Werden bald auch Kleinsparer mit Strafzinsen gerupft?

by Dirk Elsner on 1. Dezember 2014

Negative Guthabenzinsen ist das Thema der Stunde für private Geldanleger. Für Finanzprofis ist das schon fast kalter Kaffee, denn für Bundesanleihen mussten Anleger bereits 2012 drauf zahlen, wenn sie ihr Geld darin parken wollten. Wie so häufig bei vielen Finanzthemen, erreichen bestimmte Entwicklungen früher oder später auch die privaten Anleger und den Personenkreis, den die journalistische Lyrik als Kleinsparer liebt.

Horten wir bald unser Geld zu Hause, weil wir Strafzinsen vermeiden wollen?

(Foto: flickr/ Mike Phot Art, CC Lizenz)

Als vor einigen Wochen die bisher völlig unbekannte Skatbank ihre Karten offen legte und ankündigte, einen Strafzins auf Guthaben über zwei Millionen Euro einzuführen, ging ein Rauschen Raunen durch die Republik. Ausgerechnet zum längst abgehalfterten Weltspartag wollte eine Bank Einleger bestrafen. Nun stellt sich die spannende Frage, werden bald auch die “Kleinsparer” mit negativen Zinsen bestraft.

Christian Kirchner, Frankfurt-Korrespondent von Capital, glaubt nicht an Strafzinsen in der Breite für Privatkunden mit kleineren Anlagesummen. In seiner Kolumne “Nennen wir es Übungszins” bietet er dafür eine plausible Begründung. Er schreibt:

“Eine Bank, die diesen Schritt geht, ruiniert ihr Image in der Öffentlichkeit (Fingerzeige Richtung EZB werden kaum helfen), bekommt im Wettbewerb Probleme und vermutlich das Geld rasch abgezogen, weil der Kunde sich über den Tisch gezogen fühlt. Denn es gibt genug Banken, die das Geld auch zu Minizinsen nehmen würden – weil sie selbst eine schlanke Kostenstruktur haben oder die Hoffnung haben, es später in rentablere Produkte überführen zu können. Imageschaden und Kundenflucht wären ein hoher Preis für eine überschaubare Summe an Zinsmarge, die die Banken für kleinere Summen von 5000, 10.000 oder 20.000 Euro draufzahlen müssen, selbst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) den Zins für Bankeinlagen nochmals senkt.”

Die Argumentation klingt nachvollziehbar. Allerdings könnte man so erst recht für größere Guthaben von vermögenden Personen und Unternehmen argumentieren. Würden Banken die verlieren, schmerzt sie das mehr, denn an “Kleinkunden” verdienen sie immer weniger. Und grundsätzlich sind größere Einlagen für Banken wesentlich bedeutsamer für die Refinanzierung. Das liegt auch daran, dass die Kosten pro Konto hier deutlich niedriger sind als die Kosten für Kleinstguthaben und Sparkonten.

Christian Kirchner hat eine Wette angeboten, dass in Deutschland bis Ende 2015 keine drei Banken Strafzinsen für kleinere Guthaben bis 20.000 Euro erheben. Als Wetteinsatz schlägt er 100 Euro für einen guten Zweck vor, den sich der Gewinner aussuchen darf und der Verlierer zahlt. Bisher wollte keiner gegen ihn wetten. Ich schon. Und so haben wir unsere Wette am Freitagabend ganz zeitgemäß per Twitter und unter Zeugen gefixt.

 

Es ist unstreitig, dass für große Einlagen bereits Strafzinsen gezahlt werden müssen (z.B auch an die Commerzbank). Ich halte es zumindest nicht für unwahrscheinlich, dass einige Banken künftig auch Kleinguthaben mit einem Strafzins belegen. Das machen sie nicht, um die Sparer zu vergraulen, sondern um sie in längerfristige Anlagen zu drängen. Die Negativzinsen, so argumentieren die Banken, werden für kurzfristige Einlagen verlangt, wenn die Banken eine zu hohe Überschussliquidität haben. Die bestraft die EZB mit einem Zins von derzeit minus 0,20%.

Banken wollen Anleger nicht zur Konkurrenz treiben, sondern sie haben ein großes Interesse daran, sie zu längerfristigen Anlagen zu „motivieren“. Früher haben Kreditinstitute gern Fristentransformation betrieben, also einen Teil der kurzfristig eingenommenen Gelder für Darlehen mit längeren Laufzeiten verwendet. Diese Fristentransformation ist aber besonders riskant in Zeiten niedriger Zinsen. Steigen die kurzfristigen Zinsen, dann kann die Marge schnell negativ werden, weil die Zinsen für Kredite mit längeren Laufzeiten nicht erhöht werden können. Wenn das in der Breite passiert, dann könnten wir wieder schnell eine neue Bankenapokalypse sehen.

Banken suchen also nach Anreizen, Gelder auf Giro-, Spar- und Tagesgeldkonten in längerfristige Anlagen zu zwingen. Üblicherweise erfolgt das durch die Erhöhung der Zinsdifferenz zwischen längerfristigen und kurzfristigen Anlagen. Diese Differenz lässt sich verbreitern durch die Erhöhung der langfristigen bzw. Verringerung der kurzfristigen Zinsen. Und wie wir mittlerweile aus der Praxis (und nicht aus den Lehrbüchern der VWL) wissen, können Guthabenzinsen auch negativ sein.

Dazu kommt, dass die Umsetzung der Basel III-Regulierung von Banken verlangt, Kredite tendenziell fristenkongruent zu finanzieren. Mit der Net Stable Funding Ratio (NSFR) erzwingt die Regulierung die mittel- und langfristige Refinanzierung von Krediten und anderen Geschäftstätigkeiten der Banken.

Es gibt aus meiner Sicht keine plausible Argumentation für die Annahme, dass Kleinguthaben von dieser Bewegung auf Dauer ausgenommen werden. Banken wollen damit Kunden nicht zur Konkurrenz drängen, sondern motivieren, auch kleinere Summen länger festzulegen. Bisher fehlte vielen Banken der Mut, negative Zinsen auf Guthaben einzuführen. Das hat sich in diesem Jahr geändert.

Banken sind Meister darin, anderen die Verantwortung für unangenehme Aktivitäten zuzuschieben. Besonders gern genommen sind die Regierung, die “Märkte” und die EZB. Das Narrativ der durch die EZB veranlassten Negativzinsen hilft den Banken nun die Strafzinsen auch für kleinere Guthaben durchzusetzen.

Ich halte daher gegen Christian Kirchner. Wahrscheinlich werden wir nicht in der ganz großen Breite Strafzinsen für alle Guthaben sehen. Aber mindestens drei Banken für Guthaben unter 20.000 Euro halte ich für eine sehr realistische Größe. Wir sind uns dabei übrigens einig, dass die Negativzinsen auch über erhöhte Gebühren (die dann abhängig von der Höhe der Einlagen sein sollten) eingeführt werden können, denn die IT vieler Banken lässt negative Zinsen auf Guthaben nicht ohne weiteres zu. Hier bedarf es noch weiterer technischer Anpassungen.

Jetzt müssen wir nur noch aufpassen, dass wir auch mitbekommen, wenn eine Bank seine Zins- bzw. Gebührenstruktur so umstellt. Es ist unwahrscheinlich, dass diese mit großem Brimborium und Pressemeldung erfolgt. Wahrscheinlicher ist, dass im Kleingedruckten die Bedingungen angepasst werden und dies den Kunden verklausuliert mitgeteilt wird.

Und ich bin übrigens nicht allein mit meiner Position. Christian Seidenbiedel hat in der vergangenen Woche für die FAZ geschrieben: “Wer gedacht hat, als kleiner Sparer ungeschoren davonzukommen, hat sich gehörig getäuscht. Denn die Banken kennen einige Tricks. “

Christian Kirchner Dezember 10, 2014 um 16:27 Uhr

Mir leuchtet Ihre Argumentation klein vs. gross nicht ein, aber vielleicht stehe ich ja auch auf dem Schlauch. Wenn ich die Wahl habe, einen Kunden zu verärgern, der 100 Millionen angelegt hat oder 10.000€ Kunden, die je 10.000€ angelegt haben, dann wird man meiner Meinung nach mutmaßlich den Großkunden mit den 100 Millionen lieber verärgern. Wobei ich nicht mal sicher bin, ob der Großkunde wirklich verärgert ist, denn wer 100 Mio Liquidität bunkert, hat einen CFO/Treasurer, der das versteht, dass die Bank mit den 100 Mios derzeit nichts anfangen kann oder will. Die 10.000 Privatkunden werden hingegen größtenteils glauben, dass ihnen die Bank in die Tasche greift. Plus: Die 100 Millionen Euro des Großkunden sind enorm flüchtiges Geld (erneut wegen der Professionalität der Betreuer), die 10.000 mal 10.000 hingegen nicht, wie man an den Bundesbank-Sparstatistiken ablesen kann. Und mit „Überführen“ meine ich: Die Bank wird vermutlich schlechte Karten haben, einen Großanlegern dazu zu überreden, 100 Mios rentabler anzulegen, denn die Großanleger können sowas selbst ganz gut abschätzen. Die Chancen, die 10.000 mal 10.000 in rentablere und provisionsstärkere Produkte zu überführen (oder als EK einer Baufi) ist da mE größer, zumal gerade der Wechsel weg von Zinsergebnissen hin zu Provisionsergebnissen der letzte Schrei zu sein scheint für die kurz- und mittelfristigen Strategien. Viele Grüße! Ihr Christian Kirchner

Christian Kirchner Dezember 10, 2014 um 16:28 Uhr

Jetzt habe ich routinemäßig „Sie“ geschrieben, sorry, ich bin zu viel offline unterwegs 😉

ulf Dezember 4, 2014 um 19:52 Uhr

ich denke dass die Banken ueber Gebuehren ihre niedrigen/negativen Anlagemoeglichkeiten weiterreichen werden. Es ist zu bedenken, dass die Banken kaum Finanzierungsbedarf haben, weil aktuell die Nachfrage nach Krediten kleiner ist als das Geldvolumen im Finanzsystem.
Wenn die Banken ihr Funding durch Einlagen reduzieren, wird (a) die Renditen anderer Assetklassen sinken, (b) ein Teil als Bargeld ins Horten oder/und Konsum gehen, und (c) ein Teil eventuell als Risikokapital in der Realwirtschaft fuer Innovationen ankommen. Ich denke, dass dies letztlich der Ziel der EZB Geldpolitik ist. Es gibt zu wenig Anlagemoeglichkeiten fuer das ganze Geld (=Schulden).

Stefan Rapp Dezember 1, 2014 um 13:47 Uhr

Vielleicht macht es ja Sinn wenn die Strafzinsen für die Überschussliquidität immer höher wird, das die Banken dann „Vollgeldtageskonten“ einführen, indem sie dann immer hingehen und die Kapitalmenge die in Summe auf den Vollgeldtageskonten liegt selber in Form von Papiergeld in ihren eigenen Tresoren hält und verwaltet. Mit dem Vollgeldtageskonto besitzt man dann einen entsprechenden Anteil an dieser deponierten Liquidität, die dann nicht mehr Teil der Bilanz der Bank ist und auch im Falle einer Insolvenz einer Bank immer noch dem „Tresorgeldanteilseigner“ gehören.

Thema Fristtransformation:
Das Problem der Fristtransformation gibt es ja nicht pauschal in der ganzen Welt, in den USA als Beispiel ist die Zinsbindung eher unüblich, eventuell müssen die Banken hierzulande wenigstens teilweise ihre Strategie ändern und auch hier vermehrt einen Markt für zinsbindungsfreie Darlehns schaffen, in dem sie den jetzt meist recht hohen Zinssatz auf diese Kredite nicht pauschal aber zumindest auf ein gewisses Kontingent hin entsprechend verringern. Beispiel wären schon gut getilgte Hypothekenkredite deren Zinsbindung ausläuft.

Dirk Elsner Dezember 3, 2014 um 13:59 Uhr

@stefan
Bei der Fristentransformation können die Banken zwar kurzfristige bzw. zinsbindungsfreie Darlehen anbieten. Das wollen aber viele Kreditnehmer nicht. Anders als in den USA, stehen wir darauf, unsere Zinsen für möglichst lange Zeit kalkulieren zu können.
Den Vollgeldansatz halte ich für unpraktikabel und ziemlich teuer in der Verwaltung. Die Gebühren für diese Art der Lagerung wären vermutlich höher als die negativen Zinsen, die derzeit berechnet werden.

Jürgen Dezember 1, 2014 um 13:20 Uhr

Also heißt es, wachsam zu bleiben. Nur wird sich ein Wechsel lohnen?

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