Ungeliebtes SEPA: Droht die Verschiebung des S-Day?

by Dirk Elsner on 7. Juni 2013

Ich glaube SEPA ist derzeit das unbeliebteste Schlagwort bei Banken und Unternehmen in Europa. Im letzten Jahr läutete ich meine Beitragsreihe über die Single Euro Payments Area auf CFO World bereits mit dem Titel “Drohung über der Unternehmenswelt” ein. In gut sieben Monaten nun ist S-Day (1.2.2014) im europäischen Zahlungsverkehr. Überweisungen und Lastschriften werden auf IBAN, BIC, XML umgestellt und viele in dieser Serie bereits beleuchtete Details müssen bis dahin vorbereitet, umgesetzt und getestet werden.

Positive Äußerungen zu SEPA muss man wirklich suchen. Man findet sie allenfalls in offiziellen Darstellungen von Banken und Verbänden. Es überwiegen die skeptischen Überschriften. “IBAN, die Schreckliche” titelte im April das Handelsblatt, laut Wirtschaftswoche haben viele Mittelständler noch keinen Plan und die Banken fordern mehr Engagement bei der Reform das Zahlungsverkehrs.  Und selbst die Bundesbank sorgt sich (siehe Zahlungsverkehrs Newsletter März 2013, S. 5). Sie erwartet eine große Umstellungswelle kurz vor Toresschluss und fürchtet, dass die Umstellung bei Unternehmen sehr komplex sein kann und möglicherweise Beratungsleistungen gegen Ende des Jahres knapp werden könnten. Ihr Appel nach einer zügigen Umsetzung bleibt aber offenbar ungehört. Umfragen zeigen, dass die SEPA-Vorbereitung deutscher Unternehmen schleppend verläuft. Insbesondere viele kleine und mittlere Unternehmen sind noch unzureichend auf SEPA vorbereitet.

Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele informierte Mitte Mai darüber, dass bisher gerade einmal 395.000 Gläubiger-Identifikationsnummern vergeben seien. „Dies ist angesichts der 3,6 Millionen Unternehmen und rund 500 000 Vereine in Deutschland, die ab dem 1. Februar 2014 ausschließlich Sepa-Lastschriften bei ihren Banken und Sparkassen einreichen dürfen, noch viel zu wenig“, zitiert der Tagesspiegel Thiele. Ohne Gläubiger-ID und diverse weitere Voraussetzungen ist der Einzug von Lastschriften nicht möglich. Die entsprechende Datei würde sofort mit einer Fehlermeldung von der Bank zurückgewiesen werden.

Ein Bericht der EZB über den Stand der Migration kann Sorgenfalten ebenfalls nicht verbergen. Zwar sollen danach die meisten Unternehmen die Planungsphase abgeschlossen haben und sich im Klaren sein, was SEPA in der Praxis für sie bedeuten wird. “In Bezug auf die eigentliche Umsetzung haben sich eine Reihe von Unternehmen jedoch intern sehr späte Fristen gesetzt, teilweise sogar erst gegen Ende 2013. Dies gibt Anlass zu Sorge, vor allem hinsichtlich der Migration zum SEPA-Lastschriftverfahren. Noch bedenklicher ist, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) und lokalen öffentlichen Kassen teilweise nach wie vor unzureichend über SEPA informiert und relativ schlecht vorbereitet sind,” fasst die EZB die Ergebnisse in einer Pressenotiz zusammen.

Auch die EU-Finanzminister sorgen sich mittlerweile um SEPA. Das Informationsportal EURActiv spricht gar von einem sich abzeichnenden SEPA-Desaster. Die Seite schrieb nach einem Treffen der Finanzminister (siehe dazu auch ab S. 23 dieser Presseerläuterung):

“Die Finanzminister stellten in ihren Schlussfolgerungen zudem fest, dass die Umsetzung der Verordnung zum Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA, Single Euro Payments Area) nur sehr schleppend vorangeht. So "bedauert" der Rat, dass die SEPA-Migration in den Mitgliedsstaaten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, "weit davon entfernt ist, abgeschlossen zu sein". Vor allem Mittelständler, und kleine öffentliche Behörden wüssten am wenigsten über SEPA Bescheid und sind auch am schlechtesten vorbereitet.  …  Offenbar würden sehr viele Betroffene erst sehr spät mit der SEPA-Umsetzung beginnen, womit sie einen reibungslosen Zahlungsverkehr gefährden würden, schreibt der Rat.”

Auf einer Informationsveranstaltung fragte ich im April eine Vertreterin des Bundesverbandes Deutscher Banken, ob es eigentlich einen Plan B gäbe, wenn man merke das viele Unternehmen nicht ausreichend vorbereitet sein. Sie verneinte dies und sagte, dass man davon ausginge, dass die rechtlich verbindlichen Normen auch eingehalten werden.

Klar ist, dass der Bankenverband keine Zweifel an den Umsetzungsterminen aufkommen lassen darf. Derjenige, der zuerst das Wort Verschiebung ausspricht, hat den Schwarzen Peter. Und das wollen die Banken nicht sein. Ich persönliche glaube auch nicht, dass die Banken bei der Umstellung das Problem sein werden. Sie machen derzeit ihre Hausaufgaben oder haben sie bereits erledigt. Ich gehe davon aus, dass sie gut vorbereitet sind. Mittlerweile haben sie immerhin deutlich ihre Öffentlichkeitsarbeit verbessert und trommeln für mehr Engagement bei den Unternehmen.

Bei Unternehmen, Vereinen und Spendenorganisationen bin ich noch skeptischer. Insbesondere beim beliebtesten deutschen Zahlverfahren, der Lastschrift, droht Ungemach, weil der Umstellungsaufwand hier besonders hoch ist. 

Ich bin mir zwar sicher, dass hinter den Kulissen in der Deutschen Kreditwirtschaft sowie bei Bundesbank, EZB und im Finanzministerium über alternative Szenarien nachgedacht wird, offiziell einräumen wird das aber derzeit noch niemand. Schließlich würde das dem geltenden Recht wiedersprechen. Wenn allerdings weitere Untersuchungen zeigen, dass mit der Umstellung massive Störungen im Zahlungsverkehr oder gar wirtschaftliche Probleme bei Unternehmen drohen, dann wird man reagieren müssen. Der Gesetzgeber müsste die Parallelphase ausweiten und dafür sorgen, dass Unternehmen nicht bestraft oder privatrechtlich sanktioniert werden können, wenn sie SEPA nicht rechtzeitig umsetzen.

Ich würde dennoch keinem Unternehmen raten, auf eine Verschiebung zu hoffen. Wenn das Management auf eine Verschiebung oder längere Parallelphase spekuliert, die Vorbereitung deswegen unterlässt und die Verschiebung dann nicht kommt, könnte sogar die Geschäftsführung persönlich für die daraus entstehenden Schäden haftbar gemacht werden.

Im Blick Log habe ich eine Sonderseite eingerichtet mit umfassenden Informationsmaterial zu SEPA: SEPA-Übersicht: Informationssammlung und Dokumente. Dort sind u.a. auch die folgende meiner Beiträge verlinkt, die einen guten Überblick zum Thema geben:


Dieser Beitrag ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Beitrags, den ich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

Eric Schreyer Juni 7, 2013 um 06:16 Uhr

Hallo Dirk,

für kleine und mittelgroße Unternehmen ist die SEPA Umstellung in vier bis fünf Monaten zu schaffen. So äußerte sich Robert McKay von BankersAccuity in einem Interview, das ich mit ihm anlässlich des EBAday 2013 in Berlin führte:

http://www.cfoworld.de/sepa-verringert-den-overhead

StB und Banken sind darauf vorbereitet, ihren Kunden zu helfen.

http://www.cfoworld.de/banken-rufen-zum-handeln-auf

Eine Verschiebung des Umstellungstermins kann ich mir nicht vorstellen. Jedenfalls sollte sich niemand darauf verlassen.

LG Eric

Dirk Elsner Juni 9, 2013 um 09:08 Uhr

Ich bin da etwas skeptischer, was die Umstellungszeiträume betrifft. In jedem Fall würde ich keine Pauschaleinschätzung abgeben. Es kommt stets darauf an, wie das Unternehmen mit welchen Instrumenten bisher seinen Zahlungsverkehr organisiert hat und weitere Anwendungen integriert hat.
Banken halte ich auch für gut vorbereitet. Aber ob sie dem Testansturm im zweiten Halbjahr standhalten können, wird wohl noch zu diskutieren sein.

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