Gastbeitrag von Dr. Renee Menendez*
Es gibt ja immer wieder die Diskussion darüber, ob Banken “GELD AUS DEM NICHTS” schaffen können oder nicht. Die Diskussion darüber ist meistens weniger durch Sachlichkeit, sondern durch apodiktische Rechthaberei geprägt. Und dennoch lässt sich sinnvoll der Versuch unternehmen, zu einer Klärung dieser geldtheoretisch interessanten Frage zu kommen.
Es ist ja inzwischen hinlänglich bekannt, dass es mindestens zwei Begriffsinhalte gibt, die den Terminus “Geld” für sich beanspruchen, Banknoten einerseits und Guthaben/ Depositen andererseits. Da es die gibt ist es nicht zweckdienlich dem jeweils anderen den Gebrauch dieses Terminus irgendwie streitig zu machen, bloß weil das Gegenüber den eigenen Begriffsinhalt anders bezeichnen will. Es geht dabei auch nicht um richtig oder falsch, sondern um die Frage, was man gerade thematisch behandeln will. Denn rein sachlich gesehen dreht sich diese Geschichte darum, ob man eine Sichtforderung (Guthaben/ Depositum) gegen eine Bank bereits als Geld (im Sinne eines schuldbefreienden Zahlungsmittels) ansehen will oder nicht. Dabei wird von keiner Seite bestritten, dass Sichtforderungen und Banknoten völlig unterschiedliche Dinge sind. Es besteht auch Einigkeit darüber was M0 darstellt, was in Frage steht ist, ob der Begriff Geld in dieser Bedeutung (wie es auf M0 zutrifft) auch auf die Geldmenge M1 angewendet werden kann. Das Problem bei der Sache ist, dass M1 zwei Dinge enthält, die nicht so ohne weiteres identifiziert werden können, nämlich Banknoten/ ZB-Forderungen einerseits und Sichtforderungen gegen Geschäftsbanken andererseits. Das hat schon ein rein rechtliches Problem, denn Banknoten sind Sachen im Sinne des Sachenrechts, während Sichtforderungen eben halt Forderungen sind und als solche eine schuldrechtliche Bedeutung haben.
Diese Tatsachen kulminieren dann in der Frage, ob bei einer Überweisung lediglich die Sichtforderung des Überweisenden übertragen wird oder nicht. Man könnte spiegelbildlich auch sagen, dass es darum geht, dass die Bankverbindlichkeit übertragen wird oder nicht. Das kann man so sehen, soweit man den Forderungs-/ Schuldübertrag als schuldbefreiende Zahlung ansieht (was sie nicht ist). Man kann es auch so sehen, dass bei einer Überweisung die Verpflichtung der Bank / Forderung gegen die Bank erlischt und Geld (eine Sache) zu einer anderen Bank übertragen wird, wo dann – wegen dieser Geldübertragung – eine neue Forderung gegen die Bank / Verpflichtung der Bank etabliert wird. Wenn es also Geld im Sinne von M0 ist, welches zu übertragen ist, verliert natürlich eine Forderungs-/ Verbindlichkeitsposition ihren Geldcharakter und stellt sich als das heraus, was es ist: eine Forderung gegen bzw. eine Verpflichtung der Bank.
Der eigentliche Aufhänger ist jedoch immer wieder der, was damit gemeint ist, wenn es heißt: Banken schaffen “GELD AUS DEM NICHTS”. Da man davon ausgehen kann, dass die Existenz von M0 unstreitig ist, M0 aber nicht dasjenige ist, was die Banken als “Geld” schaffen, muss dann wohl doch eine Erklärung dafür her, wozu dieses Zentralbankgeld denn eigentlich da ist. Denn das was die Banken an “Geld” schaffen ist nicht das, was die Bankkunden aus dem Geldautomaten ziehen.
Die Frage, die dabei immer im Raum steht ist, wozu es eigentlich Zentralbankgeld gibt, denn ein Verrechnungssystem wie es aus dem “fei lun” (Disclaimer: “Se non è vero, è ben trovato.” ) bekannt ist, lässt sich ja auch allein durch die Banken bewerkstelligen. Aber aus irgendeinem verteufelten Grund gibt es auch noch die Frage, womit denn eigentlich Salden ausgeglichen werden, wenn es dazu kommt, dass sich Differenzen herausbilden, welche die Eigenschaft haben, sich nicht im Zeitablauf auszugleichen. Und das erfordert in Bezug auf moderne Bankensysteme die Antwort auf die Frage, warum Zentralbankgeld notwendig ist, weil auch ein Verrechnungssystem nicht darauf verzichten kann zu prüfen, ob die Verrechnungssalden “nachhaltig” sind oder nicht. Ich gehe mal davon aus, dass dieser “Zahlungsausgleich” im “fei lun” System dadurch erfolgte, dass bei “zu großen” Salden ein Übertrag in Rindern erfolgen musste, genauso wie 1971 die Franzosen einen Saldenausgleich in dem definierten Saldenausgleichsmedium Gold verlangt haben, was ja dann zu der Aufhebung des offiziellen Goldstandards geführt hat – weil Bretton Woods, entgegen einer naiven Geldtheorie, einen Dollar-Standard und keinen Gold-Standard definiert hat.
Insofern ist es auch nicht erforderlich aus der Frage, wo Zentralbankgeld entsteht, ein Problem zu machen, sondern man muss sich fragen, warum es entstehen muss. Das WO ist einfach: es entsteht faktisch (hauptsächlich) bei der Kreditgewährung einer Zentralbank – Besicherungen hin oder her. Das WARUM? Banken brauchen Zentralbankgeld deswegen, weil sie Salden auszugleichen haben, von denen sie, bzw. die Gläubigerbank nicht erwarten, dass diese sich in absehbarer Zeit zurückbilden. Sobald das so ist – und jede Bank steht unter einem Druck ausreichende Zentralbankgeldbestände zu haben, um jederzeit einen Saldenausgleich vornehmen zu können, wird auch die Theorie, dass Banken “GELD AUS DEM NICHTS” schaffen, hinfällig. Denn in letzter Konsequenz bleiben sie IMMER darauf angewiesen im Zweifelsfall über ein ausreichendes Volumen des Saldenausgleichsmediums Zentralbankgeld zu verfügen, um ihre Verbindlichkeiten ausgleichen zu können.
Und das ist die Antwort: die Funktion von Zentralbankgeld ist in einer Kontrollfunktion zu verorten, ob die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ein- und Auszahlungen einer Bank den üblichen Bonitätsnormen des Bankensystems entspricht. Denn sobald Abweichungen entstehen werden üblicherweise sofort sämtliche Swing-Kreditlinien per sofort fällig gestellt, wo sich für die betroffene Bank erweist, dass das, was sie als “GELD AUS DEM NICHTS” erschafft eben doch nicht das ist, was sie zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten nutzen kann – denn dann heißt es zahlen, und zwar in dem Saldenausgleichsstandard Zentralbankgeld. Es erweist sich somit, dass Zentralbankgeld dazu da ist, um die Kreditvergabepolitik der Banken qualitativ zu nivellieren und über diese Notwendigkeit zum Liquiditätsausgleich in Zentralbankgeld sich ein einheitliches Bonitätsniveau herausbildet, welches als eigentliches Ziel von Zentralbankpolitik gesehen werden muss.
Dass Zentralbankgeld auch noch für Zahlungen im privaten Bereich genutzt wird, ist eigentlich ein Anachronismus der Geschichte. Im Unterschied zu anderen ist dieser nicht schädlich!
Der Beitrag in ein Crosspost vom Blog soffisticated mit Genehmigung des Autors
Die statische bankwirtschaftliche Unterscheidung von Bar- und Giralgeld lenkt von der Frage eigentlich mehr ab, als das sie diese klärt. Leider sind da eine Reihe von Ungenauigkeiten in dem Artikel vorhanden.
Bargeld und Zentralbankgeld ist auch „nur“ eine Forderung, in diesem Fall gegen die Notenbank, und müsste (und wird zum Teil auch) schuldrechtlich behandelt. Eine Banknote ist nichts anderes als ein Zerobond der Notenbank. Deswegen werden beschädigte Geldscheine auch von der Notenbank ersetzt, weil die schuldrechtliche Forderung gegen die Notenbank durch die Beschädigung nicht entfällt, auch wenn der Nachweis der Existenz für den Besitzer der Banknote sicher erschwert ist.
Ob das bei der heutigen Qualität der Bankbilanzen Giralgeld als gleichwertig mit Bargeld tatsächlich noch so gesehen werden kann, kann man durchaus hinterfragen. Deshalb bleibt die Berechtigung nach Bargeld, wenn ich mein „Geld“ nicht den wackligen deutschen Banken anvertrauen möchte, und mich vor einer Haftung für deren Anlagen wie in Zypern geschehen schützen möchte.
Es gibt Urteile des BGH, dass ich mich durch eine Banküberweisung schuldrechtlich entlasten kann. Die Verschaffung einer Forderung gegen eine Geschäftsbank wird also auch rechtlich in der Regel als Geldsurrogat angesehen.
Allerdings bedeutet diese rechtliche Gleichsetzung auch, das Giralgeld nach allen praktischen Erwägungen, wenn auch nicht als gleichwertig als Wertaufbewahrungsmittel, als gleichwertiges Geld im Sinne eines Zahlungsmittels betrachtet werden kann. Den Kern der Frage ob die Geschäftsbanken Geld aus dem nichts schöpfen können kommt genau aus dieser praktischen Bedeutung des Giralgeldes als Zahlungsmittel.
Wenn ich von der Bank einen Kredit für einen Neuwagenkauf bekomme, stellt die Bank eine Forderung gegen mich und eine Verbindlichkeit in Form eines Sichtguthabens in die Bilanz. Mit diesem Sichtguthaben kann ich ganz real einen Neuwagen kaufen, ohne das vorher ein Sparer dieses Guthaben der Bank zu Verfügung gestellt hat. Durch die Geldschöpfung der Geschäftsbank entsteht also ganz konkret volkswirtschaftliche Nachfrage.
Diese Sonderstellung der Banken hat eine Reihe wirtschaftlicher und damit auch politischer Implikationen. Die Banken entscheiden wie viel Kredite vergeben werden, und haben direkten Einfluss auf das Wirtschaftswachstums. Sie entscheiden wofür Kredite vergeben werden, und haben Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur, sie entscheiden an wen Kredite vergeben werden, sie haben damit sozialen Einfluss, und sie bekommen die Seignorage aus der (weitgehend kostenlosen) Geldschöpfung.
Letztlich sind die Entscheidungen die die Banken treffen an ihrer Gewinnerzielungsabsicht orientiert. Ob das bei den weitreichenden Wirkungen dieser Entscheidungen immer die beste Grundlage ist, kann man in Zweifel stellen,
Die „Ungenauigkeiten“ wie Sie belieben zu bezeichnen sind das ‚feature‘ und nicht der ‚bug‘. Aber der Reihe nach:
Zunächst mal geben Sie ausdrücklich zu, daß es eine Differenz von Bar- und Giralgeld gibt, weigern sich aber dann mit der lapidaren Bemerkung, daß diese Differenz mehr zur Ablenkung als zur Klärung beiträgt, die Antwort auf die Frage zu finden, warum es denn eigentlich diese Differenz überhaupt gibt. So etwas nennt man auch Scheuklappendenken und ist nicht wirklich dazu geeignet als richtungweisend für die Erzeugung von Erkenntnis zu dienen. Insofern ist Ihre „Reihe von Ungenauigkeiten“ wohl auch mehr in die Rubrik „vorschnelle Fehlschlüsse“ einzuordnen.
Letzteres zeigt sich auch sehr schön an Ihrem Mantra, daß „Bargeld … auch ’nur‘ eine Forderung“ sei, was bereits einem Erstsemester in der Rechtsvorlesung als Fehlinterpretation beigebracht wird. Ich kann ja verstehen, daß das juristische Abstraktonsprinzip den meisten zu kompliziert ist, weil man sich den Kauf der Brötchen am Morgen so schön als Tauschgeschäft vorstellen kann. Daß es sich dabei (in erster Annäherung) um 3 Rechtsgeschäfte und 6 rechtserhebliche Handlungen handelt muß einen ja auch nicht bekümmern. Sobald man aber das einfachste Handwerkszeug mal begriffen hat, bekommen die Begriffe „Schuldvertrag“ und „Übertragungsvertrag“ eine wohlunterscheidbare und unterscheidungsnotwendige Bedeutung. Denn dann weiß man sofort, warum Bargeld als das aus dem (Geld-) Schuldvertrag Geschuldete weder eine Forderung (des Bargeldhalters) noch eine Verbindlichkeit (der Zentralbank) sein KANN. (Es gibt natürlich diejenigen, für die eine Schuld eine Sache ist und umgekehrt – was soll man dazu sagen?)
Daß Forderungen gegen die Zentralbank zum Basisgeld gerechnet werden liegt daran, daß diese soweit sie auf das Geld lauten, welche die Zentralbank selbst emittieren kann, deswegen „an Zahlung statt“ angenommen werden und auch schuldbefreiend wirken, weil eine Zentralbank in diesem Standard niemals illiquide werden kann. Genau das ist nämlich auch der Unterschied einer Zentralbank zu einer Geschäftsbank, weil letztere sehr wohl unter einen Liquiditätsdruck kommen kann, eine Zentralbank dagegen niemals.
Das Witzige an Ihrem Kommentar ist, daß Sie zwar aus irgendwelchen Erwägungen heraus meinen Fehler in einem Post finden zu müssen, ohne sich die Konsequenzen daraus erst einmal klar zu machen, auf der anderen Seite ihn (hinsichtlich der Differenz von Bar- und Giralgeld) aber gerade genau bestätigen, indem Sie Ihre eigenen Sicherheitsbedürfnisse zum Kriterium der Unterscheidung stilisieren. Vielleicht sollten Sie sich gelegentlich mal entscheiden, auf welcher Ebene Sie argumentieren wollen – wenn es denn eine Argumentation gewesen sein sollte.
Zum Bankkredit nur noch ein Merksatz: mit der Einräumung eines Kredits gewährt die Bank dem Kunden ein Verfügungsrecht über gesetzliche Zahlungsmittel, für deren Verfügbarkeit die Bank sich selbst verbürgt (wobei sie die Verfügung über das gesetzliche Zahlungsmittel als Zahlungsdienstleister im Auftrag und an Stelle des Verfügungsberechtigten häufig auch gleich mit erledigt).
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