Am Sonntag vor Weihnachten hatte die FAZ in ihrer Sonntagszeitung ein bemerkenswertes Bekenntnis, das es verdient hier noch einmal hervorgehoben zu werden. Man hat fast den Eindruck, die Autoren Rainer Hank und Winand von Petersdorff hätten sich in “Wie wir lernten, die Banken zu hassen” regelrecht in Rage geschrieben.
Sie orientieren sich bei ihrer Kritik wesentlich am Buch der Ökonomen Anat Admati und Martin Hellwig. “Des Bankers neue Kleider. Was bei Banken wirklich schiefläuft und was sich ändern muss“ ist übrigens für die FAZ das Buch des Jahres 2013. Und das zu Recht.
Admati und Hellwig haben ein Werk vorgelegt, das nicht die Marktwirtschaft und das Finanzwesen verteufelt, sondern sehr fundiert ökonomisch und ordnungspolitisch sauber argumentiert. Kein Wunder, dass es die FAZ-Redaktion begeistert. Neben Robert Shillers Buch “Märkte für Menschen” halte ich es für das Werk, das am ehesten taugt, eine neue und vor allem realistische Architektur der Finanzwelt zu gestalten. Wie Shiller, geben sich Admati und Hellwig nicht dem Maintream hin und verteufeln die Finanzbranche pauschal. Vielen Kritikern der Finanzwirtschaft (etwa der Occupy-Bewegung) mangelt es an einem akzeptierten und vor allem umsetzbaren Gegenentwurf.
Hank und von Petersdorff ärgern sich sehr glaubhaft darüber, dass Banken den Ruf der Marktwirtschaft tief in Misskredit gebracht haben und sich dies bis heute nicht geändert hat. Das liegt vor allem daran, dass sie die Marktwirtschaft da, wo es um eigene Interessen geht, ausgehebelt haben. Die FAZ stört sich an der Asymmetrie von Erfolg und Haftung und ist sich nicht zu fein die Vokabeln linker linken Kritiker zu verwenden: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
In Anlehnung an Admati und Hellwig fordert die FAZ eine Eigenkapitalquote für Banken in Höhe von 25%. Admati und Hellwig legen sich zwar nicht auf diese Quote fest, fordern aber deutlich mehr Eigenkapital und eine echte und keine risikoadjustierte Quote, von der die Banken selbst gern sprechen.
Hank und von Petersdorff setzen sich mit den Nebenkerzen der Banken gegen diese hohe Kapitalanforderungen auseinander. Ihnen gelingt dabei natürlich nicht die Tiefe von Admati und Hellwig, die sich dafür aber auch den Platz eines ganzen Buch nehmen.
Man spürt insbesondere im letzten Absatz das Ringen der Wirtschaftsredaktion, die sonst eher für weniger Regulierung und staatlichen Zwang steht:
“Was also tun, wenn die Banken nicht freiwillig ihr Kapital erhöhen? Dann muss man sie zwingen. Kann eine liberale Zeitung das wirklich fordern? Ja. Gewiss, Zwang ist ein schmutziges Wort, um noch einmal den Nobelpreisträger Fama zu zitieren. „Rauspauken (Bail-out) ist aber noch viel, viel schmutziger.“
Norbert Berthold erweitert im Blog “Wirtschaftliche Freiheit” die Kritik und bezieht die Politik mit ein. Für ihn ist zu einfach “die Banken als unbelehrbare, verantwortungslose Glücksritter zu verteufeln, die auf Kosten der Steuerzahler ihre Spiele spielen”. Er sieht opportunistische Politiker als Teil des Dilemmas, in dem wir uns befinden.
“Ohne die Hilfe der Banken, sind viele Staaten aufgeschmissen, ihre Defizite in den Haushalten zu decken. Die Banken sind die eigentlichen Finanziers der nicht steuerfinanzierten Haushaltslöcher. Sie halten den größten Teil der Staatspapiere. In den europäischen Krisenländern noch mehr als anderswo. Die Politik wird deshalb den Teufel tun, höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken durchzusetzen. Mit einem solchen Schritt würde sich die staatliche Verschuldung mit einem Schlag verteuern. Die billige Finanzierung über die Banken wäre passé. Der opportunistischen Politik bliebe nichts anderes übrig als die Ausgaben grundlegend zu überdenken: Ein Albtraum für jeden Politiker.”
Genau hier könnte ein Grund liegen, warum die guten Vorschläge von Admati und Hellwig (noch?) auf wenig Zuneigung stoßen. Dennoch sind für Berthold die Konsequenzen ähnlich. Er schließt:
“Reform des Bankensektors ist unerlässlich. Die geplante Bankenunion löst das Problem des „moral hazard“ nicht. Ein Leben auf Kosten von Dritten ist erst dann nicht mehr möglich, wenn Handlung und Haftung zusammenfallen. Nur so wird verhindert, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Das Prinzip von Handlung und Haftung gehört zur DNA der Ordnungspolitik. Andrew Haldane, der Exekutivdirektor für Finanzstabilität der Bank of England, hat vorgeschlagen, dieses Prinzip mit einer einfachen Regel zu installieren: Einer signifikant höheren harten Eigenkapitalquote der Banken. Der neue Nobelpreisträger Eugene Fama teilt seine Meinung. Martin Hellwig fordert 20 – 30%. Das gefällt aber weder Bankern noch Politikern und auch nicht den Wählern.”
Was keiner der hier genannten Autoren übrigens heraushebt ist, dass mit einer deutlichen Reform der Eigenkapitalanforderung, einige der viel zu komplexen und irreführenden Regulierungsmaßnahmen wieder kassiert werden könnten. Dazu sollte das Einstampfen von Basel III gehören, dessen Vorgänger aus meiner Sicht Mitverursacher der Finanzkrise war und das hochkomplexe Regelwerk um die Reform des OTC-Geschäfts. Aber das ist Stoff für einen anderen Beitrag.
http://youtu.be/aZNxIje9MJ4
Dennoch erstaunlich, dass die FAZ überhaupt auf eine solche Kritik einsteigt. Normalerweise scheint mir das Blatt doch sehr opportunistisch zu sein, was wirtschaftliche Entwicklungen angeht.
Moin Dirk,
tut mir leid, wenn ich den Konsens beim Banker-Bashing störe, aber ich halte höhere Eigenkapitalquoten für Banken für eine populistische Schnapsidee:
1) Hierdurch würde der Wettbewerb im Finanzbereich noch weiter vermindert, weil die großen alten Versagerbanken natürlich Vorteile bei der Kapitalbeschaffung haben.
2) Der Credit Crunch für kleine und mittlere Unternehmen würde sich wieder verschärfen.
3) Die Grundprobleme des Finanzbereichs liegen in mangelnder Transparenz und falschen Anreizsystemen – insbesondere fehlender Managerhaftung. Hieran würde sich durch mehr Eigenkapital garnichts ändern.
4) Wenn Banken mit Kapital überschüttet werden, steigt wieder der Anreiz, dieses ineffizient zu verwenden; z B. es zu verzocken.
Remoin Karl-Heinz,
so habe ich vor der Lektüre des Buches auch gedacht. Ich finde aber Anat Admati und Martin Hellwig argumentieren in einer beeindruckenden Tiefe, die die Gegenargumente des Finanzsektors gegen höhere EK-Quoten platt aussehen lassen. Mich jedenfalls haben sie überzeugt. Der FAZ-Artikel gibt das nur unzureichend wieder.
Ich suche noch eine griffige und bessere Zusammenfassung, muss sie aber wohl irgendwann selbst schreiben 🙂
Deine Punkte 1. und 2. ziehen da nicht. Um das auszufechten, müsstest Du aber Punkt 1. etwas tiefer legen.
Punkt 2. sehe ich nicht als triftiges Gegenargument, insbesondere weil die zu geringe EK-Ausstattung ja zum größten bisher Credit Crunch geführt habe, den ich live erlebt habe.
Punkt 3 glaube ich wird überschätzt.
Wenn Banken EK ineffizient verwenden, dann würde die Beschaffung aber viel zu schnell zu teuer werden. Hier glaube ich, dass der Markt das Regeln wird.
Die Erhöhung der Eigenkapitalquoten ist eine notwendige, aber vermutlich nicht hinreichende Bedingung für eine Gesundung des Sektors. Wie ich in einem früheren Kommentar hier geschrieben habe, geht es ja nicht nur um die Risikoasymmetrie einer Bank als ganzes, sondern im Speziellen auch um die Risikoasymmetrie der einzelnen handelnden Personen, die zum Beispiel ihre Boni behalten, wenn die Bank pleite geht, oder hohe Abfindungen aushandeln, wenn sie entlassen werden. Es muss daher konkret das Strafrecht für die Händler, Manager und Aufsichtsräte der Banken verschärft werden, und diese Gesetze müssen auch so gestaltet werden, dass entsprechende Urteile nicht im komplexen Beweisverfahren stecken bleiben, und kein „to big to jail“ gilt.
Zweitens muss der Gesetzgeber ordnungspolitisch einschreiten. Auf vielen Märkten besteht zwischen Bank und Nichtbanken keine Waffengleichheit, so dass es den Banken leicht fällt, aus ihren Geschäftspartnern und Kunden Muppets zu machen. Beispiele hierfür wurden in diesem Blog wiederholt aufgeführt. Leider sind solche Maßnahmen immer als „Regulierungen“ verschrieen, aber jedes Gesetz ist eine Regulierung, und ohne Gesetze hat man Anarchie. Das die Regulierungen so komplex ausfallen, ist dabei häufig genug von der Branche selber eingefordert, weil zunehmende Komplexität auch wieder zu Informationsasymmetrien führen, die die Banken für sich selber nutzen wollen. Die Akteure, die eine umfassende Regulierung erforderlich machen, sitzen auf Seiten der Banken, nicht auf Seiten des Staates. Das Klagen über die Komplexität von den Banken ist daher scheinheilig.
Man sollte sich auch nicht bereitwillig dem Argument beugen, dass die Produkte der Bank wegen einer Regulierung teurer würden. Dahinter steckt die Logik, dass wenn man die Kunden nicht mehr als Muppets behandeln kann, man auf andere (ehrlichere) Weise ihr Geld verdienen müsste. Dem steht aber entgegen, das für die Kunden Marktzugangshemmnisse abgebaut werden, und Kontrollkosten geringer ausfallen.
Gute und einfache Regulierung ist in der Regel marktwirtschaftlicher als ganz freie Märkte, weil sie das funktionieren der Märkte überhaupt erst ermöglicht.
Hm, in dieser allgemeinen Form wird so mancher Politiker der Forderung nach Regulierung möglicherweise zustimmen. Ich nicht, denn ich finde einen Teil der Regulierungsmaßnahmen einfach blödsinnig und sogar gefährlich.
Eine wirkliche Kritik der Regulierung findet ohnehin selten in der breiten Öffentlichkeit statt. Und meine Kritik an komplexer und gefährlicher Regulierung habe ich an vielen Stellen dargelegt und finde sie in keinster Weise scheinheilig.
Die großen Banken profitieren ja sogar von der Komplexität der Regulierung, denn sie machen das Bestehen am Markt für kleine Häuser unattraktiv.
Wie hoch waren denn die Eigenkapitalquoten der Banken 1960?
Wie hoch die Besteuerung auf ausgeschüttete Gewinne?
Welche risikoreichen Geschäfte waren verboten, oder so streng reguliert, dass sie nicht getätigt wurden?
Comments on this entry are closed.
{ 2 trackbacks }