Im Dezember veröffentlichte der Companisto Blog unter der Überschrift “FinTechs – die besseren Banken?” ein interessantes Gespräch mit Vertretern von Fintechs, Banken und Verbandsvertretern. In der Zusammenfassung des Gesprächs hieß es zu der Frage Was machen FinTechs anders als Banken?
“Vor allem zeigen sie eine hohe Bereitschaft, Dinge auszuprobieren und fokussieren den Kundennutzen bzw. die Kundenperspektive. Sie setzen an speziellen Punkten an, die den Kunden stören und entwickeln dazu eigene, smarte Lösungen, sodass ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung aus Kundensicht ganz anders, schneller oder besser funktioniert.”
Und Johann Gross schrieb für den “Aktionär”:
“Kritiker halten das Geschäftsmodell der klassischen Banken für veraltet und fühlen sich in den Hiobsbotschaften der letzten Wochen bestätigt. Sollten keine Umstrukturierungen und Neuausrichtungen der Institute stattfinden, müssen die Banken um ihre Existenz kämpfen, so die Skeptiker.”
Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, dass stets alles, was Fintechs machen, besser läuft als im klassischen Finanzsektor. Immer wieder zeigen Beispiele, dass auch Fintechs die üblichen Probleme, mit denen Banken seit Jahrzehnten zu tun haben, nicht ausblenden können. Aktuell und sehr prominent ist das am Beispiel Lending Club zu sehen. Lending Club ist ein etabliertes und eines der wenigen börsennotierten FinTechs. Das Unternehmen aus San Francisco gehört zu den Pionieren der Peer-to-Peer-Finanzierung und war zigmal Thema hier im Blog und in meinen Kolumnen.
Im Wall Street Journal hatte ich das Unternehmen einmal so vorgestellt:
“Lending Club ist neben Prosper einer der US-Pioniere für so genannte Peer-to-Peer-Kredite (P2P-Kredite). Solche Kreditbörsen betreiben Crowdfunding, also den durch das Internet gestützten direkten Geldtransfer von Anlegergruppen zu Kreditnehmergruppen. Die Betonung liegt hier auf Gruppe (Crowds), weil ein Kreditnehmer nicht durch einen, sondern durch mehrere Geldgeber finanziert wird.”
Lending Club gilt vielen (auch mir) als Vorzeige-FinTech. Schaut man sich nun aber mal die Performance der Aktie an, dann stelle ich ernüchternd fest, dass Lending Club in den vergangenen 12 Monaten sich noch deutlich schlechter entwickelt hat als die stark gebeutelte Akte der Deutschen Bank. Dies zeigt der Vergleich mit Hilfe des Chart-Tools der Consors-Bank:
Timothy Li hatte vergangene Woche in Seeking Alpha die Misere von Lending Club analysiert. Er nennt folgende Gründe für die Underperformance:
- Underperforming credit risk model that caused massive portfolio selloff by Santander USA.
- Shifting capital source from institutional capital to retail investors to hedge recession risk.
- Setting expectations for further price hike and slash technology and G&A spend.
- compliance risk
- increase competitive landscape
- lack of innovative products
(siehe zu den letzten drei Punkten diesen Artikel)
Ich will hier nicht alle Punkte im Details zusammenfassen und kommentieren. Offenbar gibt es aber mittlerweile Probleme mit dem Kreditrisikomodell von Lending Club. Die Algorithmen und sicher auch die umfangreichen statistischen Daten, die die Plattform zur Verfügung stellt, haben nach einer Analyse von Bloomberg überhaupt erst dazu geführt, dass viele professionelle Investoren ihr Geld in Kredite von Lending Club investiert haben.
Allerdings ist weder den Artikeln noch den eigenen Statistiken von Lending Club zu entnehmen, dass es hier zu substantiellen Störungen gekommen ist. Es wird lediglich davon gesprochen, dass die Performance von Kreditportfolien unter der ursprünglichen Erwartung lag. Im Klartext, die tatsächlichen Ausfallquoten von Krediten in den jeweiligen Risikoklassen lagen höher als die prognostizierten. Für überzüchtete Aktienkurserwartungen können solche Feststellungen allerdings sehr relevant sein.
Das ein Unternehmen sein Risikomodell überschätzt ist weder neu noch eine besondere Überraschung. Für diejenigen, die die Finanzkrise 2007 bis 2009 schon verdrängt haben, hier zur Auffrischung aus einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung:
“Investmentbanker erlagen zudem dem Trugschluss, mittels hochkomplizierter mathematischer Optimierungsverfahren das Risiko der neuen Anlageinstrumente und Zweckgesellschaften nahezu beseitigt zu haben. Zwar berücksichtigten ihre Modelle durchaus die Möglichkeit eines Einbruchs der Immobilienpreise, doch basierten die Berechnungen auf historischen Erfahrungswerten. Mit einem Wertverlust auf den Immobilienmärkten, wie er letztendlich eintrat, hatte kaum jemand gerechnet.”
Das Beispiel Lending Club zeigt nicht, dass FinTechs gescheitert sind. Auch Lending Club existiert weiter und steht keineswegs vor der Pleite. Das Beispiel macht aber ganz deutlich, dass für die digitale Wirtschaft die gleichen Marktregeln gelten und Digitalisierung nicht per se eine Lösung für alle alten Probleme bietet. Fintechs kommen in der Realität an.
Hallo Michael,
besten Dank für die Rückmeldung.
Nach meinem Eindruck ist die Digitalisierung des Bankgeschäfts in der Priorität der Banken weiter nach oben gerutscht.
Auf der anderen Seite reden zwar sehr viele heute über die Digitalisierung von Geschäftsfeldern. Im Detail bleibt aber oft unklar in der Praxis, was darunter zu verstehen ist.
VG
Dirk
Hallo Dirk,
das glaube ich auch. Der Leidensdruck wird immer höher. Aus eigenen Erfahrung weiß ich, dass man man im Banking überproportional gut verdient. Ein toller Bonus, hohe Gehälter…das alles sagt ja nur aus, das die Margen entsprechend hoch sind. Schließlich handelt es sich nicht um ein Hexenwerk…natürlich möchte ich die Tätigkeiten auf keinen Fall als Banal hinstellen! Strukturierte Finanzierungen und Co. brauchen einen gewissen Wissens- und Bildungsstand und müssen entsprechend entlohnt werden.
Bei der Kreditvergaben, Kontoführung und Co. sieht die Sache aber schon wieder anders aus. Sparkassen profitieren noch von der Trägheit ihrer Kunden. Die nächsten Generationen werden da wahrscheinlich schon genauer hinschauen.
LG,
Michael
Hallo Dirk,
danke für den tollen Beitrag!
Ich habe selber im Banking gearbeitet (Vermögensberatung + Investmentbanking) und bin letztes Jahr auf die Start Up Seite gewechselt.
Aus meiner Sicht, ist die Transformation der Finanzlandschaft nicht mehr auf zu halten. Es geht wirklich um Massive Veränderungen, jedoch sind die alten Institute meistens zu behäbig und ihre Strukturen lassen schnelle Entscheidungen einfach nicht zu. Hinzu kommt, das die meisten einfach aus einer anderen Generation kommen und manchmal nicht an die kommenden Veränderungen glauben.
Finde den Vergleich mir der Deutschen Bank sehr interessant! Schaffen es die „alten“ sich doch mit den „neuen“ zu behaupten? Wir werden sehen… es ist auf jeden Fall ein sehr spannendes (Investment-)Thema.
Beste Grüße,
Michael
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