Eigentlich wissen wir längst, dass politisches Handeln nicht durch rationale i. S. am Wohl des Volkes orientierte Überlegungen gesteuert wird. Eher selten findet man gute Texte dazu. Die Zeitschrift “Aus Politik und Zeitgeschichte” hat nun eine gesamte Ausgabe diesem Thema gewidmet. In der Inhaltsangabe heißt es:
“In Wahlkampfzeiten wird es besonders deutlich: Es ist nicht allein die Ratio, es sind auch Emotionen, die in der Politik eine Rolle spielen. Die Kandidatinnen und Kandidaten, denen es gelingt, die Gefühle der Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, haben bessere Chancen, gewählt zu werden, als jene, die uns "kalt" lassen. Emotionen spielen aber nicht nur beim "Verkaufen" von Politik eine Rolle, sondern auch im politischen Prozess selbst. Die Verbreitung bestimmter Gefühle begünstigt politische Weichenstellungen. Andersherum gilt ebenso: Politische Entscheidungen wirken sich auch emotional aus und beeinflussen das "Lebensgefühl" zahlreicher Menschen. Ein Gefühl ist in einer demokratisch verfassten Gesellschaft geradezu von systemrelevanter Wichtigkeit: Vertrauen.”
Die Themen und Autoren mit Links zu den jeweiligen Texten
Johannes Piepenbrink : Editorial
Gary S. Schaal, Felix Heidenreich: Politik der Gefühle. Zur Rolle von Emotionen in der Demokratie: Demokratien sind in der Bearbeitung von Emotionen durch zwei sich widersprechende Paradigmen geprägt: Der bislang vorherrschende, emotionsaverse Liberalismus erweist sich heute als ergänzungsbedürftig durch den emotionsaffineren Republikanismus.
Jan Plamper: Vergangene Gefühle. Emotionen als historische Quellen: Seit einigen Jahren erfahren Emotionen auch in der Geschichtswissenschaft erhöhte Aufmerksamkeit. Es werden verschiedene Ansätze der historiografischen Erforschung von Gefühlen vorgestellt und Perspektiven für die Emotionengeschichte aufgezeigt.
Benjamin C. Seyd: Gegenwart des Unbehagens. Gefühle und Globalisierung: Indem sie Handlungsunsicherheit spür- und bewältigbar machen, spielen Gefühle eine wichtige Rolle für sozialen Wandel. Ihre Berücksichtigung ermöglicht ein differenzierteres Verständnis der Wirkungsweise und Problematik von Globalisierung.
Bernd Greiner: Angstunternehmer. Zur Karriere eines amerikanischen Rollenmodels: Das Bemühen, reale Bedrohungen oder imaginierte Ängste zu bändigen, hat im Laufe der amerikanischen Geschichte einen besonderen Typus des Staatsbürgers hervorgebracht: den „Angstunternehmer“.
Jan Süselbeck: War Sells, But Who’s Buying? Zur Emotionalisierung durch Kriegsdarstellungen in den Medien Zwar wird in der medialen Kriegsdarstellung heutzutage stark auf Emotionalisierung gesetzt. Doch erzeugt sie vielfach nicht Mitgefühl, sondern bedient eher einen verbreiteten Voyeurismus.
Christian von Scheve, Thomas Stodulka, Julia Schmidt: Guter Neid, schlechter Neid? Von der "Neidkultur" zu Kulturen des Neides: Häufig wird Neid als etwas „typisch Deutsches“ etikettiert. Im Beitrag wird erörtert, welcher Status Begriffen wie „Neidkultur“ und „Neidgesellschaft“ vor dem Hintergrund einer kulturvergleichenden Emotionsforschung zugeschrieben werden kann.
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