Außer Spesen nichts gewesen

by Karl-Heinz Thielmann on 14. Juni 2016

Es ist erst ein paar Jahre her, da präsentierte uns die Finanzpresse die neuen Herren des Universums: die extrem hoch bezahlten Manager einiger großer Hedgefonds, denen aufgrund ihrer scheinbar unschlagbaren Strategien sowie bisher unvorstellbaren Milliardengehälter der Titel „Masters of the Universe“ verliehen wurde.

Denn diejenigen Hedgefonds, welche die Finanzkrise gut gemeistert hatten, schienen im Besitz universeller Erfolgsformeln auch für die Zukunft zu sein. Sie hatten den Absturz im Gegensatz zu traditionellen Investmentprodukten nicht nur gut überstanden, einige konnten sogar prächtig daran verdienen. Dies schlug sich nicht nur in guter Performance, sondern auch in galaktischen Erfolgsprämien für die Manager nieder. Sie stellten selbst das weit in den Schatten, was man als Vorstand eines multinationalen Großkonzerns verdienen konnte. So summierten sich 2010 nach Berechnungen von Forbes die Vergütungen der bestbezahlten 25 Hedgefonds-Manager auf das vierfache von sämtlichen Gehältern aller Vorstandchefs der Unternehmen des S&P 500 Index zusammengenommen.

Hedgefonds wurden als die neue eierlegende Wollmilchsau der Finanzindustrie angepriesen. Sie versprachen Anlegern nicht nur hohe Renditen, sondern aufgrund der niedrigen Korrelation zu traditionellen Anlageformen auch noch eine Verminderung des Risikos des gesamten Portfolios.Und so drängten sich insbesondere Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger danach, ihr Geld in Hedgefonds anzulegen. Alleine im Jahr 2014 sammelten Hedgefonds netto die Rekordsumme von 111,4 Mrd. US$ neuer Mittel ein. 2015 allerdings kühlte sich mit einem Nettozufluss von 66,6 Mrd. der Enthusiasmus angesichts enttäuschender Performancezahlen etwas ab – nur noch 3 von 36 Teilkomponenten des Hedge Fund Research HFRX-Index konnten vergangenes Jahr eine positive Wertentwicklung aufweisen. Im 1. Quartal 2016 kam es mit einem Minus von 15 Mrd. US$ zum ersten Mal seit der Finanzkrise zu Nettoabflüssen. In den nächsten Monaten dürfte sich angesichts magerer Performancezahlen dieser Trend fortsetzen. Statt Boom ohne Ende wird jetzt anscheinend Niedergang das Leitmotiv des Hedgefonds-Sektors.

Reale Wirtschaft gegen Hedgefonds: Wer schafft die bessere Wertentwicklung?

Ein ausgesprochener Skeptiker gegenüber Hedgefonds ist schon seit Langem Warren Buffett. Er glaubt nicht, dass ihre Gewinne auf Dauer mit der Wertgenerierung durch die produktive Wirtschaft mithalten können. Hedgefonds dürften deshalb seiner Ansicht nach langfristig nicht in der Lage sein, besser als der Aktienmarkt abzuschneiden. Diese Auffassung brachte er unter anderem in einer spektakulären Wette zum Ausdruck, die er 2008 abschloss. Mit dem auf Hedgefonds spezialisierten Vermögensverwalter Protégé Partners wettete er um 1 Mio. US$, dass ein Indexfonds für den US-Aktienmarkt auf 10-Jahres-Sicht einen Basket aus 5 von Protégé Partners favorisierten Hedgefonds schlagen würde. Obwohl Buffett aufgrund der Finanzkrise einen schlechten Start hatte – 2008 verlor der von ihm ausgewählte Vanguard 500 Index Fund Admiral 37%; der Hedgefondsbasket hingegen nur 23,7% – erscheint das Zwischenergebnis nach 8 Jahren als erste Bestätigung seiner Ansichten: Per Ende 2015 war der Wertzuwachs beim Indexfonds 65,7%, bei den 5 nach Expertenmeinung besten Hedgefonds nur mäßige 21,9%.

Allerdings sind dauerhafte hohe Erträge mit Hedgefonds nicht unmöglich, wie der Medallion-Fonds von Renaissance Technologies zeigt. Er agiert auf der Basis von Big Data Analysen sowie Handelsalgorithmen und lieferte seit Gründung 1988 Erträge von jährlich mehr als 35% ab. Er gilt damit als der langfristig erfolgreichste Hedgefonds. Leider gibt es für normale Anleger drei Schönheitsfehler:

1)      Die genauen Algorithmen werden streng geheim gehalten. Diese Geheimhaltung gilt auch als zentraler Erfolgsfaktor, da ihre breitere Bekanntheit das Ausnutzen von Markt-Ineffizienzen stark erschweren würde oder sogar unmöglich machen könnte. Allerdings ist so nicht nachvollziehbar, wie die Performance zustande kommt, und ob sich der Erfolg fortsetzen kann.

2)      Weiterhin nimmt die Verbreitung von Big Data und Algorithmen stark zu. Medallion hatte bisher einen Know-how Vorsprung; ob dieser gehalten werden kann, erscheint ungewiss.

3)      Der Medallion-Fonds ist seit 1993 für neue Investoren geschlossen. Seit 2005 können nur noch Mitarbeiter und ihre Familien in ihn investieren. Insofern profitiert vom Erfolg nur ein kleiner und sehr exklusiver Personenkreis. Die öffentlichen Hedgefonds, die Renaissance für Externe managed, sind deutlich weniger erfolgreich: So wurde der „Institutional Futures Funds“ im Jahr 2015 nach 8 Jahren geschlossen, weil er nur eine jährliche Rendite von 2,9% erwirtschaftet hatte – noch weniger als die 4% p.a. des Konkurrenzdurchschnitts.

Das Yale-Modell: Erfolg mit Hedgefonds ist keineswegs einfach

Als Wegbereiter des Einsatzes von Hedgefonds in der institutionellen Kapitalanlage gilt David Swensen, der für das Stiftungsvermögen der Yale University verantwortlich ist. Vor ca. 25 Jahren fing er an, in großem Stil in Hedgefonds zu investieren. Seine Idee dabei war, dass es die auf das Auffinden von Marktineffizienzen spezialisierten Hedgefonds leichter haben, außerordentliche Renditen zu erzielen, als konventionelle Anlagefonds für Wertpapiere.

Diese Ausrichtung war einer der Hauptgründe dafür, dass sich die Performance seines Stiftungsvermögens deutlich besser entwickelte als bei vergleichbaren Institutionen. 2000 veröffentlichte er das Buch „Pioneering Portfoliomanagement“, in dem er seine Anlagestrategie beschrieb. Es wurde unter professionellen Vermögensverwaltern schnell zum Bestseller, die in der Folge das Erfolgsrezept kopierten. Doch im Gegensatz zum Original blieben die Nachahmer zumeist relativ erfolglos.

Der Grund für das Scheitern der meisten Anleger mit Hedgefonds-Investments ist relativ einfach: unzureichende Sorgfalt bei der Auswahl. „Man muss in den Top 10% der Hedgefonds investieren, um erfolgreich zu sein“ erklärte Swensen 2009 in einem Interview. Um diese herauszufinden, hat er in Yale ein Expertenteam aufgebaut, das einen rigorosen Auswahlprozess verfolgt.

Eine zentrale Rolle hierbei nimmt die Beurteilung der charakterlichen Eigenschaften von Fondsmanagern ein. In einem Interview mit der Financial Times erklärte Swensen 2009: „Am wichtigsten sind der Charakter und die Qualität der Menschen. Dies ist auch das zweitwichtigste und drittwichtigste Kriterium. Sie bedeuten alles.“ Hierzu werden sehr tief gehende Background-Checks des Lebenslaufs vorgenommen, die bis zur Befragung von ehemaligen Schullehren gehen.

Ein besonderes Ärgernis für Swensen sind die Dachfonds für Hedgefonds, die seiner Ansicht nach unzureichend recherchieren. In einem Interview mit dem Wall Street Journal bezeichnete er sie 2009 als „Krebsgeschwür der institutionellen Investmentwelt“. Sie seinen Sammelstellen für „unwissendes Kapital“, die Anlagegelder in schlechte Produkte umlenken und auf die ohnehin schon hohen Gebühren der Fonds noch weitere Kosten auftürmen. Zudem würden viele gute Hedgefonds Einlagen von Dachfonds bewusst ablehnen, weil deren Anlageverhalten zu unstabil sei. Dies könne zu unkalkulierbaren Zu- und Abflüssen der Liquidität führen, die der Gesamtperformance schaden.

Hedgefonds – oft nur eine Gebührenmelkmaschine

Die Gebührenstruktur eines Hedgefonds besteht normalerweise aus festen Zahlungen (typischerweise 2% p.a. vom Fondsvolumen) sowie einer Performance-Vergütung (normalerweise 20% der ausgewiesenen jährlichen Erträge). So soll die Entlohnung an den Erfolg gekoppelt werden. In der Praxis hat diese Struktur jedoch dazu geführt, dass Hedgefondsmanager in guten Jahren eine hohe Erfolgsprämie abkassieren können, in schlechten Jahren aber weich fallen. Kunden hingegen spüren einen Wertverlust voll, profitieren hingegen unterproportional von einem Anstieg.

In den volatilen Anlagemärkten der vergangenen Jahrzehnte haben sich Gewinn- und Verlustjahre oft abgewechselt. Dies führte effektiv dazu, dass die Fondsmanager stärker von der Wertschöpfung profitierten als ihre Kunden. Simon Lack kalkulierte in seinem 2012 erschienenen Buch „The Hedge Fund Mirage“, dass die im HFRX-Index enthaltenen Hedgefonds zwischen 1998 und 2010 für ihre Kunden 70 Mrd. US$ an Gewinnen erzielten. Hierfür wurden allerdings 379 Mrd. US$ an Gebühren fällig. 84 % der erzielten Erträge gingen also an die Manager, nur 16% verblieben bei den Anlegern.

Insofern ist es auch nicht erstaunlich, dass in den Jahren nach Erscheinen von „The Hedge Fund Mirage“ die Gehälter der Hedgefondsmanager exorbitant hoch blieben, während die vorher schon armselige Kundenperformance noch weiter zurückging. Dem Erfinder der Risk Parity-Strategie Ray Dalio von Bridgewater Associates schadete es 2015 beispielsweise wenig, dass sein ca. 70 Mrd. US$ großer „All Weather“ Fonds 7% an Wert verlor und damit innerhalb von 3 Jahren das zweite Verlustjahr produzierte. Das Jahresgehalt betrug trotzdem 500 Millionen US$.

Ineffiziente Finanzmärkte sind die Voraussetzung für Hedgefonds – sowohl für Erfolg wie Scheitern

Ineffiziente Finanzmärkte sind der Nährboden für Hedgefonds. Sie werden auch ineffizient bleiben, da es sich Anleger nicht abgewöhnen lassen, im Prinzip immer wieder die gleichen Fehler zu machen wie in den 400 Jahren Börsengeschichte zuvor. Zudem lassen sich auch Finanzbetrug und andere Formen der Investorentäuschung nicht ausrotten. Insofern bleibt die Geschäftsbasis für smarte Hedgefondsmanager erhalten. Allerdings ändern sich die Finanzmärkte ständig und korrigieren damit alte Ineffizienzen. Dafür entstehen neue Ineffizienzen mit den entsprechenden Gelegenheiten.

Voraussetzung dafür, um diese Chancen zu nutzen, ist keine spezifische Erfolgsformel, sondern im Gegenteil eine flexible Anpassung von Handelsstrategien an neue Marktgegebenheiten. Nur für rein fundamental-analystisch agierende Anleger wie Warren Buffett ist ein konsequentes Festhalten am Investmentstil der Schlüssel zum Erfolg, weil ihre Performance aus der Wertschöpfung der realen Wirtschaft resultiert. Hedgefondsmanager müssen sich im Gegensatz dazu vor allem an wandelnde Märkte schnell anpassen können. Dies schaffen au Dauer aber nur wenige Manager. Die meisten sind „One Hit Wonder“, die nach ein paar Erfolgsjahren wieder in der Versenkung verschwinden.

Die Nadel im Heuhaufen zu finden reicht nicht

Als institutioneller Investor sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wie schwierig es selbst für Profis ist, einen dauerhaft Erfolg versprechenden Hedgefonds auszuwählen. Der Schlüssel hierfür liegt – wie David Swensen richtigerweise gesagt hat – in der eingehenden Analyse des Charakters eines Fondsmanagers. Dies ist nur mit langjähriger Erfahrung und einem eingespielten Team möglich. David Swensen hat in Yale ein solches Team aufgebaut und war mit ihm erfolgreich. Die meisten anderen Institutionen und auch viele Consultants waren hierzu aber bisher nicht in der Lage. Sie investieren überwiegend in diejenigen 90% des Hedgefonds-Universums, die für Swenson und Yale nicht gut genug sind – mit fatalen Konsequenzen für ihre Gesamtperformance.

Ein weiteres Problem für Anleger ist, dass erfolgreiche Hedgefonds oftmals entweder für neue Anlagen geschlossen sind bzw. sich bestimmten Investorengruppen verweigern. Insofern ist es für Anleger einfacher, einen Erfolg versprechenden Fonds zu identifizieren, als am Ende dann tatsächlich Geld in ihn zu investieren. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe: Zum einen haben Hedgefonds ein Volumenproblem: Zu hohe Anlagegelder behindern ihre Flexibilität – und damit einen wichtigen Erfolgsfaktor. Zudem müssen auch Hedgefonds inzwischen zahlreiche Regularien befolgen und scheuen den bürokratischen Aufwand durch neue Klienten. Am wichtigsten dürfte aber sein, das es viele erfolgreiche Hedgefondsmanager angesichts ihrer hohen Gewinne der Vergangenheit gar nicht mehr nötig haben, für externe Klienten zu arbeiten und die Belastungen der Kundenbetreuung auf sich zu nehmen. So haben sich beispielsweise Stanley Druckenmiller, George Soros und Steve Cohen von allen Kunden getrennt und betreiben ihren Fonds als Family Office fort.

Hedgefonds: als Massengeschäft gescheitert

Hedgefonds gibt es seit ca. 70 Jahren. Die ersten 50 Jahre waren sie flexible Investmenteinheiten für eine kleine und exklusive Kundenschicht – und konnten vielfach eine herausragende Performance erzielen. Dieses „Luxus-Produkt“ der Finanzindustrie wurde in den vergangen 2 Jahrzehnten zum Massengeschäft gemacht – mit fatalen Folgen für die Qualität. Allerdings blieben die Vergütungsstrukturen erhalten. Hieraus hat sich ein groteskes Missverhältnis zwischen erbrachter Leistung und dafür erhaltener Bezahlung ergeben. Nur ausgesprochene Spezialisten wie David Swensen und sein Team waren in der Lage, die wenigen lohnenswerten Fonds herauszufiltern. Für die meisten Hedgefonds-Anleger gilt hingegen: Außer Spesen nichts gewesen. Der Traum von einem einfachen Weg zu hohen und sicheren Erträgen hat sich als teurer Irrtum herausgestellt – nicht zum ersten Mal.

 

Dieser Text erschien in leicht abgewandelter Form ebenfalls in „Mit ruhiger Hand“ Nummer 47 vom 6. Juni 2016.

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