geld als sie es sonst gern tun würden, und versuchen, es abzuladen, was die Zinsen im diesem Prozess weiter nach unten druckt.”

Bei Acemaxx weiterlesen für die ganze Erklärung

Benjamin Oktober 28, 2013 um 08:28 Uhr

Hallo Dirk,

die Untersuchung der BuBa legt doch nur den Schluss nahe, dass die Geldpolitik für Dehtschland immer mehr ein Einfluss verliert. Aber für die Eurozone als ganzes sieht es wohl anders aus (EZB MB 2010-10, hab noch nicht nach einer aktuellen Quelle geschaut).

Aber das ist auch nur richtig für den Transmissionskanal über die Bankenkredite. Der Leitzins zieht auch einen Boden unter Anleihenzinsen ein. Das klassische Arbitrageargument.

Insofern nimmt die Bedeutung der Banken in der Geldpolitik ab, nicht aber die Bedeutung der Geldpolitik. Irgendwoher muss die Fremdfinanzierung der Realwirtschaft ja kommen. Wenn sie nicht mit Bankkrediten kommt, dann eben als Anleihen.

Dirk Elsner Oktober 28, 2013 um 10:59 Uhr

Auch wenn dieser Artikel ein anderes Thema hatte, in unser Diskussion auf Twitter ging es ja um die Relevanz der Banken für die Unternehmensfinanzierung. Und ich erinnerte mich an diesen Satz:
„Der Anteil der Kreditfinanzierung über Banken betrug 1991 noch 32% (bei Gesamtverbindlichkeiten von 2.042 Mrd. €) und ging auf 18% (gesamt 4.718 Mrd. €) zurück. Deutlich gewachsen sind dagegen im gleichen Zeitraum die Kredite anderer Gläubiger, darunter Versicherungen, sonstige Finanzinstitute und andere Unternehmen. Ihr Anteil hat sich von circa 6% 1991 auf 13,8% 2010.“
Viele Grüße
Dirk

Martin Hark Oktober 4, 2013 um 17:12 Uhr

Der Artikel ist wirklich sehr interessant. Ich habe mit in jüngster Vergangenheit ebenfalls mit dieser Thematik, hierbei vor allem mit den Börsen beschäftigt. Die Börsen stellen im Hintergrund einen wichtigen Bestandteil für das Funktionieren einer Marktwirtschaft dar. Der Großteil der Geschäfte, hierbei vor allem in der Finanzwelt, welche Privatinvestoren betreffen, wird über eine Börse gehandelt. Hierbei werden Börsen in der Regel als Selbstverständlichkeit betrachtet und nur sehr wenige machen sich hierbei darüber Gedanken welche Funktionen die Börsen überhaupt erbringen. Eine Unterscheidung, hier vor allem nach den Geschäftsarten z.B. Devisen, Wertpapiere, Derivate … erhöht die Spezialisierungsmöglichkeit und gleichzeitig die Funktionserbringung. Zusammenfassend muss man festhalten, dass das Vorhandensein von Börsen den Grundbaustein einer funktionierenden Finanzwelt / Wirtschaft darstellt.

Berndt August 7, 2013 um 13:09 Uhr

Sie vergessen hier jedoch die Konsumentenkredite! Allein auf Bankkredite für Unternehmen zu schauen, wirkt zu kurz. Ich wüsste nicht, wie sich jemand ein neues Auto finanzieren will, ohne zur Bank zu gehen. Financial Angels wird es wohl kaum wie Sand am Meer geben, auf die man zurück greifen könnte. Und damit hat das Zinsniveau der Zentralbanken schon einen Einfluss auf die Kreditvergabe, auch wenn die bei Unternehmenskrediten sicherlich ein geringerer Anteil ist. Meines Erachtens spielen sowieso die Kredite an private Haushalte eine viel größere Rolle bei der Bildung von Blasen.

Und kann es nicht auch sein, dass Unternehmen weniger auf Kredite angewiesen sind, da sie vorher ja schon das per Kredit geschöpfte Geld der Privaten erhalten haben und somit eine bessere Kapitalausstattung? Früher hat das Unternehmen einen Kredit aufgenommen um Produkte herzustellen und sie dann an die Privaten – welche mit dem laufenden Einkommen bezahlt haben – zu verkaufen. Heutzutage (zum. bis vor 2008) nehmen die Privaten Kredite auf, kaufen davon Produkte, die die Unternehmen durch zuvor mit privatem „Kreditgeld“ herstellen konnten. Zugegeben ist das hier nur anekdotische Evidenz, aber die private Verschuldung hat nicht umsonst im Umfang zugenommen, wie die Unternehmensbankkredite abgenommen haben.

FDominicus Mai 18, 2013 um 06:28 Uhr

@Andread. Inflation die nicht da ist. Nun ich brauche mir „nur“ die zusammenbrechenden Preise bei Immobilien in den Krisenstaaten und/aber auch den USA anzusehen und ich brauche „nur“ den DAX anzusehen und weiß wo das Geld bleibt. Diese Übertreibungen werden derzeit abgebaut und dagegen drucken die Zentralbanken an. Es ist anscheinen zu offensichtlich um von Ihnen erkannt zu werden.

Und woran machen Sie Ihre Inflation fest? Haben Sie einfach nur mal geschaut was Sie dieses Jahr für Ihre Ausgaben leisten und wieviel in den Vorjahren? Sie können die Inflation nicht sehen?

FDominicus Mai 18, 2013 um 06:32 Uhr

Da bearbeiten ja nicht geht. Inflation heißt Geld drucken und das tun die Zentralbanken mit „Begeisterung“ und im letzten Jahr sind alleine in der EU 512 Mrd ungedeckte neue Finanzlöcher aufgerissen worden, die auf folgende Art „bezahlt“ werden. Banken die Pleite sind kaufen Anleihen von Staaten die Pleite sind und die neue Anleihen auch auflegen um wiederum die Pleitebanken zu retten. Im Augenblick zirkuliert das Geld wunderbar zwischen Banken und Staaten hin/her. Der Rest fällt wohl unter Kollateralschäden..

Andreas Mai 17, 2013 um 10:29 Uhr

Die Diskussion über Wirkungen der sog. Geldschwemme zeigt m.E. zwei Dinge auf, die seit Ausbruch der Krise zu einer seltsam verzerrten Problemwahrnehmung geführt haben:

1. Seit vielen Jahren wird nun vor einer Inflation gewarnt, die nicht kommt. Im Gegenteil sinken die Inflationsraten weltweit. Diese Tatsache hat aber nicht dazu geführt, dass Warnungen vor Inflation verstummt sind. Zum Teil haben sie sich nun aber auf den Asset-Markt verlagert, dem Blasenbildung unterstellt wird – ohne dies weiter zu belegen. Die Ursachen der Finanzkrise reichen vielfach als Begründung aus, was aber zum zweiten – wie ich finde – viel problematischeren Punkt führt:

2. Wenn man tatsächlich annimmt, die Finanzmärkte befänden sich wieder im Vorkrisenmodus und die Geschichte wiederhole sich, impliziert man damit drei Dinge: Erstens, die Akteure auf den Finanzmärkten verhalten sich weiterhin irrational und haben wenig gelernt – was vermutlich stimmt. Zweitens, dieses Verhalten findet weiterhin in einem völlig unzureichend regulierten Markt statt – was mit ziemlicher Sicherheit stimmt. Und drittens, die Folgen dieses Handelns haben immer noch die Qualität, massive Kosten in der Realwirtschaft und für den Steuerzahler zu produzieren – denn wäre dem nicht so, bräuchte Blasenbildung auf irgendwelchen Märkten niemanden sonderlich zu interessieren. Wenn aber alle drei Punkte stimmen, was sollte man dann fordern? Restriktive Geldpolitik mit in rezessivem Umfeld vermutlich hohen ökonomischen Kosten? Oder nicht etwa einen endlich besser regulierten Finanzmarkt, krisenfeste Banken und ein funktionierendes – und daher europaweites – Resolutionsregime für Finanzinstitute? Die Geldpolitik jedenfalls ist nicht Ursache des Marktversagens im Finanzsystem und die Diskussion um eine Geldschwemme lenkt letztlich nur die Aufmerksamkeit von letzterem ab.

Eine weitere Beobachtung finde ich interessant: Viele der Warner vor den Folgen einer Geldschwemme, die implizit von Finanzmarktversagen ausgehen, halten das „Vertrauen“ der Akteure auf eben diesem dysfuktionalen Markt weiterhin für entscheidend dafür, welche Politik in Europa produziert werden sollte. Was ist das: Kognitive Dissionanz?

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