Bundesregierung noch offen zu SEPA-Aufschub: Banken könnten an bisherigen Zeitplänen festhalten

by Dirk Elsner on 10. Januar 2014

Update

Das dürfte noch richtig spannend werden und die Verwirrung bei Banken und Unternehmen erhöhen:

Auf Anfrage über Twitter teilte das Bundesfinanzministerium mit:

Das bestätigt auch einen Bericht von Reuters nach dem offen ist, wie sich die Bundesregierung bei der Abstimmung verhalten wird. Siehe auch Tagesschau.de: “Auch Bundesregierung widerspricht EU-Kommission – Widerstand gegen SEPA-Verschiebung

Am Abend hat das Handelsblatt versucht das SEPA-Chaos etwas zu sortieren in  Pannen bei Einführung Auf der Suche nach den Sepa-Schuldigen.  Die FR holte Reaktionen von Banken ein, die sauer sind über diesen kurzfristigen Kurswechsel

Zu Schluss: Sogar die Satirewebseite Der Postillon lässt sich von SEPA inspirieren in EU weitet SEPA-Verfahren aus: Telefonnummern schon bald europaweit 36- bis 42-stellig

Ursprünglicher Beitrag

Diese Meldung hat die Finanzbranche gestern überrascht und mich auch. Im Sommer hatte ich zwar mal gefragt Droht die Verschiebung des S-Day?, zuletzt hatte ich aber nicht mehr mit einer Verschiebung der Umstellungsfrist für die “Single Euro Payments Area” (SEPA) gerechnet, die EU Kommissar Michel Barnier gestern in einer Pressemeldung ankündigte (Volltext der Erklärung hier dokumentiert).

Ich hatte eher im Sommer bzw. Herbst letzten Jahres einen Terminaufschub erwartet. Aber in den letzten Wochen wurde mehrfach betont, es gäbe keinen Plan B für die Abschaltung der nationalen Zahlungsverkehrsverfahren. So etwa auch Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele bei einem Pressegespräch:

„Wir sehen Bewegung, können aber noch keine Entwarnung geben.“ Thiele appellierte an öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Vereine, die verbleibende Zeit zu nutzen und auf SEPA umzustellen, wenn sie ab dem 1. Februar Überweisungen und Zahlungen tätigen möchten. „Der 1. Februar als Termin steht – es gibt keinen Plan B“, sagte Thiele.

Nun kommt sie doch. Das überrascht deswegen, weil der Termin 1.2.2014 sowohl in der SEPA-Verordnung als auch im SEPA-Begleitgesetz fest vorgegeben sind und rechtlich gar nicht so schnell zu ändern sind. Verordnungen, die Gesetzgebungsakte sind, so liest man z.B. in der Wikipedia, “werden in der Regel auf Vorschlag der Europäischen Kommission vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gemeinsam erlassen. In bestimmten Fällen sind jedoch besondere Gesetzgebungsverfahren vorgesehen.” Besondere Verfahren können im absoluten Notfall durchgeführt werden. Und genau diesen Notfall ruft die Kommission nun aus in der Änderungsvorlage COM(2013) 937 final: Darin heißt es u.a.

“ Commission invites the European Parliament and the Council to consider this proposal as a case of absolute urgency for the reasons explained above. “

Trotz dieser Dringlichkeit ist die Verordnung aber noch nicht geändert. Außerdem muss nach der vorgeschlagenen Änderung der EU-Verordnung formal auch der deutsche Gesetzgebungsprozess abgeschlossen werden. Laut einer Exklusivmeldung der Wirtschaftswoche sagte ein Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen: „Die Bundesregierung hat sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass Deutschland die SEPA-Umstellung rechtzeitig zum 1. Februar schafft und wird dies auch weiter tun“.  Ich glaube daher, dass Juristen noch ihre Freude an der Entscheidung haben werden.

Weiter dürfte erschwerend hinzukommen, dass viele Banken bereits ganz konkret die Abschaltung ihrer alten Verfahren geplant und technisch vorbereitet haben. Solche Änderungen lassen sich nicht durch Knopfdruck zurückdrehen. Es wird daher interessant zu hören sein, wie sich verschiedene Banken in den nächsten Tagen positionieren. Und auch wenn viele Medien gestern voreilig eine Verschiebung ankündigten, so hat mancher nicht das Kleingedruckte der Erklärung gelesen, denn dort steht u.a. geschrieben:

“Mit der Einführung einer Übergangsfrist von sechs Monaten bis zum 1. August 2014 wird der offizielle SEPA-Stichtag zwar nicht geändert, aber Banken und Zahlungsinstitute können mit ihren Kunden vereinbaren, Zahlungen, die nicht der SEPA-Norm entsprechen, weiterhin zu bearbeiten. Eine Verlängerung der Übergangsfrist über den 1. August 2014 hinaus wird es nicht geben.”

Im Klartext bedeutet dies, Banken könnten an den bisherigen Zeitplänen festhalten, es denn sie vereinbaren mit ihren Kunden etwas anderes. Ein einseitiger Anspruch auf der Kunden Verschiebung entsteht dadurch nicht. Wegen der (noch) fehlenden Rechtswirksamkeit der Entscheidung (siehe oben) hätten Kunden auch keine juristische Handhabe. Ob Banken das wirklich so machen, ist allerdings fraglich, denn sie riskieren beim Festhalten am bisherigen Termin Geschäft zu verlieren.

Nachvollziehbar ist die Entscheidung zwar, weil viele Unternehmen noch nicht so weit mit ihrer Umstellung sind. Das lässt sich eindeutig aus den Zahlungsverkehrsstatistiken ablesen. Sie kommt aber viel zu spät, weil bereits im Sommer absehbar war, dass es viele Unternehmen nicht rechtzeitig schaffen werden. Damals wollte man aber wohl den Druck auf dem Kessel belassen. Ein frühzeitig angekündigte Verschiebung hätte dazu geführt, so das Kalkül, dass sich viele Unternehmen wieder zurück gelehnt hätten. Das sollte vermieden werden.

Interessant ist ja in diesem Zusammenhang, dass die Entscheidung bereits am 19.12. getroffen wurde, man sie jedoch nicht kommunizierte. Stattdessen ließ man offenbar selbst die Bundesbank noch im Unklaren über das weitere Prozedere. So klingt die Meldung der Frankfurter Zentralbanker auch etwas verschnupft: “Trotzdem waren wir zuversichtlich, dass das gesteckte Ziel erreicht werden kann“, sagte Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank.” Auch die EZB ist nicht begeistert über den Aufschub, wie auf Süddeutsche.de zu lesen ist. Die europäischen Notenbanken haben sich nach Informationen des Handelsblatts gegen die sechsmonatige Verlängerung der Umstellungsfrist gewehrt.

Wie dem auch sei, in jedem Fall beschädigt die späte Verschiebung die EU-Institutionen und unterstreicht, wie widersinnig es ist, einer ganzen Branche konkrete Prozesse vorschreiben zu wollen. Daneben vermitteln viele Meldungen nun den Eindruck, dass SEPA verschoben wird. Das ist definitiv falsch. Bereits seit Jahren können Überweisungen per SEPA getätigt werden. Die Banken bereiten intensiv weitere Umstellungen vor, wie dies etwa die Postbank hier ankündigt. SEPA ist definitiv schon jetzt da, nun geht noch darum, wie lange die alten Verfahren genutzt werden können. Bisher sollte mit der klassischen Überweisung und Lastschrift am 31.1.2014 Schluss sein. Man muss nun sehen, ob es den Banken noch gelingt, das Ruder so schnell herum zu reißen. Die Deutsche Kreditwirtschaft, die gestern Morgen noch den Endspurt eingeleitet hatte, jubelte verständlicherweise nicht gerade über diesen Kurswechsel. Sie habe das “mit Überraschung zur Kenntnis genommen. Die Fristverlängerung wäre nicht notwendig gewesen, bringt aber Erleichterungen für diejenigen Unternehmen und Vereine, bei denen es mit der Umstellung auf die neuen SEPA-Verfahren zum 1. Februar 2014 möglicherweise knapp geworden wäre”, schrieb sie in einer Erklärung .

Mehr zu SEPA gibt es auf der Sonderseite meines Blogs

PS

Im Nachgang zu diesem Artikel habe ich in einem Kommentar der WELT gelesen, dass die SEPA-Notbremse zeige, dass der Euro immer noch nicht bei den Menschen angekommen ist. Diese Interpretation ist ohne jede Grundlage. Wenn man mit Unternehmen in Deutschland spricht, dann hört man dort viel eher, dass aus ihrer Sicht überhaupt keine Notwendigkeit für SEPA besteht. Nur weil ein paar Bürokraten, Banker und Kommentatoren dieses Konstrukt für effizient halten, sehen Unternehmen dies noch lange nicht so. Der passive Widerstand gegen SEPA zeigt eher, dass die Politik künftig die Finger von solchen Prozessen lassen sollte.

Semih Januar 13, 2014 um 12:24 Uhr

Der Euro ist durchaus inzwischen bei den meisten Bürgern der EU angekommen.
Was bei der Sepa-Geschichte nervt (und deshalb zur Inakzeptanz führt) sind die Monsterkontonummer IBAN und die in der Regel nicht merkbare BIC. Das hätte man wesentlich intelligenter lösen können.

Dividenden-Sammler Januar 10, 2014 um 12:38 Uhr

Meine Kunden sind alle im öffentlichen Bereich. Und die sind bis Jahresende mehr oder weniger fertig gewesen, mit dem Verschicken der Brief an die Schuldner incl. der Einforderung der Unterschrift.

Bei den Gemeinden und Städten werden jetzt teilweise kistenweise die unterschriebenen Erklärungen gehortet. Für den Notfall, das ein Schuldner mal klagt und sagt, ihm wurde zu Unrecht etwas abgebucht oder eingezogen.

Extrem viel Aufwand – für NICHTS!

Beste Grüße
D-S

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