Vorhersagebörsen als relevante Prognoseinstrumente

by Dirk Elsner on 3. November 2008

Beispiele für Vorhersagemärkte

Beispiele für Vorhersagemärkte

So ziemlich von Beginn dieses Blogs an verwende ich das Instrument der Vorhersagebörsen als Prognoseinstrument. In diesen Märkten werden Erwartungen auf bestimmte klar definierte Ereignisse wie an einer Börse gehandelt. Wie der Aktienkurs die Meinung der Marktteilnehmer über den Wert eines Unternehmens widerspiegelt, zeigt der Preis auf einem Vorhersagemarkt die Erwartungen der Marktteilnehmer auf das Eintreten eines bestimmten Ereignisses. Im Prinzip ist dies also die durchschnittliche Meinung darüber, was die durchschnittliche Meinung ist.

Praktische Durchführung

Was bedeutet dies konkret in der Praxis: Tritt ein Ereignis ein, auf das man gesetzt hat, erhält man wie bei einer herkömmlichen Wette einen bestimmten Betrag, z.B. 100€, ausgezahlt, tritt es nicht ein, erhält man keine Zahlung. Nimmt man z.B. an, Barack Obama würde die Wahl zum Präsidenten der USA gewinnen, dann kann man darauf z.B. an der Vorhersagebörse Intrade setzen. Aktuell kostet dieser Erwartungsschein 92,20 US$. Gewinnt Obama die Wahl, dann erhält man 100 US$. Durch die Skalierung auf 100 kann man den Wert als Erfolgswahrscheinlichkeit interpretieren. Im Fall von Obama rechnet der Markt also mit einer Wahrscheinlichkeit von 92,2% mit einem Sieg.

Praktische Relevanz

Auf Vorhersagebörsen werden Erwartungen aller Art gehandelt. Im Blick Log habe ich so bisher auf die Erwartungen zur Präsidentschaftswahl, auf Konjunkturentwicklung und auf Fußballergebnisse geschaut, wobei die Erwartungen auf Fußballergebnisse meist von Wettanbietern kommen.

In den USA treten insbesondere für die Präsidentschaftswahl die Prognosen der prediction markets gleichberechtigt neben die Prognosen aus Umfragen. Der Blog Pollytics bot z.B. wöchentlich eine ausführliches Analyse des Intrade-Handels zur Präsidentschaftswahl. Medien, Forscher und Unternehmen nutzen Vorhersagemärkte (engl. prediction markets) inzwischen rege, sowohl zur Unterhaltung ihrer Nutzer, als auch zu bedeutsamen Geschäftszwecken.  Unternehmen wie Qmarkets, Consensuspoint, Inkling oder aus Österreich Pro:kons bieten  komplette Pakete, ob nun für virtuelle Händler (etwa die Mitarbeiter einer Firmenabteilung) oder für die Millionen User eines Internetportals.

Einsatz in Unternehmen

Auch Unternehmen nutzen bereits Vorhersagemärkte, um so bessere Informationen aus der kollektiven Intelligenz ihrer Mitarbeiter zu bekommen. Yahoo, Microsoft und Google haben nach einem Bericht der Business Week firmeninterne Vorhersagemärkte eingerichtet und die Angestellten Geld darauf setzen lassen, welche Produkte künftig am erfolgreichsten sein werden. Über den Erfolg der firmeninternen Vorhersagemärkte ist allerdings nichts zu lesen.

Genauigkeit der Prognosen

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 2. November schreibt die Zeitung: „Offenbar sind solche marktgenerierten Prognosen nicht schlecht. In elf von 15 Wahlen zwischen 1884  und 1940 sagten solche Märkte den Sieger richtig voraus.“ Thomas Rietz, Professor der University of Iowa, hat berechnet, dass der Iowa Eletcronic Market (IEM) Wahlergebnisse seit 1988 mit einer Fehlerrate von 1,33% richtig vorhergesagt hat.

Zwischen Börsen und Wetten

Die Nähe von Vorhersagemärkten zu Glückspielen mag eine Ursache dafür sein, dass dieses Instrument in Deutschland noch nicht ernst genommen wird.

Der Unterschied im Vergleich zu reinen Glückspielen liegt auf der Hand. Die Informationen über den Ausgang eines künftigen Ereignisses sind ungleich verteilt. Einige sind besser informiert (bzw. glauben besser informiert zu sein) und können ihren Informationsvorsprung an Vorhersagebörsen zu Geld machen. Treten die gut Informierten mit Preisangeboten an den Markt, dann machen sie im Prinzip ihr bisher vertrauliches Wissen öffentlich. Daher werden die Preise an Vorhersagemärkten auch als guter Indikator für zukünftige Ereignisse angesehen. Genau genommen spiegeln sie aber nur das heutige Wissen bzw. Vermutungen über zukünftige Ereignisse wider. Der Preis, so die Theorie, bündelt die Informationen aller Marktteilnehmer. Er enthält damit sozusagen eine aggregierte Prognose.

Während die Vorhersagemärkte mit reinen Glückspielen also wenig zu tun haben, dürfte die Nähe zu Wetten unbestritten sein. Auch hier versuchen die Wetter überlegene Informationen zu Geld zu machen. Untersuchungen bei Sportwetten haben übrigens einen so genannten „home team bias“ gezeigt. Danach bevorzugen Wetter ihre Lieblingsmannschaft unabhängig von den wirklichen Gewinnchancen.

Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker sieht in seinem Blog Vorhersagemärkte in der Nähe von Derivatebörsen angesiedelt. Wenn jemand einen Future auf den S&P 500 kauft, dann wettet er im Prinzip darauf, dass der durchschnittliche Aktienkurs steigt. Preisbewegungen in diesen Märkten bilden im Ergebnis auch nur die aggregierten Erwartungen der Marktteilnehmer ab.

Qualität der Prognose hängt von mehreren Faktoren ab

Die Qualität dieses Vorhersageinstruments hängt von drei wesentlichen Faktoren ab,

  1. Die Marktteilnehmer müssen echtes Geld investieren. Nur dann haben die Marktteilnehmer einen echten Anreiz, „überlegene“ Informationen auch wirklich zu nutzen. Renommierte Forscher von 19 amerikanischen Hochschulen hatten dazu in der Mai-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science (Zugang nur für Abonnenten) gefordert, die rechtlichen Hürden für Prediction Markets zu senken.
  2. Die Höhe des Wetteinsatzes sollte nicht begrenzt sein. Preise in Vorhersagemärkten repräsentieren nicht nur den Durchschnitt von Meinungen, sondern haben noch eine zusätzliche Korrekturfunktion, wenn die meisten Mitspieler mit ihren Prognosen daneben liegen.  Teilnehmer, die es besser wissen als andere, könnten bei entsprechend günstigen Quoten hohe Summen auf ihren Favoriten setzen und so dafür sorgen, dass sich der Kurs an die tatsächliche Sachlage besser anpasst. Dazu dürfen die Einsätze aber nicht wie beim IEM begrenzt sein.
  3. Es muss eine ausreichende Anzahl von Marktteilnehmern zum Handel bereit sein. Sind zu wenig Marktteilnehmer bei einer Vorhersage aktiv und liegen die Angebotspreise weit von den Nachragepreisen entfernt, dann kommt kein Handel zustande und man erhält keinen Preis für eine Vorhersage. Dies war z.B. der Fall für die Rezessionsprognosen für Deutschland. Das höchste Kaufangebot lag heute bei 10$, das beste Verkaufsangebot bei 60$. Daraus lässt sich keine realistische Prognose ableiten.

Deutschland hinkt hinterher

In Deutschland ist die Verwendung dieses Instruments längst noch nicht so weit, wie in den Vereinigten Staaten. Dies liegt auch daran, dass es hier bisher keinen Anbieter für diese Instrumente gibt (ausgenommen sind Sportwetten) und es wegen des Wettcharakters auch große rechtliche Hürden gibt.

Während Vorhersagemärkte sich in den USA offensichtlich immer größer werdender Relevanz erfreuen und auch von der Wissenschaft ernst genommen werden, sind entsprechende Fundstellen in Deutschland rar. Eine Google-Suche nach „Vorhersagebörse“ weist überhaupt nur 13 Treffer auf, vorwiegend Blogs (darunter übrigens an erster Stelle Einträge vom Blick Log) und Zeitschriftenartikel.

Die inhaltlich etwas veraltete Webseite www.vorhersageboerse.de deutet zwar darauf hin, dass sich die Uni Frankfurt mal mit dem Thema befasst hat, inhaltlich ging es hier allerdings nicht um die Vorhersagemärkte im hier beschriebenen Sinn.

Eine Suche nach „vorhersagemarkt“ listet zwar 1.700 Treffer, darunter aber vorwiegend Links zu Wettanbietern.

Deutschland scheint also insgesamt wieder einmal hinter den USA herzuhinken. Dabei ergeben sich neben den hier beschriebenen Möglichkeiten viele weitere Anwendungen und Geschäftsmodelle, die sich auf der Basis von Vorhersagemärkten realisieren lassen. Das wäre aber ein Thema für einen weiteren Beitrag oder etwas für eine Wagniskapitalfinanzierung.

Literatur

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: