Das Gift für die schlechten Banken (Teil 2): Wie giftig ist das Gift?

by Dirk Elsner on 3. Februar 2009

In einem aufgrund des Umfangs zweigeteilten Beitrag beleuchtet der Blick Log intensiver das Gift der Banken, das viele Institute gern in einer Bad Bank ablegen wollen. Im ersten Beitrag von gestern ging es um die Frage, was grundsätzlich in den Bankbilanzen steckt. Im heutigen Beitrag versuche ich mich der Frage zu nähern, wie giftig das Gift tatsächlich ist.

Und die Frage ist brisant, wenn man sich die Bewertungsdifferenzen für mit Immobilien abgesicherten Bonds in den USA ansieht. Zwei Autoren nennen dazu ein Beispiel für ein MBS-Papier. Dieses mit Immobilienkrediten besicherte Asset Backed Security wird von der Bank, der es gehört mit 97% bewertet, Standard & Poor schätzt es auf 87%, basierend auf den gegenwärtigen Ausfallraten, es kann bis auf 57% heruntergestuft werden, wenn sich die Rahmenbedingungen weiter verdüstern und sich die Ausfallquoten verdoppeln.  Interessant aber jetzt, dass dieses Papier am Markt für 38% gehandelt wird und damit die noch düstereren Erwartungen von Investoren reflektiert.

Dieses Beispiel ist schon deswegen interessant, weil eine Bank in diesem Fall das Papier zu 38% im Abschluss bewerten muss, wenn sie das Papier im Handelsbestand hält. Hier darf man sich zurecht fragen, ob man tatsächlich die dunkelsten Erwartungen als Bewertungsbasis verwenden sollte und damit den Abschwung weiter beschleunigt.

Wie hoch ist die Ausfallquote?

Banken stellen in ihren Risikoberichten häufig die theoretisch maximalen Verluste dar, also z.B. für den Fall, dass die Subprime-Wertpapiere und damit im Zusammenhang stehende CDOs komplett ausfallen und keine Verwertungsgewinne erzielt werden können. Für die Praxis ist es jedoch unrealistisch anzunehmen, dass diese Positionen komplett ausfallen.

Die spannende Frage, die sich stellt ist, um die toxischen Asset bewerten zu können: Wie hoch sind die Ausfälle bei den ursprünglichen Forderungen, also z.B. den Sub-Prime oder Mid-Prime Hypotheken. Leider sind diese Informationen schwer zusammenzusuchen für externe Beobachter, die nicht über besondere (meist kostenpflichtige) Informationszugänge verfügen.

Anhaltspunkte werden aber etwa von der US-Federal Reserve Bank bereitgestellt. Auf der folgenden Karte ist der prozentuale Anteil überfälliger Forderungen auf Hypothekarkredite dargestellt. Über die gesamten USA weisen die höchsten Quoten mit überfälligen Forderungen nach dieser Aufstellung einige Countys in Südkalifornien aus: San Bernadino 6,08%, Riverside 7,33%, San Joaquin mit 7,96%. Das sind aber bereits die Extremwerte für die USA. Eine ähnliche Karte gibt es für die Forderungen auf Bank Karten. Hier sind die Ausfallquoten jedoch geringer.

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Abbildung: Überfällig Forderungen Hypotheken (Quelle: New York Fed)

Allerdings beziehen sich diese Daten auf das 2. Quartal 2008. Für das spannende 3. Quartal liegen noch keine Daten vor. Über Presseartikel sind lediglich Einzelinformationen zu erfahren. So betrug beispielsweise die Ausfallquote für Kalifornien 7,7%. Diese Quote wird in dem Bericht als rückläufig beschrieben. Leider lässt sich diese Zahl nicht vergleichen mit der oben genannten Zahl.

Auch daraus ist nicht tatsächlich zu erkennen, wie hoch die Quote tatsächlich ausgefallener Zahlungen ist, zumal ja bei Ausfall eines Kreditnehmers auch noch Kreditsicherheiten verwertet werden können und Teile der Forderungen zusätzlich mit Credit Default Swaps abgesichert sind.

Ich würde jetzt mal eine Schätzung wagen und behaupten, von den ursprünglichen Zahlungsansprüchen fallen höchsten 3% bis 5% komplett aus. Unterstellen wir jetzt, dass das gesamte Marktvolumen der US-Hypotheken 10 Billionen US$ beträgt, und unterstellen wir weitere, dass die Hälfte der Forderungen über entsprechende CDS abgesichert ist, dann entspräche dies einem Zahlungsausfall in Höhe von 150 bis 250 Mrd. US$.

Dies ist zwar immer noch eine hohe Ausfallsumme, jedoch liegt sie weit entfernt von den Billionensummen, die zum Teil durch die Presse geistern, wie z.B. die 3 Billionen, die der US-Ökonom Nouriel Roubini in einem Interview mit der FAZ nannte[1].

Fällt also tatsächlich diese Summe aus und wird der Rest der Zahlungen geleistet, dann bedeutet dies, dass der Originator von ABS-Paketen von seinen ursprünglich erwarteten 100 US$ tatsächlich noch etwa 95 US$ erhält.

Weiteres Tasten im Nebel

Nun kann man einwenden, die ABS und CDOs sind durch die Fremdfinanzierung zum Teil mit einem erheblichen Leveragefaktor versehen, so dass bei einem originären Ausfall von 3% und einem Leveragefaktor von 10 tatsächlich 30% des eingesetzten Kapitals ausfallen. Dieser Einwand ist richtig, berücksichtigt aber noch nicht, dass Teile der Zahlungsansprüche durch Credit Default Swaps abgesichert sind[2].

Tatsächlich stochert man hier tief im Nebel, soweit Banken nicht weitere Informationen offen legen. Erst wenn man die tatsächlichen Ausfallquoten und die Finanzierungs- und Sicherungsstruktur der einzelnen CDOs kennt, können Fachleute eine hinreichend befriedigende Bewertung vornehmen.

Alles andere ist Spekulation. Und damit komme ich zur simplen Schlussfolgerung: Erwartet man, dass der innere Wert eines CDO´s über seinem aktuellen Marktwert liegt, dann sollte man den CDO kaufen bzw. halten. Sollte dies nicht der Fall sein, dann muss er abgestoßen werden.

Die an den Märkten herrschende Angst spricht dafür, dass derzeit die Marktwerte mit zu hohen Risikoprämien versehen sind und damit viele Assets überproportional stark abgewertet sind.

Aktivität am Markt für Kreditderivate

Und tatsächlich ist der Markt für Kreditderivate ja nicht ausgetrocknet. Es gibt am Markt Käufer. Wenn die Deutsche Bank oder Landesbanken berichten, sie hätten sich von Teilen ihre Kreditderivateportfolios getrennt[3], dann haben sie dafür Käufer gefunden, die mit genügend Know how und entsprechend ausgestatten Ressourcen genau die oben vorgetragenen Überlegungen angestellt und für sich beantwortet haben.

Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass diese Geschäfte so einfach zu beurteilen sind ist, wie die Bewertung von DAX-Werten. Andererseits täten die Banken gut daran, die Transparenz deutlich zu erhöhen, weil dies allein bereits marktwerterhöhend durch die Reduktion von Unsicherheit wird.

Auf welche Informationen sollte man achten?

Am Markt gibt es bestimmte Indikatoren, die man hilfsweise verwenden kann, um zu beurteilen, ob die Assets der Banken weiter abgewertet werden müssen oder nicht

· Berichte über Ausfallquoten von Wohnungsbaukrediten, Kredite auf Gewerbeimmobilien, Kreditkartenforderungen und Unternehmenskredite.

o sinkende Quoten: Assets steigen im Wert

o steigende Quoten: Assets sinken im Wert

· Prämien der Credit Default Swaps für Banken und auch der Kreditverischerer

o sinkende Prämien: Assets steigen im Wert

o steigende Prämien: Assets sinken im Wert

Fazit

Stabilisiert sich der Markt für Kreditderivate und Kreditrisiken und reduzieren sich die Risikoprämien für Credit Default Swaps, dann könnten die verlustbringenden Kreditderivatepositionen zum Ende von Q4 ihren Tiefpunkt erreicht haben.

Eine Schlussfolgerung daraus für die Banken wird sein, dass sie zum Ende des 1. Quartals 2009 bereits wieder Erträge einfahren, allein schon weil sie nicht weitere hohe Abschreibungen vornehmen müssen. Die Erträge können noch höher ausfallen, wenn die Prämien sinken, denn für diesen Fall sind sogar Zuschreibungen möglich.

Ein abschließender Appell, nein eine notwendige Forderung, die an Banken gehen muss: Sie müssen Transparenz schaffen im Hinblick auf die vergifteten Assets. Sie sollten deutlich machen, was sie aufgrund von Bilanzierungsvorschriften abwerten müssen. Sie sollten aber auch darlegen, warum sie bestimmte Abwertungen für zu hoch halten und wie sie realistischer weise kalkulieren würden.

Weitere Beiträge

NYT: Making the Best of Bad Banks

NZZ: EZB – Leitlinien für Bad Banks

HB: Ringen um Bad Banks

NYT: Big Risks for US in Trying to Value Bad Bank Assets

HB: Banken Gefährliche Versteckspiele

Reuter: Europäische Zentralbank arbeitet an Leitlinien für Bad Banks

HB: Bad Bank“-Ernüchterung: Dax knickt ein

WSJ: ECB planning ‚bad bank‘ guidelines: WSJ

BM: Deutschland hat doch schon eine „Bad Bank“

WSJ: Primer: The Basics of ‚Bad Banks‘

Weisgarnix: Bad bank für Europa?

FTD: Wie wird die Bad Bank kapitalisiert?
FTD: Wie werden die Wertpapiere bewertet?
FTD: Wie viel darf ausgelagert werden?
FTD: Wie wichtig ist ein abgestimmtes Vorgehen?

HB: LBBW: Siegfrieds wunder Punkt

Anmerkungen


[1] Robini bezieht allerdings in seine Prognose auch noch weitere Wirtschaftssektoren mit ein, also auch Kredite für kommerzielle Immobilien, für den Kauf von Autos oder auch für die Finanzierung des Studiums, für die Finanzierung von Übernahmen und auch um Unternehmensanleihen. Dennoch halte ich diese Zahl für viel zu hoch

[2] Nun könnte man dagegen wiederum einwenden, dass auch die Bedienung von Ansprüchen aus CDS nicht gesichert sind, wenn die Sicherungsgeber wie z.B. eine AIG ausfallen. Solche Zweifel äußert auch die Deutsche Bank in ihrem Q3-Bericht: „Es besteht eine gewisse Verunsicherung darüber, ob Monoliner ihre Verpflichtungen gegenüber Banken und anderen Käufern von Absicherungen erfüllen können.“

[3] Siehe dazu zum Beispiel der Deutschen Bank.

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