The Rise and Fall of Uli Stardust

by Karl-Heinz Thielmann on 17. März 2014

Ich will niemanden langweilen mit noch mehr Wiederkäuen der vielfältigen widerwärtigen Fakten oder Vermutungen im Fall Uli Hoeneß. Es gibt aber meiner Ansicht nach zwei wichtige und auch allgemein interessante Aspekte bei seinem Fall, die in der aktuellen Berichterstattung völlig unterschlagen werden.

Denn im Fall Hoeneß manifestieren sich meiner Ansicht nach zwei Schattenseiten unseres aktuellen Wirtschafts- bzw. Gesellschaftssystems:

• Es gibt eine Zuspitzung des Erfolges auf bestimmte Personen, die dann oft in der Konsequenz Opfer ihres eigenen übermäßigen Erfolges werden;
• Hoeneß ist symptomatisch für das Schicksal, dass viele Menschen teilen, die mit kurzfristigen Geschäften wie Börsenspekulationen schnell reich werden wollen, sich in der Konsequenz aber persönlich zu Grunde richten.

The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ ist der Name eines Albums von David Bowie aus dem Jahr 1972. In ihm wird der steile Aufstieg und rapide Fall des Rockstars Ziggy Stardust beschrieben. Dessen Musik wurde von den Fans nicht nur geliebt, sondern auch seine Person zu einer Art Messias verklärt. Ziggy Stardust scheiterte dann aber in der Konsequenz an einem exzessiven Lebensstil, der aus seiner durch maßlosen Erfolg gespeisten Selbstüberschätzung resultierte.

Der „verdammte Messias“ Ziggy Stardust ist inzwischen das Rollenmodel von vielen Größen aus dem Sport, der Politik und der Unterhaltungsindustrie geworden. Immer wieder erleben wir, dass in unserer Popkultur Menschen, die bestimmte Leistungen vollbringen oder auch nur versprechen, hochgejubelt werden, zu Universalvorbildern verklärt werden, dann die Kontrolle verlieren, um im Endeffekt an den eigenen übersteigerten Ansprüchen zu scheitern. Dann werden Sie wieder wie eine heisse Kartoffel fallengelassen und in der Öffentlichkeit vernichtet.

Dies liegt nicht zuletzt daran, dass wir, die Konsumenten, klar identifizierbare Helden und Bösewichte sehen wollen. Uli Hoeneß bediente beide Anforderungen perfekt, und deswegen ist jetzt auch die öffentliche Anteilnahme sowohl in positiver wie negativer Hinsicht so hoch.

Für die einen war er ein Top-Fußballspieler, der auch nach dem Karriereende als aktiver Spieler als Unternehmer sowohl mit seinen Fleischfabriken und im Fußball sehr erfolgreich war. Jemand, der der einen Flugzeugabsturz wie selbstverständlich überlebte. Einer, der sich in seinem Umfeld immer auch besonders der Gestrauchelten annahm und sie bedingungslos unterstützte. Uli Hoeneß liebte seine Spieler, zumindest solange sie seine Liebe erwiderten.

Für die anderen war er ein Ehrgeizling, der in entscheidenden Momenten versagt hatte (z.B. beim legendären Elfmeter 1976 oder als er seine Frau betrog). Jemand, der als Fußballmanager rücksichtslos Menschen gegeneinander ausspielte. Wer sich ihm in den Weg stellte, konnte mit keiner Gnade rechnen. Seine sozialen Aktionen konnten auch als paternalistische Almosen interpretiert werden. Seine Devisenzockerei sprengte den Rahmen selbst dessen, was gewohnheitsmäßige Day-Trader machen. Die Dimension der hieraus resultierenden Steuerhinterziehung ließ selbst hartgesottene Steuerfahnder staunen.

Beide Seiten gehören aber untrennbar zusammen. Denn Fußball ist ein Geschäft geworden, in dem – wie beim Trading an der Börse – nur der kurzfristige Erfolg zählt. Dies hatte Uli Hoeneß begriffen und konsequent wie kein anderer mit allen Licht- und Schattenseiten umgesetzt. Die Medien vermittelten uns jeweils die eine oder die andere Seite, und je nach unserer Voreingenommenheit bezogen wir dann Position, weil wir entweder eine Hassfigur oder ein Idol brauchten.

Selbstüberschätzung ist ein giftiger Nebeneffekt, den der Erfolg mit sich bringt. Dies kann man in Wirtschaft, Sport, Politik und Showgeschäft beobachten. Nirgendwo entfaltet dieser durch übermäßigen Erfolg ausgelöste Selbstzerstörungsmechanismus aber so viel Kraft wie bei Börsenspekulationen. Der Glückshormon-Schub, der durch schnelle Gewinne an der Börse ausgelöst wird, ist enorm und schnell wiederholbar. Dies kann jedoch auf die Dauer zu massiven Beeinträchtigungen der Selbstwahrnehmung und Allmachtsphantasien führen. Nicht umsonst nennen sich einige gutverdienende Hedgefondsmanager „The Masters of the Universe“.

Wohin aber der Weg des schnellen Geldes langfristig führt, illustriert die Lebensgeschichte von Jesse L. Livermore, eines der erfolgreichsten Börsenspekulanten der Neuzeit. Mit 15 fand der Sohn eines armen Farmers Arbeit bei einem Broker und entwickelte dort sehr schnell ein Gefühl für Entwicklungen an den Aktienmärkten. Er entwickelte Trading-Regeln, durch deren disziplinierte Befolgung er schnell enorme Reichtümer anhäufen konnte.

Insbesondere wurde berühmt, als er während der Zusammenbrüche des Börsenmarktes 1907 und 1929 durch Leerverkäufe ein Multi-Millionen-Dollar-Vermögen gewann. 1930 gehörte er mit einem Vermögen von 100 Millionen US$ zu den reichsten Menschen der Welt. Legendär machte ihn aber auch, dass er in den Momenten seiner größten Erfolge übermütig wurde und die Handelsdisziplin schleifen ließ. Er verzockte seinen Reichtum größtenteils wieder, begann unter Depressionen zu leiden und beging 1940 im Alter von 63 Jahren Selbstmord.

Ähnliches wünsche ich Uli Hoeneß auf keinen Fall. Vielleicht hilft ihm seine Gefängnisstrafe sogar dabei, wieder in der Realität zu landen. Wenn er jetzt sagt, dass Steuerhinterziehung der Fehler seines Lebens war, so hat er leider noch nichts begriffen: Sich auf den Rausch des schnellen Erfolges einzulassen, der Kontrollverlust, der dieser Hinterziehung vorausging, war der Fehler. Auf jeden Fall sollte man ihm wünschen, dass er aufhört, eine Leit-Figur eines auf kurzfristigen Erfolg getrimmten Wahnsystems zu sein, dessen Doppeldeutigkeit er bisher nur zu gut repräsentiert hat.

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