Was ich aus Schüler und Studentenjobs gelernt habe

by Gastbeitrag on 4. Oktober 2016

Von Jodie Ann Ernsting*

Für jeden kommt irgendwann die Zeit, in der das Taschengeld der Eltern einfach nicht mehr reicht. Also was tun?

Betteln, bis man mehr Geld bekommt? Problem: Die Eltern sind unbarmherzig.

Auf der Straße singen oder ein Instrument spielen? Problem: Den Musikunterricht habe ich damals nach 3 Monaten geschmissen.

Einfach kein Geld mehr ausgeben? Problem: Ich bin die Queen des Online-Shoppings.

 

Es führte kein Weg dran vorbei. Ich brauchte einen Job.

Und genau das ist es, wovon mein nächster Blogbeitrag handeln soll: Schüler- und Studentenjobs und die Auswirkungen auf späteres Verhalten.

Wie die meisten anderen Schüler und Studenten habe ich viel im Dienstleistungsbereich gearbeitet. Ich war eine sehr kurze Zeit an der Fleischtheke eines Supermarktes, eine sehr lange Zeit beim Bäcker und habe gekellnert und beim Baumarkt an der Kasse gesessen. Zwei meiner Jobs haben mich besonders geprägt.

2014 habe ich neben dem Studium bei einem Personalunternehmen, das Kellner und Messehostessen für alle Arten von Veranstaltungen verlieh, gearbeitet. Gleich zu Anfang kam eine der größten Herausforderungen: Ich musste die passende Messebekleidung finden. Zwar bekamen wir die Blusen und die nötigen Accessoires von der Firma gestellt, jedoch brauchte ich Schuhe, in denen ich ohne Probleme zehn Stunden laufen konnte. Auch wenn ich mich lange dagegen gesträubt habe, die hässlichsten Oma-Latschen sind immer mit Abstand die bequemsten. Meine Füße haben es mir gedankt.

Der Job war abwechslungsreich, das Trinkgeld gut und die Kollegen jung und nett. Doch mit was für einer Abwertung man teilweise von den Gästen behandelt wurde, werde ich nie vergessen. Ich erinnere mich gut an einen Einsatz, bei dem ich in der Ehrenloge unseres Fußballstadions gearbeitet habe. Ich hatte zwölf Personen zu bedienen und dafür zu sorgen, dass sie, trotz der Niederlage auf dem Platz, bei Laune blieben. Die Gäste waren der Chef und ein paar Mitarbeiter eines Unternehmens. Während der Inhaber des Unternehmens mich stets höflich und freundlich behandelte und mich zum gemeinsamen Fußballgucken einlud, „sie würden sich schon melden, wenn sie was brauchen“, war einer seiner Mitarbeiter einfach nur unverschämt. Er beschwerte sich über alles: Der Wein war nicht kalt genug, das Bier nicht schaumig genug und ich wahrscheinlich nicht blond genug. Er pfiff nach mir und machte viele Scherze auf meine Kosten. Für mich, als einen Menschen, der von Natur aus meist eine etwas zu große Klappe hat, war es eine harte aber wichtige Lektion zu lernen, wann man einfach mal den Mund halten und seinen Stolz runterschlucken muss. Es wurde am Ende mit einem äußerst großzügigen Trinkgeld des Inhabers belohnt.

Die nächste Lektion lernte ich im Baumarkt an der Kasse. Als Frau in einem Männerspielzeugladen legt man sich entweder schnell ein dickes Fell zu oder man geht lieber sofort wieder. Diese Zeit hat mich sehr geprägt, da ich dort gelernt habe mich durchzusetzen und nicht einzuknicken, wenn mir mal wieder jemand, mit erhobener Stimme, erklären wollte, wie die Welt läuft. Schockiert hat mich jedoch häufig die Arroganz und Rücksichtslosigkeit mit der Kunden mit den Kassierern umgehen. Wenn es ihnen einmal nicht schnell genug ging oder ein Fehler passierte, wurden viele unfreundlich und unverschämt. Sprüche wie „da hast du nichts Anständiges gelernt und kannst nicht mal das“ gehörten zur Tagesordnung. Ich verstand nicht, wie Menschen sich nur aufgrund eines Jobs so über andere stellen konnten. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft jemand versucht hat mich zu verarschen, nur weil sie dachten „mit der dummen Kassiererin kann man es ja machen“. Sie waren automatisch der Meinung intelligenter als ich zu sein und versuchten mich mit (oftmals falsch) verwendeten Fachtermini einzuschüchtern.

Durch die Zeit in meinen Nebenjobs hat sich mein Blick auf vieles sehr verändert. Ich gebe mehr Trinkgeld, achte darauf, egal wie gestresst oder genervt ich bin „Hallo, Danke, Tschüss und Schönen Tag“ zu wünschen und bin tiefenentspannt, wenn es an der Kasse mal etwas länger dauert. Denn ich weiß, wie es ist auf der anderen Seite zu sein und dass man in 80% der Fälle nichts dafür kann. Ich bin der Meinung, dass jeder mindestens einen Job im Dienstleistungsbereich gehabt haben sollte, um einmal mitzubekommen, wie ausgeliefert man sich häufig fühlt, wenn wieder einmal ein Kunde der Meinung ist seinen Frust beim Personal rauslassen zu müssen.


Jodie Ann Ernsting hat 2013 Abitur am Hans Ehrenberg Gymnasium in Bielefeld gemacht und schreibt hier über Impressionen der Jugend nach dem Abitur und auf der Suche nach dem Weg der Generation Y. Jodie studiert in Bielefeld Germanistik. Ihr Beitrag in diesem Blog für die Blogparade zur Vollbeschäftigung erschien in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 5. Mai 2013.

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