Fraktaler Konstruktivismus

by Gastbeitrag on 7. Januar 2014

Gastbeitrag von Dr. Renee Menendez*

Die Theorie der Fraktale ist davon geprägt, dass sie äußerst vielschichtige Formen erzeugt, welche aus der vielfachen Anwendung einer im Grundsatz einfachen Formel entstehen. Dieser Ansatz ist durchaus geeignet dazu beizutragen eine Vorstellung von Ökonomie zu entwickeln, die nicht a priori davon ausgeht, dass Ökonomie wie in den Lehrbuchdarstellungen durch einen Kreislauf zu beschreiben ist, sondern durch eine Abfolge einzelner Kreditgeldschleifen, deren kontinuierliche Abfolge den Eindruck! erweckt, als handele es sich um einen Kreislauf. Damit stellt sich die Frage, wie es sich in einem Modell darstellen lässt, dass ein derartiges Phänomen konstruierbar wird. Die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens kann einmal dadurch motiviert werden, dass natürliche Phänomene sich ebenso aus einer Zusammenstellung von Zufluss und Abfluss darstellen lassen, so ist z.B. das Phänomen eines Sees von dem Zusammenspiel von zwei Komponenten darstellbar, deren Einfluss je nach Stromstärke einen unterschiedlichen Pegelstand erzeugen. Zum anderen wird diese Konstruktion auch deswegen nahegelegt, weil Wirtschaften ein ‘ongoing concern’ ist, dessen Kontinuität den Blick auf das entscheidende Grundelement, die Kreditgeldschleife, die als individualisierte Entität lediglich eine begrenzte Existenz besitzt, verstellt.

Eine fraktale Struktur wird dadurch erzeugt, dass eine im Grunde einfache Formel eine Vielzahl von Iterationen durchläuft und dabei Formen erzeugt, die in keiner Weise aus der zugrunde liegenden Formel ersichtlich sind. Das entspricht etwa der Tatsache, dass das Grundmuster der Funktionsweise von Computern aus der Kombination von zwei Zuständen besteht. In gleicher Weise kann man sich vorstellen, daß das vielfältige und ineinander verwobene Finanzgeflecht durch einen einfachen Prozess erzeugt wird, welcher durch vielfältige Reproduktion zu dem führt, was gegenwärtig zu den Verflechtungen auf den Finanzmärkten führt, deren Charakter meistens mit der Modevokabel “komplex” beschrieben wird. Dabei muss gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Fraktale zwar eine hohe Variabilität der Struktur sowie eine hohe Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen aufweisen, ohne daß dadurch der einfache Charakter ihrer Entstehung irgendwie in Frage gestellt würde.

Darüber hinaus besitzen Fraktale noch zwei weitere Eigenschaften: zum einen sind sie selbstähnlich in dem Sinne, dass sie beständig gleichartige Strukturen erzeugen. Zum anderen existiert bei Fraktalen so etwas wie eine Systemgrenze, wo Elemente, die bestimmte Schwellenwerte über oder unterschreiten nicht mehr zu der Fraktalbildung beitragen, weil sie entweder ins Unendliche verschwinden, oder implodieren. Alle diese Eigenschaften lassen sich für den aufmerksamen Beobachter auch in der heutigen Finanzwirtschaft wiederfinden.

Da eine solche Darstellung von vornherein nur in einem dynamischen Kontext sinnvoll ist, was auch dem dynamischen Kontext des Erkenntnisobjekts Ökonomie geschuldet ist, dessen Charakter durch ein statisches Modell ohnehin nicht abgebildet werden kann, lässt es sich nicht vermeiden den wesentlichen Faktor des Kapitalismus, den Kredit, in die Darstellung mit einzubeziehen. Und um den ‘ongoing concern’ mit einzufangen macht es sich besser, gleich die Zeitverschiebung von mehreren Kreditprozessen mit einzubeziehen. Das ist u.a. deswegen erforderlich, um von vornherein das Problem zu vermeiden, welches sich aus der Beendigung von isolierten Einzelkreditprozessen ergibt. Mit dieser Darstellung ist es ganz nebenbei auch möglich, die vermaledeite Geschichte, dass ein einzelner Kredit niemals komplett zurückgezahlt werden kann, ein für alle Mal zu erledigen. Dabei sollte auch gleich klar werden, dass die prominente Frage nach den “Abteilungen” der Wirtschaft (Produktionsmittel- bzw. Konsumgüterindustrie) einer spezifischen Auffassung über das Wesen des ökonomischen Prozesses geschuldet ist, die sich in kreditgeldökonomischer Hinsicht lediglich als zeitlich verschobene Kreditprozesse darstellen, die (nur) deswegen auch in einem einheitlichen Modellstruktur ineinander integrierbar werden.

Dann sieht das Modell genau so aus:

Kalecki00

Das Interessante dabei ist, dass sich ein kontinuierlicher Absorptionsprozess (Konsum) mit sich ständig verändernden Kreditbeständen verträgt, was ein besonderes Licht auf die Tatsache wirft, dass Kreditbeziehungen auf einer längerfristigen Ebene angesiedelt sind und nicht unbedingt den kurzfristigen Schwankungen unterworfen sind wie man es von Konsumprozessen kennt. Besonders interessant ist auch, dass sich der Einkommenskreislauf gewissermaßen als Unterfunktion des Kreditprozesses abspielt und beide gewissermaßen ein Zentrum-Peripherie Verhältnis aufweisen, etwa so, wie man es aus dem Verhältnis von Erde und Sonne kennt. Dabei sollte man sich aus gegebenem Anlass klar machen, dass die Vorstellung des Sonnensystems als Gebilde von konzentrischen Kreisen auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, sondern vielmehr das Sonnensystem sich in einer spiralförmigen Weise durch das Weltall bewegt. Die Vorstellung eines statischen Kreislaufes sollte daher ein für alle Mal beerdigt und auch keineswegs wieder mit dem Hinweis auf irgendwelche “didaktischen Erfordernisse” oder aus bloßer Faulheit heraus exhumiert werden. Denn die Konstruktivierung von Ökonomie als kreditgesteuerter Prozess erlaubt es nicht, die technischen Grundlagen einer von Kredit gesteuerten Ökonomie zu ignorieren. Denn was im Kapitalismus zählt sind Zahlungen, deren nachhaltiger Zusammenhang den arbeitsteiligen Prozess der Produktion überhaupt erst möglich macht! Und darüber hinaus sind ebenso die Verbindlichkeitsverhältnisse maßgeblich für die ökonomische Trajektorie, weil diese die Zahlungsmuster für die von ihnen definierte Zukunft bestimmen.

Genau das macht auch die Attraktivität der fraktalen Modellvorstellung aus, denn in einer Geldwirtschaft geht es ebenso um die Frage, welche Prozesse sich behaupten können, insofern als sie genau den Pfad zwischen Implosion (Konkurs) und Explosion (Hypertrophie) (Bei: Mandelbrodt Math -> Sensitivity. Anm. die Sicherheitsabfrage kann man in diesem Fall genehmigen!) einzuhalten in der Lage sind. Und auch dahingehend, dass zwar jedes Element für sich funktionieren muss, aber alle Prozesse Teil eines Gesamtsystems sind, das sich als Ganzes als überlebensfähig beweisen muss. (Cf. “Ist Ökonomie ein System?”) Es geht hierbei also darum, eine konsistente Formulierung des funktionalen Hintergrundes dessen zu denken, was immer so leichthin und unter Auslassung sämtlicher “kapitalismusrelevanten Elemente” als einfacher Wirtschaftskreislauf in den Lehrbüchern zu finden ist, ohne daß dort die zugrundeliegenden Prozesse des monetären Komplexes ausreichend adressiert würden. Wenn man also den heute vorfindlichen Kapitalismus als Vervielfachung eines isolierten Prozesses versteht, gewinnt man auch eine andere Einstellung zu der Frage, inwieweit Ökonomie als komplex anzusehen ist oder nicht. Das Entscheidende der fraktalen Denkweise ist ja, dass die Grundmuster “sehr überschaubar” sind, die Vorgabe der Funktionsbedingungen jedoch definiert, ob ein Prozess zu einem Teil des Gesamtsystems gehört oder ausgesondert wird. Diese Differenz zwischen der Einhaltung der Funktionsbedingungen und ihrer Verletzung bringt das Gesamtbild Ökonomie erst überhaupt zur Erscheinung. Sonst würde auch nie ein Apfelmännchen entstehen können.

Apfelmännchen

Man mag sich darüber wundern, dass hier in keiner Weise über die “realen” Dinge dieser Welt geredet wird, das hat seinen Grund darin, dass die Probleme des durch Kreditgeld gesteuerten Kapitalismus nicht primär in der Frage bestehen, wie die Eigentumsordnung mit Produktionsmitteln verfährt, eine Fragestellung, die zu Marx Zeiten den Diskurs beherrscht hatte, sondern darin, wie eine Gesellschaft mit der Frage umgeht, was passieren soll, wenn sich Schuldverhältnisse als nicht bedienbar erweisen. Aus einer solchen Perspektive werden die Abstrusitäten, mit denen sich die ökonomische Weltpolitik beschäftigt eher erklärlich, als mit den altbackenen Konzepten wie Wirtschaftskreislauf und Quantitätstheorie.

Sic transit gloria mundi!


* Der Beitrag in ein Crosspost vom Blog soffisticated mit Genehmigung des Autors

Jan-Hendrik Meier Januar 7, 2014 um 20:32 Uhr

Dem Verfasser gelingt es leider nicht, seine heeren Ansichten und Absichten in ein geeigetes, sachlogisch nachvollziehbares Gewand zu kleiden. So wirkt der Artikel, als wäre er von Buzzwords durchdrungen. Eine Erklärung einer ¨fraktalen VWL¨ bleibt gänzlich aus.

Was ich jedoch herauslese ist vielmehr ein systemtheoretischer Ansatz der Volkswirtschaftslehre. Nach diesem ist das System ¨Volkswirtschaft¨ durch viele kleine, sich selbst regulierende Subsysteme geprägt. Diese Sichtweise beschreibt die Systemdynamik mit ihren teilweise nonlinearen und iterativen Modellen sehr gut. Danach neigen derartige Subsysteme in selbstregulierenden ¨kleinen Kreisläufen¨ entweder dazu, zu konvergieren, oder zu divergieren. Genau dies geschieht bei der Iteration jedes einzelnen Punktes der Mandelbrotmenge ebenfalls. Schwarze Punkte sind divergente Iterationen, farbige Punkte sind konvergente Iterationen, deren Farbwert sich nach dem Konvergenzwert bestimmt.

Die mathematischen Parallelen zum Fraktal kann ich also nachvollziehen. Ob sie hier zur Erhellung wirklich beitragen sei einmal dahingestellt.

Jan-Hendrik Meier

Tim Januar 7, 2014 um 19:30 Uhr

Äh, was hat das vorgeschlagene Modell mit Fraktalen zu tun, abgesehen davon, daß der Autor offenbar gern das Wort „Fraktal“ verwendet? An keiner Stelle erschließt sich ein konkreter Nutzwert oder auch nur die Aussicht auf ein ergebnisträchtiges Forschungsprogramm. Ich vermute beinahe, daß der Autor glaubt, komplexe (Mikro-)Modellierung sei zugleich auch immer irgendwie fraktal. Das ist aber natürlich nicht der Fall.

Vor 20-25 Jahren war es in den Sozialwissenschaften mal eine Weile lang Mode, alle zwei Seiten das Wort „Quantentheorie“ einzufügen – oft ohne Sinn und Verstand, aber immer ohne Nutzwert. So ähnlich scheint mir der Fall auch hier zu liegen.

Nixda Januar 7, 2014 um 16:50 Uhr

Die Ökonomie wird in den Lehrbuchdarstellungen im Vorwort gerne durch einen Kreislauf beschrieben, um in den folgenden Seiten dann in die Mikroökonomie und mikrofundierten DSGE Modelle abzutauchen, die genau diesen ganz wesentlichen Aspekt des Kreislaufscharakters ignorieren. Dabei ist es genau die Abgrenzung der VWL zur BWL, dass in der BWL man den maximalen Output mit minimalen Input erzeugen will, während in der Volkswirtschaft der Output des einen der Input des anderen ist. Aus meiner Sicht ist das auch der Kern der Probleme der modernen Volkswirtschaftslehre, das die Kreislaufcharakteristik nicht berücksichtigt wird.

Der fraktale Ansatz dieses Kreislaufproblem zu lösen klingt interessant. Ergänzend will ich noch einfügen, dass andere Wissenschaften bereits vor ähnlichen Problemen standen. So kennt man um Beispiel in Chemie und Physik den Begriff des Fließgleichgewichts.

Andere bereits in der Volkswirtschaft angekommene Modelle modellieren auf Basis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Bilanzen der Sektoren, die den Geld- und Kreditfluss abbilden. Diese Modelle sind Chaotisch, im Sinne der Chaosphysik, ihre nichtlinearen Differnzialgleichungssystem sind nicht mehr analytisch berechenbar. Sie und werden daher simuliert, wie es zum Beispiel der Australische Professor Steve Keen mit seinem Minsky-Simulator macht. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der deutsche Physiker Heribert Genreith, der aus Sicht des Physikers von eine „Makroökonmische Feldtheorie“ entwickelt.

Es fehlt nicht an klugen Ansätzen einen neuen Zugang zur Volkswirtschaftslehre zu finden. Diese Paradigmenwechsel werden aber bisher nur in Nischen untersucht und weiterentwickelt. Vielleicht reihen sich fraktale Modelle in die Reihe der Ansätze ein, die versuchen eine VWL zu entwickeln, die die Wirklichkeit besser abbildet wie die bisherigen.

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