Digitale Finanzberatung durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz

by Dirk Elsner on 21. November 2016

Die positiven Rückmeldungen auf meine verschiedenen Chatbotbeiträge in den letzten Wochen motivieren dazu, weiter das Thema “Künstliche Intelligenz” (KI) zu verfolgen. Ich habe mir dazu am Sonntagmorgen noch einmal die Bücher von Christian Rieck, Nick Bostrom und Yvonne Hofstetter aus dem virtuellen Buchregal meines Kindles geholt. In Riecks “Können Roboter mit Geld umgehen?” geht es um die Zukunft der digitalen Finanzberatung. Bostrom befasst sich amerikanisch euphorisch in “Superintelligenz” damit, dass “Künstliche Intelligenz” (KI) nun doch vor dem Durchbruch stehen soll. Im deutlichen Kontrast dazu zeichnet Yvonne Hofstetter ein eher düsteres Bild der KI-Zukunft in „Sie wissen alles“.

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War analoger Berater des Königs: Eddard Stark

Bostrom skizziert in seinem Buch ein optimistisches Bild. Seit der Erfindung des Computers in den 1940er Jahren werde KI immer wieder aufgegriffen. Immer wieder gab es Prognosen dazu, wann es nun tatsächlich “intelligente” Maschinen geben sollte. Diese verlagerten die Umsetzung immer ziemlich weit weg vom Prognosedatum und wurden ständig verschoben. Er ist aber der Überzeugung, dass aus der Tatsache, dass viele Prognosen in der Vergangenheit zu vorschnell waren, nicht folgt, dass KI unmöglich ist oder niemals entwickelt werden wird. Den Hauptgrund für die Verzögerung sieht er in technischen Problemen bei der Konstruktion intelligenter Maschinen. (Nick Bostrom, Superintelligenz, S. 9).

Bostrom räumt aber ein, dass Maschinen dem Menschen in puncto allgemeiner Intelligenz noch weit unterlegen sind. Er sieht aber, dass verschiedene derzeit eingeschlagene Wegrichtungen dazu führen könnten, dass es wahrscheinlicher wird, eines Tages eine maschinelle Superintelligenz konstruieren zu können.

Er nennt dazu: Künstliche Intelligenz, Gehirnemulation, biologische Kognition, Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie Netzwerke und Organisationen.

Bostrom definiert Superintelligenz als einen Intellekt, der die menschliche kognitive Leistungsfähigkeit in nahezu allen Bereichen weit übersteigt (S. 25). Ich selbst mag ja den KI-Begriff nicht besonders gern, will das hier aber nicht vertiefen (hatte ich bereits hier und hier).

Christian Rieck, im Hauptberuf Professor für Finance an der Frankfurt University of Applied Sciences, bezeichnet Web 3.0 als das „denkende Netz“, “das selbständig eine neue Qualität von Wissen erschafft, indem es Menschen miteinander verknüpft und Daten so aufbereitet, dass Dinge auf einer höheren Ebene entstehen, die in den einzelnen Elementen nicht vorhanden waren. Manche nennen das Big Data.” Er nennt die Kombination aus

  1. Beratung durch Kollektivwissen (soziale Medien)
  2. Beratung durch künstliche Intelligenz

Für ihn ist Roboberatung eine “Metapher für Beratungsansätze, die das Kollektivwissen anzapfen und intelligent verknüpfen, sodass dadurch etwas völlig Neues entsteht.” (Pos. 227).

Bostrom sieht in den globalen Finanzmärkten ein äußerst umkämpftes und lukratives Feld auf dem KI-Systeme heute operieren. Er schreibt:

“Investmentfirmen setzen im großen Stil automatisierte Börsenhandels-Systeme ein. Während einige von diesen nur die Kauf- bzw. Verkaufsanweisungen menschlicher Fondmanager ausführen, verfolgen andere komplizierte Handelsstrategien, die auf veränderte Marktbedingungen reagieren können. Analyseprogramme verwenden ein Sortiment von Datengewinnungstechniken und Zeitreihenanalysen, um Muster und Trends in den Wertpapiermärkten aufzuspüren oder frühere Kursbewegungen mit externen Variablen, etwa Schlüsselwörtern in Newstickern, in Bezug zu setzen. Finanznachrichten-Anbieter verkaufen Meldungen, die speziell für solche Programme formatiert sind, während andere Systeme Gelegenheiten zur Arbitrage innerhalb von oder zwischen Märkten aufspüren. Wieder andere machen den Hochfrequenzhandel möglich, der von kleinsten Kursbewegungen profitiert, die im Lauf von Millisekunden auftreten (eine Zeitskala, auf der selbst Signale mit Lichtgeschwindigkeit zu langsam sein können, sodass es von Vorteil ist, seine Computer in der Nähe der Börse aufzustellen). Der automatische Hochfrequenzhandel macht mehr als die Hälfte der Kapitalanteile aus, die auf den US-Märkten gehandelt werden. Der Software-Handel wurde auch mit dem sogenannten Flash Crash in Verbindung gebracht.” (Nick Bostrom, Superintelligenz, S. 21).

Von den KI-Systemen muss man den algorithmischen Wertpapierhandel unterscheiden. Dem liegen nämlich finanzmathematischer Modelle mit steigender Komplexität zugrunde. Hochleistungsrechner und große Speicherkapazitäten bei hoher Verfügbarkeit aktuellster Daten aller Finanzinstrumente sind hier die Treiber der Entwicklung. Auch die mir bekannten Robo-Beratungen basieren auf Algorithmen, also deterministischen Handlungsvorschriften. Die haben bisher nichts mit Künstlicher Intelligenz zu tun.

Interessant wird es jenseits dieser klassischen finanzmathematischen Big Data-Modelle, mit KI-Methoden, die sich auf die Suche nach Informationen machen, die sich gewinnbringend verwenden lassen. Yvonne Hofstetter sieht in “Sie wissen alles” Privatinformationen als Schlüssel zu mehr Erträgen. Sie sieht, dass ausgerechnet Big Data einen illegalen Insiderhandel zu einem legalen Geschäft machen kann (Pos 3.068). Auch sie kommt zu dem Ergebnis, dass intelligente Handelsmaschinen auf Dauer nicht zu schlagen sind (Pos. 3.182).

Ob davon auch Privatinvestoren profitieren, ist zweifelhaft. Ich habe zwar in meiner aktuellen Kolumne für Capital über Chatbots darauf hingewiesen, dass die großen kommerziellen KI-Systeme für Jedermann geöffnet werden. Yvonne Hofstetter sieht aber professionelle Investoren im Vorteil. Sie wissen schneller Bescheid als andere Marktteilnehmer, weil sie sehr viel Geld dafür ausgeben, Informationen möglichst zuerst zu erhalten.

Hofstetter zeichnet übrigens ein sehr pessimistisches Bild zum Einsatz der KI. Sie schreibt (Pos. 3.710):

“Die Big-Data-Technologien der Analyse, Prognose und Manipulation erfassen in einer zweiten Kommerzialisierungswelle all diejenigen, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen: die Verbraucher. Der Konsument, das nächste lohnenswerte Opfer von Big Data? Ganz sicher, jetzt, wo Big Data zum allgemeinen Trend wird und es Software-Werkzeuge vermeintlich jedermann erlauben, künstliche Intelligenz ohne eigene intellektuelle Leistung einzusetzen: »Learn Big Data Technologies in One Hour!«

Big Data konfrontiert den Einzelnen mit Geschäftsmodellen, die unseren demokratischen Gesellschaftsentwurf, unsere Grundrechte und die Natur des Menschen infrage stellen. Der Tausch ist unheilig: Nutzenoptimierung gegen umfassende Kontrolle, Sicherheit gegen Totalüberwachung.”

Später (Pos 3.726 f.) warnt sie davor, Big Data erreiche einen neuen Grad an Gefährlichkeit und Perfidie. Big Data spalte uns in “die Gruppe der Überwachungsapologeten und die der Verweigerer. … Und in mathematischen Begrifflichkeiten attackiert die Nutzenmaximierung lernender Big-Data-Technologien das Paretooptimum unserer sozialen Marktwirtschaft.”

Sie fordert daher ein neues gesellschaftliches Konzept, weil sie die Art und Weise, in der Big Data in unser Leben eingreift, für gefährlich und bisher völlig ungeregelt hält.

Soweit der Ausflug in die elektrisierende Welt der Algorithmen und Künstliche Intelligenz für heute. 

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