WeChat in der Praxis – Fragen an eine Anwenderin zum Bezahlen und Geldanlegen in China

by Dirk Elsner on 13. Juni 2016

In meinem Blog und in meinen Kolumnen habe ich schon häufiger über WeChat, den chinesischen Pendant zu WhatsApp geschrieben (siehe z.B. hier für das Wall Street Journal). Dabei ist der Vergleich zu WhatsApp eigentlich wenig schmeichelhaft, denn WeChat kann viel mehr als nur Nachrichten übermitteln. WeChat  ist ein Chat-Dienst für Smartphones und wird betrieben von chinesischen Technologiekonzern Tencent. Spiegel Online stellte den Dienst im Januar vor als Service-Plattformen für alles.

Die Daten von WeChat beeindrucken. Die US-Website Business-Insider hatte berichtet, dass es Ende 2015 697 Millionen aktive Nutzer gegeben habe, mehr als 200 Millionen Nutzer haben ihr Bankkonto oder andere Zahlungsinformationen hinterlegt. Für 2016 erwartet Reuters ein abgewickeltes Zahlungsvolumen von umgerechnet 556 Milliarden US-Dollar

Bisher kannte ich leider niemanden, den ich selbst einmal zur praktischen Nutzung von WeChat befragen konnte. Dr. Oliver Everling, Gründer und Geschäftsführer von RATING EVIDENCE, Fachbuchautor- und herausgeber (Bankdienstleister der nächsten Generation) und Betreiber eines angesehenen Fachblogs, ist mit Ren Jian verheiratet. Frau Ren ist Chinesin, die 2002 zum Studium der Kommunikatioonswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster nach Deutschland gekommen ist. Sie lebt in Deutschland und fliegt jedes Jahr ein bis zwei Male nach China und bewundert wie schnell sich in den letzten Jahren FinTech in China entwickelt und das alltägliches Leben der Bevölkerung verändert hat. Sie ist eifrige Nutzerin von WeChat.  Ren Jian habe ich folgende Fragen zum praktisch Gebrauch gestellt. Zunächst ein Video, das die grundsätzlichen Funktionen erklärt:

1. Wechat vergleichen viele in Europa mit WhatsApp. Dabei kann diese Anwendung viel mehr. Welche Funktionen nutzen Sie in dem Messenger

Die folgenden Funktionen von Wechat sind mir wichtig. Die Liste hat aber keinen Anspruch an Vollständigkeit.

  • Messenger: Ich würde Wechat nicht als „Messenger“ nennen, weil Message zu senden und zu empfangen ist nur eine Funktion von Wechat ist.
  • Voice Message schicken.
  • Telefonieren: Häufig ist die Qualität des Gespräches besser als durch normaler Telefonline.
  • Standort teilen: Man kann den anderen seinen Standort senden, oder den Echtzeit-Standort zeigen, wenn er sich noch bewegt.
  • Abonnement: Man kann Inhalte von den öffentlichen Konten empfangen, die man abonniert , Wirtschaft, Politik, Witz, Nachricht…. Man muss nur die Wechat-namen von den Konten wissen, um sie zu abonnieren.
  • Entdecken: Mit Wechat kann man seine Gedanken, Fotos und Videos mit seinen Wechat-Freunden in „Momente“ teilen und diese von anderen auch lesen und kommentieren. Man kann auch Inhalte posten und weiterleiten, was man woanders gelesen hat. Interssante Inhalte, die man in „Momente“ gelesen hat, kann man als Favoriten speichern.
  • QR-Code scannen: ein QR-Code Scanner, mit dem man beispielsweise zahlen kann.
  • Schütteln: Man kann das Handy schütteln, um zu wissen, welche anderen Menschen es in der Nähe gibt, die auch Wechat benutzen. Man kann sie ansprechen und sich mit ihnen verbinden, wenn beide es wollen.
  • „Meine Brieftasche“ in „Mich“: Man kann Wechat mit einer oder mehreren Bankkarte/n verbinden lassen, so dass die folgenden Funktionen durchführbar sind:

1. „Quick Pay“: wenn man auf „Qick Pay“ klickt, wird ein QR-Code entstehen. Scannt der Geldempfänger diesen Code, wird entsprechendes Geld von dem gebundenen Bankkonto abgebucht, gleichzeitig erhält man eine Nachricht von WeChat, die einem die Abbuchung bestätigt.

2. „rotes Paket“: In China gibt es eine Tradition, dass man im Frühlingsfest Bargeld in einem roten Briefumschlag reinsteckt und diesen dem Kind schenkt mit dem Wunsch, dass das Kind ein glückliches Jahr haben wird. WeChat hat diese Tradition modernisiert und in die Erwachsenenwelt erweitert. Man kann mit der Funktion „rotes Paket“ an anderen WeChat-Freund oder Freundengruppe schenken. Man kann vorher bestimmen ob der Beitrag unter den Freunden in der Gruppe identisch verteilt wird oder per Zufall verteilt wird.

3. Überweisen: Hier kann man einem z.B. einem Wechat-Freund Geld auszuleihen oder zurückzugeben.

4. Finanzprodukte kaufen. Auf der Plattform kann man Geldmarktfonds und verschiedene Versicherungsprodukte und sonstigeFonds kaufen.

5. Gebühren zahlen: Man kann damit Telefongebühren, Wasser, Strom, Gas, Bußgeld bezahlen.

2. In Europa liest man viel über die Zahlungsfunktionen von Wechat. Können Sie beschreiben, wie das in der Praxis funktioniert (gern auch mit einem Video oder Screenshot). Welche Informationen benötige ich über den Zahlungsempfänger

Es gibt viele Videos in YouTube, die die Zahlungsfunktion in WeChat sehr detailliert erläutert. Man braucht praktisch keine Information über den Zahlungsempfänger. Der Zahlungsempfänger muss einen Scanner haben, um den QR-Code zu scannen, den der WeChat Nutzer mit WeChat produziert. Wenn zwei private Personen durch WeChat verbunden sind und beide Bankkarten mit seinem WeChat verbunden haben, können sie gegeneinander Geld überweisen, ohne Bankkontoinformation von den Anderen zu erfahren.

Hier einige Videohinweise auf YouTube

3. Wie richtet man Wechat das erste Mal ein, wenn man es für Zahlungen benutzen will. Muss man es Prepaid aufladen per Kreditkarte, überweist man Geld dorthin oder gibt es so etwas wie einen Bankeinzug.

Für das erste Mal muss man die Nummer von einer Bankkarte in WeChat eingeben und diese mit dem WeChat-Konto verbinden. Danach werden alle Transformationen durch dieses Konto passieren. Es ist keine Kreditkarte, sondern eine normale Giro-Karte.

4. Wird Wechat nur im privaten Umfeld verwendet oder kann man darüber auch in Geschäften zahlen bzw. Rechnungen begleichen.

In der Rubrik „Momente“ kann man Geschäfte aufmachen. Diese Plattform bietet den Händlern Möglichkeiten an, Fotos über Produkte zu zeigen und Informationen mit ihren Kunden auszutauschen. Der Zahlungsverkehr erfolgt durch die Zahlungsfunktion von WeChat. Solche Händler werden als „Microhändler“ genannt.

5. Es heißt über Wechat sei auch das Sparen möglich, etwa in Geldmarktfonds oder andere Wertpapieranlagen. Ist das richtig? Wie funktioniert das?

In der Rubrik „Brieftasche“ in „Mich“ gibt es diese Funktion. Man wählt ein Finanzprodukt aus und gibt an, wie viel man dafür ausgeben will. Das Geld wird aus der Bankkarte abgezogen, die man mit WeChat verknüpft hat.

6. Ist WeChat direkt mit einem Bankkonto verknüpft oder kann man es statt eines Bankkontos nutzen? Lassen sich zum Beispiel auch Leute ihr Gehalt dorthin überweisen.

Bis jetzt habe ich noch nie gehört, dass Firmen durch WeChat Gehalt überweisen.

7. Wie steht es mit der Verfügbarkeit mit WeChat. Gibt es häufiger Ausfälle?

Ausfälle bei WeChat habe ich persönlich noch nie erlebt oder von jemand anderem gehört.

8. Steht neben der mobilen Anwendung ein Webfrontend zur Verfügung, über die man man sich zum Beispiel Auswertungen erstellen lassen kann.

Es gibt noch eine Website-Version von WeChat, womit man im Computer WeChat benutzen kann. Auswertungen über WeChat kann man nicht direkt durch WeChat angeben.

9. Wie ist die gefühlte Verbreitung in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.

In meinem chinesischen Freundes- und Bekanntenkreis nutzen alle WeChat. WeChat kann man in mehr als zwanzig Sprachen benutzen. Ich hoffe, dass noch mehr Deutsche von WeChat gebrauchen machen und davon profitieren können.

 

Einen weiteren Nutzungsbericht gibt es via Bloomberg: Life in the People’s Republic of WeChat

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Aktualisiert am 13.06.2016

egghat (@egghat) Juni 13, 2016 um 11:47 Uhr

Je weniger das normale, traditionelle Banking ausgebaut ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen das auf völlig neue Art und Weise benutzen (WeChat in Asien) oder gar ganz ersetzen (Konto im Handy in Afrika) werden. Das dürfte auch für Bitcoins (etc) gelten, die in diesen Märkten viel bessere Startbedingungen haben.

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