Einstieg in die Neue Institutionenökonomik

by Dirk Elsner on 6. September 2008

In den letzten Jahren haben verschiedene Autoren die Neue Institutionenökonomik im Allgemeinen und den Property Rights-, den Transaktionskostenansatz sowie die Principal-Agent-Theorie im Besonderen für eine theoretische Fundierung der Managementpraxis eingesetzt. Ein Großteil der Faszination dieser Forschungsrichtung rührt daher, dass mit Hilfe vergleichsweise einfach gehaltener Ansätze in logisch stringenter Weise eine Fülle von Ergebnissen abgeleitet werden kann. Diese beziehen sich nicht nur auf den klassischen Anwendungsbereich der Ökonomik, die Wirtschaft. Vielmehr werden auf Fragen des Rechts, der Politik, der Geschichte und vieles mehr behandelt.

Mein Wunsch, diesen Ansatz hier vorzustellen, basiert einerseits auf der dort getroffenen realistischeren Annahme über das menschliche Verhalten und zielt auf die Erklärung möglicher Ursachen von Risiken in ökonomischen Transaktionen beziehungsweise Interaktionssituationen (Opportunismus, beschränkte Rationalität etc.). Andererseits eröffnet und schärft gerade die Transaktionskostenökonomik durch die Fokussierung der Analyse auf die einzelne Transaktion als Bezugseinheit die Perspektive für die mögliche Gestaltung von Führungs-, Steuerungs- und Kontrollstrukturen (Governancestrukturen), die zur Durchführung wirtschaftlicher Tauschprozesse und gesellschaftlicher Aufgaben geeignet sind.

Die neue Institutionenökonomik bietet im Gegensatz zur neoklassischen mikroökonomischen Theorie einen wesentlich höheren Erklärungswert für das Verhalten der Wirtschaftssubjekte und wird praktischen Ansprüchen eher gerecht. Elisabeth Göbel schreibt dazu: „Aus dem Anliegen, den Anwendungsbereich der neoklassischen Theorie durch realitätsnähere Prämissen zu erweitern, entwickelte sich nach und nach das Gedankengebäude das heute als neue Institutionenökologe bezeichnet wird. Kernpunkt ist die Anerkennung von Koordinations- und Motivationsproblemen bei der Interaktion von Menschen in arbeitsteilige Wirtschaft.

Einteilung der Forschungsansätze nach Langerfeldt
Einteilung der Forschungsansätze nach Langerfeldt

Das Gedankengebäude, das heute als „Neue Institutionenökonomik“ bezeichnet wird, war zunächst nichts weiter als der Versuch, den Anwendungsbereich der neoklassischen Theorie zu erweitern. Dies geschieht vor allem dadurch, dass die Annahmen der ökonomischen Theorie erweitert werden. Den Vertretern der Neuen Institutionenökonomik geht es also vorwiegend darum, an einigen unbefriedigenden Annahmen der Neoklassik mit dem Ziel anzusetzen, die herrschende Lehre weiterzuentwickeln. Damit soll der Anspruch verwirklicht werden, eine umfassende, allgemeine mikroökonomische Theorie zu entwickeln, die die Neoklassik um ein aussagekräftiges Modell individuellen Verhaltens sowie um die Analyse institutioneller Rahmenbedingungen erweitert.

Die neue Institutionenökonomik bietet Ansätze, um auch Themen wie Organisation, Personalwirtschaft, Marketing oder Unternehmensführung, für die es im neoklassischen Weltbild kein Fundament gegeben hat, in die ökonomische Theorie aufzunehmen.

Im Mittelpunkt stehen Institutionen und deren Auswirkungen auf menschliches Verhalten. Die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik richten ihr Augenmerk vorwiegend auf die Institution des ‚Vertrags“. Sowohl Markt als auch Hierarchie sowie das gesamte Kontinuum zwischen diesen beiden Extrempunkten beruhen auf expliziten oder impliziten Verträgen, und auch die Unternehmung wird als ein dynamisches Geflecht von Vertragsbeziehungen aufgefasst.

Alle Ansätze der Institutionenökonomik analysieren Institutionen aus dem Blickwinkel des methodologischen Individualismus, d.h. soziale Gebilde wie ein Unternehmen oder der Staat werden aus der Perspektive des einzelnen Individuums untersucht. Ferner treffen alle institutionenökonomische Ansätze weitgehend identische Annahmen zum menschlichen Verhalten: Begrenzte Rationalität und individuelle Nutzenmaximierung. Die Principal-Agent- und die Transaktionskostentheorie berücksichtigen darüber hinaus explizit die gegenüber der individuellen Nutzenmaximierung erweiterte Perspektive des Opportunismus. Zudem bezieht die Principal-Agent-Theorie unterschiedliche Risikopräferenzen der ökonomischen Akteure in ihre Analyse ein.

Während in der Theorie der Verfügungsrechte die Gestaltung und Verteilung von Verfügungsrechten den zentralen Gegenstand der Institutionenanalyse bilden, stellen Verfügungsrechtsstrukturen in der Principal-Agent-Theorie und in der Transaktionskostentheorie nicht weiter thematisierte Randbedingungen dar. Die Property-Rights-Theorie stellt deshalb den übergreifenden Ansatz dar. Es ist ihr besonderes Verdienst, das Augenmerk ökonomischen Denkens auf die meist unberücksichtigt gebliebenen institutionellen Rahmenbedingungen zu lenken. Sie leistet damit eine Reintegration von Recht und Wirtschaft.

Sowohl Principal-Agent-Theorie als auch Transaktionskostentheorie nehmen die Verteilung der Property Rights als gegeben an und prüfen, welche vertraglichen Regelungen bei gegebenen Property-Rights-Verteilungen zu wählen sind. Ein Unterschied ergibt sich hinsichtlich der Untersuchungseinheit. Die Transaktionskostentheorie stellt den Leistungsaustausch selbst und nicht die hieran beteiligten Wirtschaftssubjekte in den Mittelpunkt. Damit kann zwar die individuelle Risikoneigung der Tauschpartner nicht berücksichtigt, dafür aber den Eigenschaften der Transaktion Rechnung getragen werden. Dadurch lässt sich das schwierige Problem der direkten Messung und Quantifizierung von Transaktionskosten umgehen. Anstatt zu versuchen, ihren absoluten Wert zu ermitteln, schließt man auf ihre relative Höhe über die empirische Erfassung ihrer Einflussgrüßen.

Diese komparative Vorgehensweise gewährleistet die für empirische Arbeiten und praktische Anwendungen unabdingbare Operationalisierbarkeit der Transaktionskostentheorie. Die Operationalisierung des Principal-Agent-Ansatzes scheint schwieriger. Die Agency-Kosten stellen ebenso wie die Transaktionskosten ein schwer messbares Effizienzkriterium dar. Die Principal-Agent-Theorie bietet allerdings keinen entsprechenden Bezugsrahmen zur Bewältigung dieses Problems an. Somit bleibt den Principal-Agent- Theoretikern bislang nur die Möglichkeit, sich entweder wesentlich stärker als die Transaktionskostentheorie auf Tendenzaussagen zu beschränken (qualitativ-empirische Perspektive), oder aber die zugrundeliegenden Annahmen zu verschärfen, wodurch die Ergebnisse zwar an formaler Richtigkeit, nicht aber an Realitätsgehalt und praktischer Verwertbarkeit gewinnen (quantitativ-modelltheoretische Variante).

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Property-Rights-Theorie einerseits und die Principal-Agent- sowie Transaktionskostentheorie andererseits weitgehend komplementäre Ansätze sind. Der dominierende Einsatzbereich der Transaktionskostentheorie sind Situationen, in denen opportunistisch handelnde, mit begrenzter Rationalität ausgestattete Akteure spezifische Austauschbeziehungen eingehen. In Situationen, in denen Vertragsprobleme weniger auf Spezifität als auf Informationsasymmetrien zurückzuführen sind oder die Risikoneigung der beteiligten Akteure eine wichtige Rolle spielt, kann dagegen die Principal-Agent-Theorie als wertvoller Bezugsrahmen hinzugezogen werden.

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Literatur

H. Döring, Kritische Analyse der Leistungsfähigkeit des Transaktionskostenansatzes, Göttingen 1999

B. S. Frey, Ökonomie ist Sozialwissenschaft, München 1990

Elisabeth Göbel, Neue Institutionenökonomik, Stuttgart 2002.

K. P. Kaas (Hrsg.), Kontrakte, Geschäftsbeziehungen, Netzwerke – Marketing und Neue Institutionenökonomik, ZfbF Sonderheft Nr. 35, Düsseldorf 1995

G. Kirsch, Neue Politische Ökonomie, 3., überarb. u. erw. Aufl. Düsseldorf 1993

M. Langerfeldt, Neue Institutionenökonomik, in Wisu, 1/2003

A. Picot et al., Die grenzenlose Unternehmung, 3., überarb. Aufl. Wiesbaden 1998

R. Richter, Institutionen ökonomisch analysiert, Tübingen 1994

R. Richter u. E. Furubotn, Neue Institutionenökonomik, Tübingen 1996

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