Warnzeichen vor dem Weg zum Unglück eines Unternehmens

by Dirk Elsner on 28. Juni 2013

Eigentlich gehen mir ja Ratgeber- und Rennlisten auf die Nerven, weil die meisten fern von der Realität der Unternehmenspraxis sind und von Leuten geschrieben werden, die selten in einem Unternehmen gearbeitet haben. Wenn man aber ein paar Jahre in der Wirtschaftspraxis unterwegs ist, etwas genauer auf die Feinheiten so manchen Unternehmens schaut und sieht, wie sie sich entwickeln, dann fallen einem viele positive und negative Dinge auf. Über manche Wirkungszusammenhänge braucht man dann keine tief gelegte Analyse oder gar empirische Studien, zuweilen reichen die Nase und ein klarer Blick dafür, ob es in einem Unternehmen gut oder schlecht läuft.

Hier 13 Warnzeichen, die zeigen, dass Ihr Unternehmen auf dem Weg ins Unglück sein könnte.

1. Formalien interessieren mehr als Fakten: In Gesprächsrunden/bei Feedbacks wird mehr über die Berichtsformate und Gestaltung von Powerpointfolien als über Inhalte diskutiert.

2. Präsentation vor Performance: Beim Management punkten eher diejenigen, die (sich) gut präsentieren und weniger die, die gute Ergebnisse abliefern und sich für Sachlösungen einsetzen.

3. Recht vor richtig: Vor (wichtigen) Entscheidung werden erst einmal Rechtsgutachten und  Einschätzungen von Unternehmensberatungen/Wirtschaftsprüfern eingeholt.

4. Optimierungsprogramme erhalten putzige Namen, die die echten Ziele von Kostenkürzungen und Restrukturierungen verschleiern oder verniedlichen.

5. Abstimmung vor Durchsetzung. Ausführlich betrachtet in dem Beitrag “Heute schon abgestimmt“?

6. Extern vor intern: Die Geschäftsleitung verlässt sich lieber auf Empfehlungen externer Berater als auf die der eigenen Führungskräfte und Mitarbeiter.

7. Kontrolle von Kreativität: Die Compliance-Abteilung ist größer als die Produktentwicklung.

8. Kosten vor Wirkung: In Ihrem Unternehmen streiten sich Abteilungen, wer welchen Anteil an den Kosten für den Kopierer trägt.

9. Leitsätze vor gelebter Kultur: In Ihrem Unternehmen werden Leitsätze für eine Corporate Culture aufgehängt aber nicht gelebt.

10. ISO-SIX vor Fähigkeit. Das Management verspricht sich von formalisierten Guru-Moden wie SIX-Sigma, ISO-Zertifizierung etc, die Kosten und Qualität in den Griff zu bekommen.

11. Glattbügeln vor Anecken: Das Middelmanagement hält kritische Entwicklungen vom Vorstand fern, weil sie fürchten bei der Überbringung schlechter Nachrichten als schwache Führungskräfte zu gelten und negative Konsequenzen scheuen.

12. Sprache vor Handeln: Mit der Gesprächskultur in Meetings lässt sich innerhalb von 3 Minuten ein Bullshitbingo gewinnen.

13. Star vor Core. Ein vermeintlicher Managementstar wird als Mr. Wirtschaftswunder für die Unternehmensspitze angepriesen

Ein Disclaimer

In der Wissenschaft besteht mittlerweile ein breiter Konsens, dass keine generellen Erfolgsstrategien für Unternehmen existieren. Phil Rosenzweig, Professor an der Lausanner Business-School IMD, hat in seinem Buch “Der Halo-Effekt” u.a. ziemlich eindrucksvoll den angeblich mit wissenschaftlicher Genauigkeit erstellten Bestseller der McKinsey-Berater Tom Peters und Robert Waterman  Klassiker „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“ demontiert. Der Erfolg der 43 Unternehmen, die Peters und Waterman als vorbildlich für ihre Spitzenleistungen ansehen, hielt tatsächlich nicht lange an. Peters hat übrigens mittlerweile selbst zugegeben, dass die Unternehmen für die Studie so ausgewählt wurden, dass das bereits vor der Untersuchung feststehende Ergebnis auf die Unternehmen passte (siehe dazu Tom Peters’s True Confessions auf Fastcompany.com).

Dass immer wieder nach neuen Ansätzen Ausschau gehalten wird, mag zwar aus Sicht eines nach Antworten suchenden Managers nachvollziehbar sein, neue Ratgeber werden ihn dabei aber nicht unterstützen. Das bedeutet nicht, dass man nicht aus Werken wie “Was würde Apple tun” den einen oder anderen Hinweis ziehen kann. Aber gerade das Beispiel Apple zeigt, dass solche Ratgeber schnell den anekdotischen Charakter erhalten, wenn der Erfolg ausbleibt.

Lassen Sie sich also auch von mir nicht täuschen. Wie alle Ratgeberlisten, sollte man auch die oben stehende Aufzählung kritisch beachten. Es sind reine Bauchregeln. Und sicher wird irgend jemand ein Unternehmen kennen, das trotz dieser Merkmale erfolgreich ist. Dennoch würde ich darauf wetten, dass Unternehmen, bei denen viele der oben stehenden Merkmale zu finden sind, eine eher unterdurchschnittliche Performance an den Tag legen.

Nachtrag:

Im NSN-Forum der Seite Netzwerk IT wird dieser Beitrag munter um weitere Warnzeichen ergänzt.


Dieser Beitrag ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Beitrags, den ich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

Maximilian Juni 29, 2013 um 23:41 Uhr

Von den 13 Warnzeichen habe ich mindestens 15-20 bei jedem Daxunternehmen, das ich bisher beraten durfte, bemerkt (hups, Arithmetik, aber es gibt noch mindestens 10-15 weitere, ähnlich geartete Warnzeichen). Erstaunlicherweise sind die Unternehmen nahezu alle noch recht vital. Ich glaube, dass es eher typische Probleme von Großunternehmen sind und nicht darauf hindeuten, dass das Ende naht. In einer gerechten Welt wie der unseren gibt es im Gegenzug zu den Economies of Scale eben auch eine Downside.

Lutz Breunig Juni 28, 2013 um 11:06 Uhr

.. wie wäre es noch damit?

14. Selbstbeschäftigung anstatt Beschäftigung mit den Kunden
15. Interne Machtkämpfe anstatt Bündeln der Kräfte
16 . Rechtfertigen vor Service

FDominicus Juni 28, 2013 um 10:09 Uhr

Warum mußte ich bei dieser Liste an meine Zeit an der Uni als Assi denken?

david.mpo Juni 28, 2013 um 06:19 Uhr

warum musste ich bei dieser netten Liste nur sofort an Siemens denken? 🙂

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