Mit geringen Erwartungen schaue ich in diesem Jahr zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Ich habe nicht den Eindruck, dass von der dort versammelten „Wirtschaftselite“ Impulse ausgehen werden. Dieser Eindruck wird bestätigt durch Aussagen von Samuel DiPiazza, Vorstandschef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, den das Handelsblatt wie folgt zitiert: „Das Tempo und die Intensität der Rezession hat die Psyche der CEOs erschüttert und eine globale Vertrauenskrise ausgelöst.“
Naiv frage ich wieder einmal, wer sitzt eigentlich in den Top-Funktionen der Top-Unternehmen? In einer marktwirtschaftlichen Ordnung wird mit elitärer Bezahlung auch elitäre Leistung erwartet. Wann können CEOs besser Führungsstärke zeigen als in solch wirtschaftlichen schweren Zeiten? Stattdessen scheinen viele Vorreiter in Banken und anderen Unternehmen weiter nahezu handlungsunfähig und hoffen auf die Unterstützungmaßnahmen staatlicher Stellen. So erschreckt es mich, wenn ich als eine Schlussfolgerung einer PwC-Untersuchung im Handelsblatt lese:
„Insgesamt wünschen sich die Manager mehr Orientierung von der Politik in Zeiten, in denen die globalen Trends nicht eindeutig zu erkennen sind. Denn nur 23 Prozent der CEOs glauben, dass sie über genügend Informationen über die Risiken verfügen, die ihre Geschäfte betreffen.“
Und weil viele Manager weder selbst Orientierung geben, geschweige denn eine neue Aufbruchstimmung beschwören können, schwänzen sie lieber die früher gern als Bühne verwendete Veranstaltung in Davos. Dabei hätte man dort mal deutliche und nachhaltige Zeichen der Einsicht, des Aufbruchs und der Veränderung signalisieren können. Dies ist ein äußerst schwaches Bild einer Gruppe, die die Bezeichnung Wirtschaftselite nicht verdient hat.
Eliten, die Vorbildfunktionen erfüllen, die Risiken nicht nur für sich, sondern auch zum Wohle für ihr Unternehmen oder gar die Gesellschaft eingehen, die neue Wege suchen und gehen und die mitreißen können, sind derzeit kaum sichtbar. Aber vielleicht bringen ja die, die sich in Davos versammelt haben doch ein paar positive Zeichen in den nächsten Tagen zustande und jammern nicht über die „Endzeitstimmung in Davos“ (Süddeutsche).
PS
Bevor sich hier jemand über eine pauschale Managerschelte freut: Natürlich gibt es viele kräftig arbeitende und gerade jetzt vor Energie pulsierende Manager und Führungkräfte. Sie sitzen nur nicht an den öffentlichkeitswirksamen Schaltstellen der Top-Unternehmen. Sie wirken in ihren jeweiligen Unternehmen oder anderen Verantwortungskreisen außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. Dort bewirken sie mehr als in einer medienwirksamen Funktion.
Weitere Beiträge zum Thema und vom Weltwirtschaftsforum
HB: Davos: USA fordern neues Verantwortungsbewusstsein
HB: Kollektive Depression in Davos
FTD: Weltwirtschaftsforum in Davos: Im Jahre eins nach Lehman
Pressemitteilung von PwC: Vorstandschefs erwarten kein schnelles Ende der Wirtschaftskrise
FAZ: Putin warnt vor zu viel staatlicher Intervention
CEO Survey von PWC als kostenlosen Download
FTD: Die unverbesserliche Super-Heuschrecke
Blick Log: Vom Schweigen und Versagen der Funktionselite
Weisgarnix: Davos im Sauerland
Süddeutsche: Analyse: Endzeitstimmung in Davos
RP-Online: Weltwirtschaftsforum: Die Großen von Davos beraten über die Krise
Stern: Wer es nicht mehr nach Davos schafft
Weltwirtschaftsforum im Zeichen der Wirtschaftskrise: Diesmal mehr als Amüsement?
SWR: Meedia: Davos: Das globale Dorf im Zeichen der Krise
HB: Soros: „Die Welt braucht ein neues Finanzsystem“
Davos Diary: Jeff Jarvis on The Lack of Trust
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