Warum das Liquiditätskraftwerk der EZB nicht die Realwirtschaft antreibt

by Dirk Elsner on 26. Januar 2015

Am vergangenen Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihr lang erwartetes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten angekündigt. Die Finanzmärkte drehten euphorisch durch, weil das geplante Volumen der Operation in Höhe von über 1,1 Billionen Euro die ohnehin hohen Erwartungen deutlich übertrifft.

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Warten auf den Geldregen?

Die EZB dehnt dazu die Ankäufe von Anleihen aus, die im Euroraum von Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen begeben werden. Das Programm beinhaltet außerdem die Ankaufprogramme für Asset-Backed Securities (ABSPP) und für gedeckte Schuldverschreibungen (CBPP3). Insgesamt sollen so monatlich bis September 2016 für 60 Mrd. Euro Forderungen in die Bilanz genommen werden. In einem technischen Anhang informiert die EZB über weitere operative Modalitäten.

Was will die EZB erreichen?

Sie schreibt dazu: “In einem Umfeld, in dem die Leitzinsen der EZB ihre Untergrenze erreicht haben, schaffen Ankäufe von Vermögenswerten monetäre Anreize für die Wirtschaft. Sie bewirken eine weitere Lockerung der monetären und finanziellen Bedingungen, sodass Unternehmen und private Haushalte günstiger Finanzmittel aufnehmen können. Dies stützt tendenziell die Investitionen und den Konsum, was letztendlich dazu beiträgt, dass sich die Teuerungsraten wieder dem Niveau von 2 % annähern.” (Unterstreichungen durch mich).

Das Narrativ der EZB wird durch Wiederholung nicht wahrer

Mit ihrer Begründung hält die EZB an ihrem überholten Narrativ über geldpolitische Maßnahmen und dem geldpolitische Transmissionsmechanismus) fest. Der lautet bekanntlich: Wenn die Zinsen gesenkt werden und die Geldmenge erhöht wird, dann stehen den Banken mehr Mittel zu günstigeren Konditionen für die Kreditvergabe zur Verfügung. Diese würden sie dann zu verbesserten Konditionen an die Realwirtschaft weitergeben. Für die Realwirtschaft lohnen sich nun Investitionen mehr, weil sie leichter und zu besseren Konditionen an Kredite kommen. So investieren Unternehmen mehr und kurbeln die Wirtschaft an. So wurde es am Donnerstag und so ähnlich seit Jahrzehnten erzählt. Warum dabei nicht einmal darauf eingegangen wird, dass diese Erzählung nicht mehr funktioniert, ist mir schleierhaft.

Realwirtschaft braucht die Mittel nicht

Die Vorstellungen der EZB scheitern an der Realwirtschaft, denn

  1. benötigt viele Unternehmen diese zusätzlichen Mittel gar nicht und
  2. kommen diese Mittel bei den Unternehmen, die sie benötigen, trotzdem nicht an.

Warum ist das so?

Zu 1.: Große Teile der Realwirtschaft schwimmen im Geld und wollen keine Bankkredite

Ich schreibe hier bereits seit Jahren darüber: Viele Unternehmen brauchen gar keine neuen Kredite. Sie ertrinken vielmehr in Liquidität. Die Finanzreserven großer Konzerne aber auch vieler Mittelständler wachsen ständig weiter. Statt zu investieren oder nicht notwendige Liquidität an die Eigentümer auszuschütten, horten die Finanzvorstände lieber Geld, vielleicht auch um in Krisenzeiten besser gewappnet zu sein als in den Jahren 2008 und 2009. Das Trauma der Kreditklemme in Folge der Lehman-Pleite ist immer noch im kollektiven Gedächtnis der Finanzabteilungen verankert.

Und tatsächlich wirkt die Nahtoterfahrung des Finanzsektors heute noch nach. Aus vielen Gesprächen und Projekten weiß ich, dass Unternehmen seit damals weiter nach größerer Unabhängigkeit der Unternehmensfinanzierung suchen. Einige haben nach der Überwindung der Krise ihre Bank gewechselt und viel Energie in bankenunabhängige Kapitalbeschaffung gesteckt. Der nun in Mode gekommenen Wiederentdeckung des Mittelstands durch die Banken stehen viele Unternehmensvertreter skeptisch gegenüber.

In diesem Zusammenhang empfehle ich unbedingt einmal einen Blick in den Mitte Dezember erschienen Fachaufsatz “Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2013”. Dem kann man nämlich entnehmen, dass trotz der gesunkenen Zinsen das Wachstum der Kreditfinanzierung stagniert (-1% von 2012 auf 2013). Die treibenden Hauptfinanzierungsquellen für Unternehmen sind danach u.a. Eigenmittel +4% und die Finanzierung über Kredite von verbundenen Unternehmen (+5,5%). Die Finanzierung aus Lieferantenkrediten wuchs übrigens nicht mehr weiter (-0,5%).

Zu 2.: Unternehmen und Gründer, die Geld brauchen, bekommen es nicht aus dem Bankensystem

Während also viele Unternehmen kein Interesse an Krediten aus der Finanzwirtschaft haben, gelangen in vielen Ländern Unternehmen gar nicht erst an Kredite, obwohl sie diese dringend benötigen. Hier hält sich die Finanzwirtschaft mit neuen Darlehen zurück, weil ihnen die Risiken zu groß sind. Aber wenn sie aus Risikogründen (und vor allem aus regulatorischen Gründen) keine Kredite vergeben wollen bzw. dürfen, dann ändern die jüngst beschlossenen Maßnahmen daran ebenfalls nichts. Der Finanzsektor kann aufgrund der strengen Regulierung und der weiterhin sehr schlechten Eigenkapitalausstattung seine Risikotransformationsfunktionen nicht mehr ausüben. Da würde selbst ein 100 Milliardenprogramm pro Monat nichts nützen.

Angesichts der Wirkungslosigkeit des Programms sollte man sich eher über die Nebenwirkungen des Programms Gedanken machen und sich stärker mit der Frage beschäftigen, was eigentlich an einer so niedrigen Inflationsrate negativ sein soll. Aber das Themen für mindestens zwei weitere Beiträge.

Nixda Januar 26, 2015 um 13:15 Uhr

Im ganzen ist die rein Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik an ihre Grenzen gestoßen. Wenn Investitionsentscheidungen im wesentlichen von Absatzpotenzialen und Preisen abhängen, dann kann mit Verbesserungen der Angebotsbedingungen nichts mehr erreicht werden. Wir brauchen nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik. Dieser ist aber nicht zu erwarten.

Einen etwas skurril wirkenden Vorschlag dazu hatte ein Manager der BCG letztes Jahr in einem Interview geäußert: Die EZB solle das Geld nicht für Anleihekäufe verwenden, sondern jedem EU Bürger einen bestimmten Betrag auszahlen. Man kann diesen Vorschlag kritisieren, er dürfte schon an den vielen offenen Fragen der Umsetzung scheitern, aber auch deshalb, weil Notenbankpoilitik egal ob angebotsseitig oder nachfrageseitig stets nur zyklische, aber keine strukturellen Probleme löst. Aber der Vorschlag zeigt die richtige Richtung auf, dass man nachfrageseitig aktiv werden muss.

Als weiteren Aspekt möchte ich hier auch auf die neuen Forschungsergebnisse von Schularick und Taylor hinweisen, in dem sie belegen, das historisch hohe privatwirtschaftlichen Kredite zu Instabilitäten und Krisen führen, und das wir derzeit historische Höchststände bei diesen Krediten haben. Das die EZB in diesem Umfeld die Kreditvergabe weiter ankurbeln will ist vor diesem Hintergrund grob fahrlässig. Nicht im Sinne eine Inflationsgefahr, sondern in Form eine Destabilisierung der Wirtschaft.

http://www.huffingtonpost.com/lynn-parramore/surprising-findings-point_b_6463992.html

Da sich die politische Landschaft ebenfalls destabilisiert (Griechenland, Ukraine), wird es langsam gefährlich, spätestens wenn wirtschaftliche und politische Krise zeitgleich ausbrechen. Die Krise 2008 haben wir noch in einem politisch stabilen Umfeld erlebt, das wird bei der nächsten Krise anders sein.

Michael Stöcker Januar 31, 2015 um 06:20 Uhr

Skurril erscheint dieser Vorschlag von Daniel Stelter et. al. nur deshalb, weil er für viel neu sein dürfte, obwohl er schon vor vielen Jahren von Milton Friedman in die Diskussion gebracht wurde. Auch Norbert Häring vom Handelsblatt hat sich dieses Themas in Verbindung mit QE angenommen. Meine Replik hierzu finden Sie hier: https://zinsfehler.wordpress.com/2015/01/20/qe-versus-ml/

LG Michael Stöcker

Stefan Rapp Januar 26, 2015 um 12:52 Uhr

Das die EZB Politik nicht unmittelbar für Deutschland gemacht ist, denke ich ist schon klar, die Frage ist doch eher wie sieht es mit den Firmen in Italien, Spanien, Frankreich oder Griechenland aus. Was müssen die dort im Moment für Zinsen zahlen, haben die dort auch genügend Liquidität. Weniger Zinsen zu bezahlen reduziert an sich auch schon das Risiko, aber ob diese Risikosenkung einen ausreichend substanziellen Beitrag leistet ist natürlich fraglich.
Alternativ hätte man sich auch fragen können ob es nicht sinnvoller gewesen wäre das die EZB praktisch eine Billion Euro an die staatlichen Haushalte ausschüttet mit der Bedingung das die Steuern dementsprechend für sagen wir mal die nächsten zwei Jahre bei den privaten Haushalten gesenkt wird. Den notwendigen rechtlichen Rahmen für die EZB hätte man ja schaffen können. So wäre das Geld dann bei den Konsumenten gelandet und hätte damit sicherlich eine erhöhte Konsumnachfrage nach sich gezogen die auch in einem entsprechend Wirtschaftswachstum mündet.
Ob das wirklich sinnvoll und nachhaltig ist kann ich auch nicht sagen, trotzdem Glaube ich das es besser gewesen wäre als das was die EZB jetzt tut.
Was vielleicht eine weitere denkbare alternative wäre wenn man eine Art europaweites Bürgschaftssystem ins Leben gerufen hätte. Es ist ja nicht so das die Banken gar keine Kredite geben, dort wo das Risiko überschaubar ist bzw. entsprechende Sicherheiten da sind wird die Bank entsprechende Kredite auch vergeben. dieses Szenario entspricht jetzt der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation in Europa. Jetzt hätte man, nur mal als Beispiel Bürgschaften den Banken meinetwegen bis zu 5% der Kreditsumme geben können, so das sich für alle Banken in der europäischen Wärungsunion ein zusätzliches Kreditpotenzial für weitere Investitionen der Unternehmen erschlossen hätte. Würde diese Maßnahme fruchten, würde ja das sich daraus ergebende positive Gesamtmarktumfeld die Risiken dieser Bürgschaftskredite selbstprophezeiend verringern aber auch die der risikoärmeren. Dort wo die Kredite dann wirklich platzen, müssten dann die Bürgschaften entsprechend an die Banken ausgeschüttet werden. Dies würde die Liquidität im Euroraum erhöhen teilweise würde aber auch die zusätzliche Liquiditätsmenge durch die wachsende Wirtschaft auch gebraucht werden, so das der Inflationsdruck auch eine Kompensation erfährt. Dieses Szenario wäre mit Sicherheit am Ende günstiger als eine Billion Euro und entsprechend auch weniger riskant.

Dirk Elsner Januar 26, 2015 um 13:00 Uhr

Ausschüttungen für die Konsumnachfrage gehören nicht zur Aufgabe der EZB. Das ist Sache der Staaten.
Der Ansatz Bürgschaften für riskantere Kredite zu vergeben ist gut und wird auch immer wieder diskutiert, leider nur mit wenig praktischen Konsequenzen. Aber auch solche Bürgschaften sind nicht Aufgabe der EZB, sondern gehören in Förderbanken. Dazu gibt es ab und an mal etwas zu lesen, wie etwa hier
„KfW unterstützt Spanischen Mittelstand“
https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/News/News-Details_143488.html

Klaus Schneider Januar 26, 2015 um 10:32 Uhr

Kann ich voll und ganz unterstreichen.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Bei vielen mir bekannten Entscheidungsbesprechungen betr. Investitionen spielt die Finanzierung keine Rolle. Ich wage sogar zu behaupten, dass dies genauso bei einem um 2 Punkte höheren Satz der Fall wäre.
Entscheidungskriterien sind einzig Absatzchancen, neue Produkte, Exportrisiken, Wettbewerbssituation usw. Waru die EZB und auch die Börse an diesen alten – aber früher durchaus richtigen – Mechanismen festhällt, ist mir absolut schleierhaft.

Dirk Elsner Januar 26, 2015 um 11:30 Uhr

Sehe ich exakt genauso. Ich kenne kein Unternehmen, dass seine Entscheidungen von einer mikroskopischen Änderung der Marktzinsen abhängig macht. Die Faktoren Aussichten, Risiken, rechtliche Rahmenbedingungen und viele andere in der betriebswirtschaftlichen Sphäre dominieren hier deutlich jede EZB-Handlung.

HelgaR. Januar 26, 2015 um 09:47 Uhr

Klingt plausibel was Sie da schreiben. Wirtschaft als Einbahnstraße, in der das Geld immer dahin fließt wo schon das meiste ist, funktioniert halt nicht. Nicht bei Unternehmen, nicht bei Staaten und auch nicht bei den Menschen.

jb Januar 26, 2015 um 08:43 Uhr

bin mal gespannt was das mittelfristig an Nachfrageausfall in Deutschland bedeutet, wenn eine der größten Sparernationen keine Zinsen mehr ausschüttet. das holen ein paar Cent an der Tanke und eine niedrige Inflationsrate nicht rein.

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