Politik per "executive orders": rechtliche Bedeutung von Trumps Regieren per Dekret

by Dirk Elsner on 30. Januar 2017

Trump agierte in der ersten Woche mit einem Trommelfeuer an Anweisungen. Nahezu alle dieser “Presidential Actions” sorgen für große Diskussionen. Bisher waren die USA unser Lieblingsreiseland. Wie viele andere bewegt uns derzeit aber die neue Politik der USA (siehe dazu auch meine kleine Reihe mit Teil 1 und Teil 2 zur Aufkündigung der internationalen Kooperation).

Die ersten Aktivitäten Trumps zeigen starke extraktive Züge im Sinne des Buches “Why Nations Fail” von der Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Daron Acemoğlu und James A. Robinson. Andere sehen, wie Sebastian Moll für die ZEIT schreibt, offenkundig autokratischen Tendenzen oder gar den Beginn eines diktatorischen Regimes in den USA, das diedemokratischen Institutionen aushebelt.

Am Wochenende eskalierte der Streit über ein Dekret unterzeichnet, das die Einreise von Flüchtlingen und Muslimen in die Vereinigten Staaten massiv einschränkt. (hier die Dokumentation der New York Times). Das Weiße Haus bezeichnet solche Dokumente als “Executive Order”.

Ich habe am Wochenende noch einmal nachrecherchiert, welchen rechtlichen Status diese Dekrete haben. Im Lehr- und Handbuch “Regierungssystem der USA ist zu lesen (S. 253):

“Der Präsident und sein Executive Office steuern die Behörden mit Orders, indem mittels dieser der Entscheidungsspielraum der Verwaltung beim Vollzug der Gesetze eingeschränkt oder Verfahrensfragen des rule making neu definiert werden. … In diesem Zusammenhang haben die Erlasse die Wirkung von Verwaltungsvorschriften, die ausschließlich nach innen wirken.

Der Erlaß von Orders wird vom Präsidenten aber auch als Alternative zum Gesetzgebungsprozess eingesetzt. In solchen Fällen haben sie durchaus die Funktion materieller Gesetze und wirken nach außen. … Der Präsident leitet diese Kompetenz aus der implied power doctrine ab. Dennoch ist diese zweite Funktion der präsidentiellen Verordnungsgebung in der amerikanischen Rechtswissenschaft insbesondere hinsichtlich der Reichweite der Erlässe sehr umstritten.”

Tatsächlich sind solche Dekrete nicht ausdrücklich vorgesehen nach der US-Verfassung, werden aber abgeleitet aus dem sehr allgemeinen Artikel 2:

“Die vollziehende Gewalt liegt bei dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.”

Eine “executive orders” ist also ein offizielles vom Präsidenten unterzeichnetes Dokument, das die Politik der Regierung erklärt. Der Präsident gibt damit Anweisungen an Behörden, wie in bestimmten Bereich gearbeitet werden soll. CNN erläutert, ein solches Dekret ist rechtsverbindlich und in das Amtsblatt der Regierung einzutragen (hier geht es zum Archiv der executive orders). Executive-Aufträge können aber kein durch den Kongress verabschiedetes Gesetz rückgängig machen.

Die Washington Post erläuterte, dass eine “executive order” nicht dazu dienen darf, dass der Präsident neue Rechtsvorschriften erschafft, sondern nur bestehende Rechtsvorschriften und die Verfassung auslegt. Der Präsident kann damit die Regierung anweisen, wie sie innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Kongress und Verfassung festgelegt haben, anzuwenden haben.

Allerdings, so erklärt die Law School der Cornell University, kann in Zeiten des Notfalls der Präsident den Kongress aushebeln und mit fast grenzenloser Macht Befehle erlassen. So verwendete Abraham Lincoln einen Exekutivauftrag, um in den Bürgerkrieg zu ziehenoder Franklin Roosevelt genehmigte japanische Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs.

Dennoch, Executive Orders dürfen in “normalen Zeiten” weder die Verfassung der USA noch die bestehende Gesetzgebung aushebeln. Aber genau diese Grenzen überschreitet Trump gerade. Immerhin hat ein Gericht am Wochenende mit einem vorläufigen Urteil den Einreisestopp für viele Muslime ausgebremst. Der Erlass könnte also gegen die US-Verfassung verstoßen.

Wie es im Fall der Handelspolitik aussieht, hat die Bank Unicredit bereits im September letzten Jahres vorausgedacht. Damals schrieben die Analysten in der Studie “Was passiert wenn Trump gewinnt?”:

“Eigentlich dürfen US-Präsidenten ohne den Kongress weder Zölle erhöhen, noch Mauern bauen oder Kriege erklären. Aber es gibt einen Graubereich, in dem diese Regeln zumindest vorübergehend umgangen werden können. Das aber würde schon reichen, großen Schaden anzurichten.

Rechtlich darf nur der Kongress Zölle festlegen. Aber der Trade Act von 1974 verleiht dem Präsidenten das Recht, angesichts „hoher und ernstzunehmender Handelsbilanzdefizite“ 150 Tage lang Zölle bis zu 15% einzuführen, bis er sie dem Kongress vorlegt. Da die Handelsbilanz mit China einen beträchtlichen Fehlbetrag aufweist, könnte Donald Trump versucht sein, die ihm eingeräumten Rechte zu nutzen. Obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, dass er Güter aus China mit einem Satz von 45% belegt, ist das Gespenst eines Zolls von 15%doch sehr beunruhigend und erhöht die Unsicherheit.

Als Oberbefehlshaber könnte Donald Trump sogar die Armee ohne die Zustimmung des Kongresses abkommandieren. Selbstverständlich darf nur der Kongress einen Krieg erklären, aber es gibt auch Notfälle, in denen der Präsident Truppen schicken kann. 1973 (nach Vietnam) wurde versucht, diese Sonderrechte des US-Präsidenten zu beschneiden. So muss er den Kongress heute binnen 48 Stunden benachrichtigen und die Streitkräfte dürfen ohne Zustimmung des Kongresses nicht länger als 60 Tage im Ausland bleiben. Dazu kommt noch eine Rückzugsperiode von 30 Tagen. Das lässt dem Präsidenten aber immer noch 90 Tage für einen Militärschlag, der nicht vom Kongress gebilligt wurde – vorausgesetzt, dass eine nationale Notlage ihn rechtfertigt.”

Das klingt nicht gerade beruhigend.

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